Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.in dem "Lehrbuch der Universalgeschichte" (6 Bde. 1835--44), von dem gegen¬ Die Universalgeschichte zerfällt der Form uach in zwei sehr voneinander Am auffallendsten häufen sich die Paradoxien in der Geschichte des Alter¬ in dem „Lehrbuch der Universalgeschichte" (6 Bde. 1835—44), von dem gegen¬ Die Universalgeschichte zerfällt der Form uach in zwei sehr voneinander Am auffallendsten häufen sich die Paradoxien in der Geschichte des Alter¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97123"/> <p xml:id="ID_1260" prev="#ID_1259"> in dem „Lehrbuch der Universalgeschichte" (6 Bde. 1835—44), von dem gegen¬<lb/> wärtig bereits die 3. Auflage erscheint, zusammengedrängt. Man muß es als<lb/> sein Hauptwerk, als die Philosophie der Geschichte betrachten, zu der seine frü¬<lb/> heren Werke nur Vorstudien waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1261"> Die Universalgeschichte zerfällt der Form uach in zwei sehr voneinander<lb/> verschiedene Abtheilungen. Die Geschichte des Alterthums, des Mittelalters und<lb/> zum Theil auch noch die Reformationszeit ist compendiarisch behandelt, nicht in<lb/> einer ausgefährten Darstellung, sondern nur mit besonderer Hervorhebung der<lb/> leitenden Gesichtspunkte, die durch die Thatsachen exempliftcirt werden. Für diese<lb/> Art der Behandlung hat Leo ein ganz ungewöhnliches Talent; seine Gruppirung<lb/> der Thatsachen nach ideellen Gesichtspunkten hat hänfig etwas Ueberraschendes<lb/> und Bezauberndes, namentlich in der Geschichte des Mittelalters, über die er<lb/> durch frühere gründliche Studien Herr geworden war. Dieser erste Theil seines<lb/> Geschichtswerkes ist daher ungleich origineller und,unzweifelhaft nach allen Sei¬<lb/> ten hin lehrreich, wenngleich er wegen der unvollständigen Ausführung noch<lb/> reicher an Paradoxien ist, als selbst die Geschichte der Revolution. Sobald man<lb/> ausführlich und im einzelnen erzählt, wird man wenigstens zu einem gewissen<lb/> Maße in den Einfällen gezwungen, während es bei der bloßen Skizze für Com¬<lb/> binationen und Prophezeiungen keine Grenze gibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1262" next="#ID_1263"> Am auffallendsten häufen sich die Paradoxien in der Geschichte des Alter¬<lb/> thums, die überhaupt ziemlich dürftig und ganz und gar nach Compendien, wenn<lb/> anch uach sehr guten, bearbeitet ist. Auch tritt hier am deutlichsten der Gegensatz<lb/> zwischen der angeblichen Vorliebe für die naturwüchsige Entwickelung und dem Enpra-<lb/> naturaliömuö des Princips heraus. Durch die Sprache sowie die überall durch¬<lb/> scheinende Bildung unterscheidet sich zwar Leo sehr wesentlich von deu alt-christ¬<lb/> lichen Chronisten, welche das ganze Alterthum bis. ans Christus als ein Reich<lb/> deö Bösen aus der Geschichte ausstreichen, aber im Princip ist er mit ihnen ein-<lb/> verstanden. Er hat seine Frende nicht nur an dem Untergang jener dunklen<lb/> Cnltnrformen im Anfang der Geschichte, sondern auch über den Untergang der<lb/> griechischen und römischen Bildung, weil sie einer falschen Religiosität verfallen'<lb/> waren. Er stellt z. B, die Zeit des PenkleS als den Leichenzug alt-ätherischer<lb/> Sitte dar. „Der Leichenzug selbst", fährt er S. 262 fort, „kann uus »ur<lb/> freuen, denn in rascherer Entwickelung übt während desselben die welthistorische<lb/> Dialektik anch an dem falsche» Suchen nach Gott, was in der griechischen Sitt¬<lb/> lichkeit lag, ihr Recht und ihre Macht, und führt uns entschiedener dem Zie'le<lb/> entgegen, bei dem alle diese Dissonanzen der älteren Geschichte der Menschheit<lb/> ihre Losung finden." Ferner S. 380: „So war das Suchen deö grie¬<lb/> chischen Geistes nach Gott in Wahrheit ein vergebliches; — ein sol¬<lb/> ches, welches zwar vieles Herrliche, welches in einzelnen Momenten schöne, er¬<lb/> freuende, sittliche Gestalten und eine Fülle von Gedanken hervortrieb, aber jene</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0418]
in dem „Lehrbuch der Universalgeschichte" (6 Bde. 1835—44), von dem gegen¬
wärtig bereits die 3. Auflage erscheint, zusammengedrängt. Man muß es als
sein Hauptwerk, als die Philosophie der Geschichte betrachten, zu der seine frü¬
heren Werke nur Vorstudien waren.
Die Universalgeschichte zerfällt der Form uach in zwei sehr voneinander
verschiedene Abtheilungen. Die Geschichte des Alterthums, des Mittelalters und
zum Theil auch noch die Reformationszeit ist compendiarisch behandelt, nicht in
einer ausgefährten Darstellung, sondern nur mit besonderer Hervorhebung der
leitenden Gesichtspunkte, die durch die Thatsachen exempliftcirt werden. Für diese
Art der Behandlung hat Leo ein ganz ungewöhnliches Talent; seine Gruppirung
der Thatsachen nach ideellen Gesichtspunkten hat hänfig etwas Ueberraschendes
und Bezauberndes, namentlich in der Geschichte des Mittelalters, über die er
durch frühere gründliche Studien Herr geworden war. Dieser erste Theil seines
Geschichtswerkes ist daher ungleich origineller und,unzweifelhaft nach allen Sei¬
ten hin lehrreich, wenngleich er wegen der unvollständigen Ausführung noch
reicher an Paradoxien ist, als selbst die Geschichte der Revolution. Sobald man
ausführlich und im einzelnen erzählt, wird man wenigstens zu einem gewissen
Maße in den Einfällen gezwungen, während es bei der bloßen Skizze für Com¬
binationen und Prophezeiungen keine Grenze gibt.
Am auffallendsten häufen sich die Paradoxien in der Geschichte des Alter¬
thums, die überhaupt ziemlich dürftig und ganz und gar nach Compendien, wenn
anch uach sehr guten, bearbeitet ist. Auch tritt hier am deutlichsten der Gegensatz
zwischen der angeblichen Vorliebe für die naturwüchsige Entwickelung und dem Enpra-
naturaliömuö des Princips heraus. Durch die Sprache sowie die überall durch¬
scheinende Bildung unterscheidet sich zwar Leo sehr wesentlich von deu alt-christ¬
lichen Chronisten, welche das ganze Alterthum bis. ans Christus als ein Reich
deö Bösen aus der Geschichte ausstreichen, aber im Princip ist er mit ihnen ein-
verstanden. Er hat seine Frende nicht nur an dem Untergang jener dunklen
Cnltnrformen im Anfang der Geschichte, sondern auch über den Untergang der
griechischen und römischen Bildung, weil sie einer falschen Religiosität verfallen'
waren. Er stellt z. B, die Zeit des PenkleS als den Leichenzug alt-ätherischer
Sitte dar. „Der Leichenzug selbst", fährt er S. 262 fort, „kann uus »ur
freuen, denn in rascherer Entwickelung übt während desselben die welthistorische
Dialektik anch an dem falsche» Suchen nach Gott, was in der griechischen Sitt¬
lichkeit lag, ihr Recht und ihre Macht, und führt uns entschiedener dem Zie'le
entgegen, bei dem alle diese Dissonanzen der älteren Geschichte der Menschheit
ihre Losung finden." Ferner S. 380: „So war das Suchen deö grie¬
chischen Geistes nach Gott in Wahrheit ein vergebliches; — ein sol¬
ches, welches zwar vieles Herrliche, welches in einzelnen Momenten schöne, er¬
freuende, sittliche Gestalten und eine Fülle von Gedanken hervortrieb, aber jene
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