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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Erwünschter wäre ein Bild Schellings ans seiner früheren Zeit gewesen, wo er
der Nation geistige Impulse gab, die den Geheimerath der Offenbarungsphilo¬
sophie bald vergessen wird, oder viemchr schon vergessen hat. Wie ganz anders
nimmt sich dagegen das Bild Fichtes ans, in dessen großen und edlen Zügen
ein mannhafter Charakter sich ausspricht, dem man die Arbeit des Denkens und
die bewußte Energie des Wollens ansieht! Ohne Zweifel gehört dies Bild, dem
eine lebensgroße Kreidezeichnung von Bury zu Grunde liegt, zu den anziehend¬
sten und interessantesten der Sammlung und ist auch in der Ausführung sehr
gelungen.

Von den großen Dichtern ist Wieland nach Jagemanns Gemälde auf
der Bibliothek in Weimar und Herder nach Graffs Porträt in der Gleimschen
Sammlung in Halberstadt gegeben; eS sind die besten, welche man kennt. Und
hier kann man den Unterschied wahrnehmen, wenn man von den verbreiteten Por¬
träts, die auf dieselben Originale zurückgehen, irgendwelche mit den hier vorlie¬
genden Stichen vergleicht, nicht allein in der Technik des stiess, sondern in der
Charakteristik der Form und der-geistigen Belebung, daß man ein ganz anderes
Bild zu sehen glaubt. Weniger bekannt als jene ist vielleicht das Bild Klop-
stocks, obgleich das Originalgemälde von Incl, das ein Enkel des Dichters
Hr. v. Miethern in Hamburg besitzt, schon früher gestochen worden ist.
Es zeigt den Dichter weniger häßlich, als man ihn sonst zu sehen gewohnt ist;
Ausdruck und Haltung verrathen mehr deu weltlichen Dingen und besonders
der Gesellschaft und den Frauen nicht abgeneigten Mann, wie ihn die gleichzeitigen
Berichte ans Zürich und Hamburg charakterisiren, als den Sänger der Messiade.

Die Krone der Dichterbilder aber ist das von Lessing, nach einem Gemälde
von Graff, das für Breitkopf gemalt, mit welchem Lessing befreundet war, sich
jetzt im Besitz des Dr. Härtel in Leipzig befindet und zum ersten Mal gestochen
ist. Ans dem früheren, allgemein bekannten Porträt nach Tischbein ist Lessing
jünger, lebhafter und feuriger, mit einem Ausdruck von Verwogenheit. Ursprüng¬
lich war er mit einem dreieckigen Hut, keck auf den Kopf gesetzt, dargestellt,
der auf dem Originalbild übermalt wurde, aber auf einer alten Copie noch er¬
halten ist (beide sind jetzt in Berlin); dieser Hut, sowie der rothe Rock, erhöhen
den charakteristischen Ausdruck der stürmische" jugendlichen Vollkraft ungemein.
Das Härtelfche Bild zeigt den gereiften Mann, der sich seiner Herrschaft über
steh und andere bewußt ist. Der unglaublich helle und klare Blick, der scharf
und bestimmt ausgeprägte Mund drücken die höchste Energie des durchgebildeten
Verstandes und Willens ans, und eine wunderbare Mischung von Freundlichkeit
und Ernst, eine gesunde Lebenskraft,- die sich in dem Ganzen ausspreche", geben
die Vorstellung eiuer seltenen und großen Menschennatur, z" der man volles
Vertraue" empfindet.


Erwünschter wäre ein Bild Schellings ans seiner früheren Zeit gewesen, wo er
der Nation geistige Impulse gab, die den Geheimerath der Offenbarungsphilo¬
sophie bald vergessen wird, oder viemchr schon vergessen hat. Wie ganz anders
nimmt sich dagegen das Bild Fichtes ans, in dessen großen und edlen Zügen
ein mannhafter Charakter sich ausspricht, dem man die Arbeit des Denkens und
die bewußte Energie des Wollens ansieht! Ohne Zweifel gehört dies Bild, dem
eine lebensgroße Kreidezeichnung von Bury zu Grunde liegt, zu den anziehend¬
sten und interessantesten der Sammlung und ist auch in der Ausführung sehr
gelungen.

Von den großen Dichtern ist Wieland nach Jagemanns Gemälde auf
der Bibliothek in Weimar und Herder nach Graffs Porträt in der Gleimschen
Sammlung in Halberstadt gegeben; eS sind die besten, welche man kennt. Und
hier kann man den Unterschied wahrnehmen, wenn man von den verbreiteten Por¬
träts, die auf dieselben Originale zurückgehen, irgendwelche mit den hier vorlie¬
genden Stichen vergleicht, nicht allein in der Technik des stiess, sondern in der
Charakteristik der Form und der-geistigen Belebung, daß man ein ganz anderes
Bild zu sehen glaubt. Weniger bekannt als jene ist vielleicht das Bild Klop-
stocks, obgleich das Originalgemälde von Incl, das ein Enkel des Dichters
Hr. v. Miethern in Hamburg besitzt, schon früher gestochen worden ist.
Es zeigt den Dichter weniger häßlich, als man ihn sonst zu sehen gewohnt ist;
Ausdruck und Haltung verrathen mehr deu weltlichen Dingen und besonders
der Gesellschaft und den Frauen nicht abgeneigten Mann, wie ihn die gleichzeitigen
Berichte ans Zürich und Hamburg charakterisiren, als den Sänger der Messiade.

Die Krone der Dichterbilder aber ist das von Lessing, nach einem Gemälde
von Graff, das für Breitkopf gemalt, mit welchem Lessing befreundet war, sich
jetzt im Besitz des Dr. Härtel in Leipzig befindet und zum ersten Mal gestochen
ist. Ans dem früheren, allgemein bekannten Porträt nach Tischbein ist Lessing
jünger, lebhafter und feuriger, mit einem Ausdruck von Verwogenheit. Ursprüng¬
lich war er mit einem dreieckigen Hut, keck auf den Kopf gesetzt, dargestellt,
der auf dem Originalbild übermalt wurde, aber auf einer alten Copie noch er¬
halten ist (beide sind jetzt in Berlin); dieser Hut, sowie der rothe Rock, erhöhen
den charakteristischen Ausdruck der stürmische» jugendlichen Vollkraft ungemein.
Das Härtelfche Bild zeigt den gereiften Mann, der sich seiner Herrschaft über
steh und andere bewußt ist. Der unglaublich helle und klare Blick, der scharf
und bestimmt ausgeprägte Mund drücken die höchste Energie des durchgebildeten
Verstandes und Willens ans, und eine wunderbare Mischung von Freundlichkeit
und Ernst, eine gesunde Lebenskraft,- die sich in dem Ganzen ausspreche», geben
die Vorstellung eiuer seltenen und großen Menschennatur, z» der man volles
Vertraue» empfindet.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/466>, abgerufen am 06.02.2025.