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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Sicherung, daß die Armeereduction der östreichischen Regierung "noch eine be¬
sondere Veranlassung gegeben, in der Mitte ihrer Bundesgenossen über ihre
Haltung in der gegenwärtigen Lage der Verhältnisse sich auszusprechen" -- dieser
Versicherung folgte die abermalige Versicherung, daß jene Maßregel ,,nur nach
reifster Erwägung des Standes der politischen Angelegenheiten Europas und der
östreichischen Monarchie" beschlossen und eingetreten sei. Dazu machten die
Börsenmänner höchst bedenkliche Gesichter; denn genan am -10. November und
etwa in derselben Stunde, als jene Eröffnung im Turm- und Taxisschcn Palast
erklang, war der Text des russischen Kriegömänifestes und zugleich die telegra¬
phische Depesche von der Schlacht bei Oltenitza in die Stadt gekommen. Auch
war die Armeereduction schon im vollste" Zuge, während doch der Stand der
politischen Angelegenheiten Europas plötzlich aller reifliche" Erwägungen zu spotten
schien. Die aber in der Reduction und namentlich in deren demonstrativer Ver-
kündung vor der Bundesversammlung mit materiellem Börscnblicke nichts als
eine Fiuanzmaßregel sehe" wollten (wovon jedoch in der Eröffnung durchaus nichts
verlautet--), sie fragten wieder bedenklich, was heißt: Bedrohung der "eignen In¬
teressen des Kaiserstaats?" Wie lange ist uns garantirt, daß Oestreich "nicht
geso""en sei, an dem ausgebrochenen Streite sich zu bctheiligc"". Und die Po¬
litiker, welche das "neue Unterpfand" für die "friedliebenden Gesinnungen"
Oestreichs, wie seines "Vertrauens in eine friedliche und mit den Interessen
aller vereinbare Ausgleichung des Streites" gläubig hinnahmen, zuckten bedenk¬
lich die Achseln, daß dennoch "keines der wichtigen Interessen, für welche
Oestreich, sei es als europäische Macht, sei es als deutsche BnndeSmacht, mit Ent¬
faltung aller seiner Kräfte einzustehen in den Fall kommen könnte, die kaiserliche
Negierung unvorbereitet zu raschem und kräftigem Handeln finde" solle.
Andere meinte" gar, es sei mit der ganzen Armeereduction so ernst noch immer
nicht gemeint. Der schließlichen Aufforderung jeuer Eröffnung zur "Anerken¬
nung" der östreichischen "Haltung und Bestrebung" ward allerdings in lebhafte"
Dankesworten mehrer Repräsentanten kleinerer Bundesstaaten höflichste Folge
geleistet. Doch fand im Publicum die preußische Gegenerklärung viel mehr An¬
klang, weil sie kurz sagte: die "Intentionen" Oestreichs seien "hinlänglich be¬
kannt" und Preußen werde seine "Freiheit der Entschließungen" auch fernerhin
benutzen, "um im Verein mit den erhabenen Verbündete" Sr. Majestät des
Königs alle Kräfte zur Sicherung des Friedens zu benutzen." Augsburger und
andere Stimmen haben das später "kalt" und "geschäftsmäßig" genannt. Un¬
seres Erachtens ist mit der Phrase i" diplomatische" Versammlunge" nichts zu
leisten. Aber freilich, Organen, die von der lächerlichsten Nufsophobie zum gb-
soluten Philrusflmus (uach Analogie des Philhellenismus) übergewandelt sind,
mag in nationale" Angelegenheiten die Phrase das Höchste und Einzige schei¬
ne". Merkwürdig erscheint es daneben, daß grade zwei Staaten, deren Gesandte


Sicherung, daß die Armeereduction der östreichischen Regierung „noch eine be¬
sondere Veranlassung gegeben, in der Mitte ihrer Bundesgenossen über ihre
Haltung in der gegenwärtigen Lage der Verhältnisse sich auszusprechen" — dieser
Versicherung folgte die abermalige Versicherung, daß jene Maßregel ,,nur nach
reifster Erwägung des Standes der politischen Angelegenheiten Europas und der
östreichischen Monarchie" beschlossen und eingetreten sei. Dazu machten die
Börsenmänner höchst bedenkliche Gesichter; denn genan am -10. November und
etwa in derselben Stunde, als jene Eröffnung im Turm- und Taxisschcn Palast
erklang, war der Text des russischen Kriegömänifestes und zugleich die telegra¬
phische Depesche von der Schlacht bei Oltenitza in die Stadt gekommen. Auch
war die Armeereduction schon im vollste» Zuge, während doch der Stand der
politischen Angelegenheiten Europas plötzlich aller reifliche» Erwägungen zu spotten
schien. Die aber in der Reduction und namentlich in deren demonstrativer Ver-
kündung vor der Bundesversammlung mit materiellem Börscnblicke nichts als
eine Fiuanzmaßregel sehe» wollten (wovon jedoch in der Eröffnung durchaus nichts
verlautet—), sie fragten wieder bedenklich, was heißt: Bedrohung der „eignen In¬
teressen des Kaiserstaats?" Wie lange ist uns garantirt, daß Oestreich „nicht
geso»»en sei, an dem ausgebrochenen Streite sich zu bctheiligc»". Und die Po¬
litiker, welche das „neue Unterpfand" für die „friedliebenden Gesinnungen"
Oestreichs, wie seines „Vertrauens in eine friedliche und mit den Interessen
aller vereinbare Ausgleichung des Streites" gläubig hinnahmen, zuckten bedenk¬
lich die Achseln, daß dennoch „keines der wichtigen Interessen, für welche
Oestreich, sei es als europäische Macht, sei es als deutsche BnndeSmacht, mit Ent¬
faltung aller seiner Kräfte einzustehen in den Fall kommen könnte, die kaiserliche
Negierung unvorbereitet zu raschem und kräftigem Handeln finde» solle.
Andere meinte« gar, es sei mit der ganzen Armeereduction so ernst noch immer
nicht gemeint. Der schließlichen Aufforderung jeuer Eröffnung zur „Anerken¬
nung" der östreichischen „Haltung und Bestrebung" ward allerdings in lebhafte»
Dankesworten mehrer Repräsentanten kleinerer Bundesstaaten höflichste Folge
geleistet. Doch fand im Publicum die preußische Gegenerklärung viel mehr An¬
klang, weil sie kurz sagte: die „Intentionen" Oestreichs seien „hinlänglich be¬
kannt" und Preußen werde seine „Freiheit der Entschließungen" auch fernerhin
benutzen, „um im Verein mit den erhabenen Verbündete» Sr. Majestät des
Königs alle Kräfte zur Sicherung des Friedens zu benutzen." Augsburger und
andere Stimmen haben das später „kalt" und „geschäftsmäßig" genannt. Un¬
seres Erachtens ist mit der Phrase i» diplomatische» Versammlunge» nichts zu
leisten. Aber freilich, Organen, die von der lächerlichsten Nufsophobie zum gb-
soluten Philrusflmus (uach Analogie des Philhellenismus) übergewandelt sind,
mag in nationale» Angelegenheiten die Phrase das Höchste und Einzige schei¬
ne». Merkwürdig erscheint es daneben, daß grade zwei Staaten, deren Gesandte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/440>, abgerufen am 05.02.2025.