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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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umgekehrt wäre, ist es grade die Börse, jene quecksilberne Sphinx, die dies¬
mal consequent und muthig aushält. Unbeirrt von allen Hiobs- und Freuden¬
nachrichten bleibt sie gelassen bei ihren Cursen und wartet, die Hände in den
Taschen, ruhig bis der Moniteur den Mund aufthut. Warum sollten wir nicht
auch dem Beispiele der Börse folgen dürfen? Warum sollten wir nicht auch
warten, bis positive Nachrichten uus über den wirklichen Stand der Dinge Auf¬
klärung geben? Der Leser nimmt es uns gewiß nicht übel, wenn wir für eine
Woche wenigstens Abschied von Omer-Pascha und Gortschakoff nehme" und uns
ein wenig in Paris umgucken.

Es bedarf wol keiner Entschuldigung dafür, daß wir mit dem Gelde den
Anfang macheu. In unserm Jahrhundert und namentlich im Kaiserthume ist das
der einzige Factor der Gesellschaft, der seine Rechte nicht verloren. Das Geld
ist der moderne spartanische Staat, dem der Einzelne geopfert wird und Salomon
Rothschild ist sein Lykurg. Das Geld und vorzüglich das Silbergeld ist eine so
große Seltenheit geworden, daß die Bank von Frankreich sich entschließen mußte,
ihre Bankscheine blos gegen Gold umzuwechseln, was eine kleine Emente hervor¬
zurufen droht, und die Herren Bankdircctoren wissen nicht, ob das Gesetz, welches
erkennt, daß die Bankzettel gegen esxeee umzutauschen sind, sie genugsam schützt
weil die Einheit des französischen Münzfußes das Fünfsrankenstück ist. Das Cu-
riosum bei der Geschichte ist, daß vorzüglich Rothschild es gewesen, der diese
Maßregel hervorgerufen. Seit nämlich das Agio ans zweiundzwanzig Franken
vom Tausend gestiegen, hat dieser Finanzmann jeden Tag beträchtliche Summen
in Silber aus der Bank nehmen lassen und diese nach einem kurzen, wenig kost¬
spieligen Rafsiniruugsprocesse als Silberbarren wieder in den Handel gebracht
und großentheils an die Bank selbst verkauft. Dieses Haus hat sich in der
letzten Zeit so wohl aus diese Finanzoperation eingerichtet, daß es ihm möglich
geworden, jeden Tag um eine Million Franken zu raffiniren, was ihm ein täg¬
liches Prositchcn von 22,000 Franken verschafft, doch sind hiervon noch die wenig
beträchtlichen Raffinirnngskosten abzuziehen. Das ist einfach wie das El des
Columbus und wie alles Geniale. Ein anderes Finanzgcnie, dessen Namen ich
leider nicht weiß, hat sich durch Errichtung eines Abonnements ans Kupfergeld
ein sehr einträgliches Geschäft gegründet. Er hatte nämlich die Erfahrung ge¬
macht, daß die meisten Detailhändler von Paris fast täglich wegen Mangel am
nöthigen Kupfergeld in Verlegenheit gerathen. Er ging von Haus zu Haus,
ließ ein Abonnement eröffnen und holt das Kupfergeld aus deu Provinzen, wo
man ihm für Silbergeld Agio bezahlt, oder von solchen Geschäftshäusern, die wieder
Ueberfluß an Kupfergeld haben. Durch diese Wechsclanstalt a äowlolw hat der
Mann sich in kurzer Zeit ein kleines Vermögen erworben und hat die Aussicht,
bald ein steinreicher Mann zu werden. Eine andere Industrie, die zwar nicht
neu, aber in der Ausdehnung, wie sie jetzt betrieben wird, neu genannt werden


Gr-nzboten. IV. 1863. 49

umgekehrt wäre, ist es grade die Börse, jene quecksilberne Sphinx, die dies¬
mal consequent und muthig aushält. Unbeirrt von allen Hiobs- und Freuden¬
nachrichten bleibt sie gelassen bei ihren Cursen und wartet, die Hände in den
Taschen, ruhig bis der Moniteur den Mund aufthut. Warum sollten wir nicht
auch dem Beispiele der Börse folgen dürfen? Warum sollten wir nicht auch
warten, bis positive Nachrichten uus über den wirklichen Stand der Dinge Auf¬
klärung geben? Der Leser nimmt es uns gewiß nicht übel, wenn wir für eine
Woche wenigstens Abschied von Omer-Pascha und Gortschakoff nehme» und uns
ein wenig in Paris umgucken.

Es bedarf wol keiner Entschuldigung dafür, daß wir mit dem Gelde den
Anfang macheu. In unserm Jahrhundert und namentlich im Kaiserthume ist das
der einzige Factor der Gesellschaft, der seine Rechte nicht verloren. Das Geld
ist der moderne spartanische Staat, dem der Einzelne geopfert wird und Salomon
Rothschild ist sein Lykurg. Das Geld und vorzüglich das Silbergeld ist eine so
große Seltenheit geworden, daß die Bank von Frankreich sich entschließen mußte,
ihre Bankscheine blos gegen Gold umzuwechseln, was eine kleine Emente hervor¬
zurufen droht, und die Herren Bankdircctoren wissen nicht, ob das Gesetz, welches
erkennt, daß die Bankzettel gegen esxeee umzutauschen sind, sie genugsam schützt
weil die Einheit des französischen Münzfußes das Fünfsrankenstück ist. Das Cu-
riosum bei der Geschichte ist, daß vorzüglich Rothschild es gewesen, der diese
Maßregel hervorgerufen. Seit nämlich das Agio ans zweiundzwanzig Franken
vom Tausend gestiegen, hat dieser Finanzmann jeden Tag beträchtliche Summen
in Silber aus der Bank nehmen lassen und diese nach einem kurzen, wenig kost¬
spieligen Rafsiniruugsprocesse als Silberbarren wieder in den Handel gebracht
und großentheils an die Bank selbst verkauft. Dieses Haus hat sich in der
letzten Zeit so wohl aus diese Finanzoperation eingerichtet, daß es ihm möglich
geworden, jeden Tag um eine Million Franken zu raffiniren, was ihm ein täg¬
liches Prositchcn von 22,000 Franken verschafft, doch sind hiervon noch die wenig
beträchtlichen Raffinirnngskosten abzuziehen. Das ist einfach wie das El des
Columbus und wie alles Geniale. Ein anderes Finanzgcnie, dessen Namen ich
leider nicht weiß, hat sich durch Errichtung eines Abonnements ans Kupfergeld
ein sehr einträgliches Geschäft gegründet. Er hatte nämlich die Erfahrung ge¬
macht, daß die meisten Detailhändler von Paris fast täglich wegen Mangel am
nöthigen Kupfergeld in Verlegenheit gerathen. Er ging von Haus zu Haus,
ließ ein Abonnement eröffnen und holt das Kupfergeld aus deu Provinzen, wo
man ihm für Silbergeld Agio bezahlt, oder von solchen Geschäftshäusern, die wieder
Ueberfluß an Kupfergeld haben. Durch diese Wechsclanstalt a äowlolw hat der
Mann sich in kurzer Zeit ein kleines Vermögen erworben und hat die Aussicht,
bald ein steinreicher Mann zu werden. Eine andere Industrie, die zwar nicht
neu, aber in der Ausdehnung, wie sie jetzt betrieben wird, neu genannt werden


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[0393] umgekehrt wäre, ist es grade die Börse, jene quecksilberne Sphinx, die dies¬ mal consequent und muthig aushält. Unbeirrt von allen Hiobs- und Freuden¬ nachrichten bleibt sie gelassen bei ihren Cursen und wartet, die Hände in den Taschen, ruhig bis der Moniteur den Mund aufthut. Warum sollten wir nicht auch dem Beispiele der Börse folgen dürfen? Warum sollten wir nicht auch warten, bis positive Nachrichten uus über den wirklichen Stand der Dinge Auf¬ klärung geben? Der Leser nimmt es uns gewiß nicht übel, wenn wir für eine Woche wenigstens Abschied von Omer-Pascha und Gortschakoff nehme» und uns ein wenig in Paris umgucken. Es bedarf wol keiner Entschuldigung dafür, daß wir mit dem Gelde den Anfang macheu. In unserm Jahrhundert und namentlich im Kaiserthume ist das der einzige Factor der Gesellschaft, der seine Rechte nicht verloren. Das Geld ist der moderne spartanische Staat, dem der Einzelne geopfert wird und Salomon Rothschild ist sein Lykurg. Das Geld und vorzüglich das Silbergeld ist eine so große Seltenheit geworden, daß die Bank von Frankreich sich entschließen mußte, ihre Bankscheine blos gegen Gold umzuwechseln, was eine kleine Emente hervor¬ zurufen droht, und die Herren Bankdircctoren wissen nicht, ob das Gesetz, welches erkennt, daß die Bankzettel gegen esxeee umzutauschen sind, sie genugsam schützt weil die Einheit des französischen Münzfußes das Fünfsrankenstück ist. Das Cu- riosum bei der Geschichte ist, daß vorzüglich Rothschild es gewesen, der diese Maßregel hervorgerufen. Seit nämlich das Agio ans zweiundzwanzig Franken vom Tausend gestiegen, hat dieser Finanzmann jeden Tag beträchtliche Summen in Silber aus der Bank nehmen lassen und diese nach einem kurzen, wenig kost¬ spieligen Rafsiniruugsprocesse als Silberbarren wieder in den Handel gebracht und großentheils an die Bank selbst verkauft. Dieses Haus hat sich in der letzten Zeit so wohl aus diese Finanzoperation eingerichtet, daß es ihm möglich geworden, jeden Tag um eine Million Franken zu raffiniren, was ihm ein täg¬ liches Prositchcn von 22,000 Franken verschafft, doch sind hiervon noch die wenig beträchtlichen Raffinirnngskosten abzuziehen. Das ist einfach wie das El des Columbus und wie alles Geniale. Ein anderes Finanzgcnie, dessen Namen ich leider nicht weiß, hat sich durch Errichtung eines Abonnements ans Kupfergeld ein sehr einträgliches Geschäft gegründet. Er hatte nämlich die Erfahrung ge¬ macht, daß die meisten Detailhändler von Paris fast täglich wegen Mangel am nöthigen Kupfergeld in Verlegenheit gerathen. Er ging von Haus zu Haus, ließ ein Abonnement eröffnen und holt das Kupfergeld aus deu Provinzen, wo man ihm für Silbergeld Agio bezahlt, oder von solchen Geschäftshäusern, die wieder Ueberfluß an Kupfergeld haben. Durch diese Wechsclanstalt a äowlolw hat der Mann sich in kurzer Zeit ein kleines Vermögen erworben und hat die Aussicht, bald ein steinreicher Mann zu werden. Eine andere Industrie, die zwar nicht neu, aber in der Ausdehnung, wie sie jetzt betrieben wird, neu genannt werden Gr-nzboten. IV. 1863. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/393>, abgerufen am 05.02.2025.