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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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militärische umgewandelt werden. Je breiter und gewaltiger das Stromthal gegen
seine Mündung zu wird, desto näher nickt die russische Grenze der türkischen.
Bei Silistria beträgt die Entfernung des walachischen Ufers noch 1000 Schritt,
bei Hirsowa ist sie aus die Hälfte vermindert und Jsaktschi gegenüber stehen rus¬
sische Wachtposten der türkischen Stadt 200 Schritt nahe. Auch, bei Tuldscha
beträgt die Entfernung nicht über eine Gewehrschnßweite. Dazu kommt, daß
Tuldscha selbst, der einzige Platz, welcher das Fahrwasser der Donau beherrscht,
in seiner neuen Lage und Ausdehnung nicht fortificirt werden kann. Die andern
Plätze aber, wenn sie auch wiederhergestellt würden, beherrschen ohne die Inseln
nicht die Donan. Silistria, welches die Russen noch bis Ende 4 besetzt
hielten, ist nur mangelhaft wiederhergestellt und Rustschuk hat seine Offensiv¬
bedeutung gegen die Nüssen durch die Schleifung seines Brückenkopfes Giur-
gewo verloren.

In Asien werden die Paschaliks Kars, Bajazid, Erzerum und der größte
Theil von Akalzike den Türken zurückgegeben. Rußland behielt in diesem letz¬
tern Paschalik nur den kleinen Bezirk, der von dem obern Theile des Knzthales
umschlossen wird und den Platz AkalM enthält. Die russischen Bevollmächtigten
nannten diese von ihnen geforderte Abtretung nur eine einfache Berichtigung der
Grenze.

Drei Friedensbedingunge" aber drückten besonders hart die Türken. Erstens
mußten sie den russischen Kaufleuten für die Verluste, welche sie während des
Krieges erlitten hatten, eine Entschädigung von -I'/s Millionen holländischer Du-
caten zahlen. Sodann mußten sie die russische Regierung mit -10 Millionen hol¬
ländischer Ducaten oder -I2L Millionen Franken für die im Kriege gemachten
Ausgaben entschädigen. Diese Summe sollte in zehn Jahren jährlich mit
-12,600,000 Franken entrichtet werden. Nach der ersten Zahlung räumten die
Russen Adrianopel, nach der zweiten alles Land südlich des Balkan, nach der
dritten die Bulgarei bis zur Donan und erst nach der letzten das türkische
Grundgebict überhaupt. Sonach hielten sie zehn Jahre lang die Donaufürsten-
thümer besetzt.

Endlich erkannte der Großherr durch den Tractat von Adrianopel die Un¬
abhängigkeit Griechenlands an. Dies war mehr als ein bloßer Gebietsvcrlnst.
Der neue hellenische Staat, wie eng auch seine Grenzen gesteckt wurden, war das
Vorbild einer durch den Erfolg gekrönten Empörung. Alle mißvergnügten christ¬
lichen Unterthanen der europäischen Türkei fanden jetzt auswärts eine Stütze, die
Bewohner der Moldau und Walachei in Rußland, die Bulgaren in Serbien, die
Griechen in Hellas. Ueberdies hatten die Bewohner von Morea und den Cy¬
kladen bisher hauptsächlich die türkische Flotte bemannt und ihr die besten See¬
leute geliefert. Nach diesem Verluste dürfte die türkische Marine mit der rus¬
sischen im schwarzen Meere es kaum mehr ausnehmen können. Die russische Flotte


Grenzboten, IV. 18L?, 48

militärische umgewandelt werden. Je breiter und gewaltiger das Stromthal gegen
seine Mündung zu wird, desto näher nickt die russische Grenze der türkischen.
Bei Silistria beträgt die Entfernung des walachischen Ufers noch 1000 Schritt,
bei Hirsowa ist sie aus die Hälfte vermindert und Jsaktschi gegenüber stehen rus¬
sische Wachtposten der türkischen Stadt 200 Schritt nahe. Auch, bei Tuldscha
beträgt die Entfernung nicht über eine Gewehrschnßweite. Dazu kommt, daß
Tuldscha selbst, der einzige Platz, welcher das Fahrwasser der Donau beherrscht,
in seiner neuen Lage und Ausdehnung nicht fortificirt werden kann. Die andern
Plätze aber, wenn sie auch wiederhergestellt würden, beherrschen ohne die Inseln
nicht die Donan. Silistria, welches die Russen noch bis Ende 4 besetzt
hielten, ist nur mangelhaft wiederhergestellt und Rustschuk hat seine Offensiv¬
bedeutung gegen die Nüssen durch die Schleifung seines Brückenkopfes Giur-
gewo verloren.

In Asien werden die Paschaliks Kars, Bajazid, Erzerum und der größte
Theil von Akalzike den Türken zurückgegeben. Rußland behielt in diesem letz¬
tern Paschalik nur den kleinen Bezirk, der von dem obern Theile des Knzthales
umschlossen wird und den Platz AkalM enthält. Die russischen Bevollmächtigten
nannten diese von ihnen geforderte Abtretung nur eine einfache Berichtigung der
Grenze.

Drei Friedensbedingunge» aber drückten besonders hart die Türken. Erstens
mußten sie den russischen Kaufleuten für die Verluste, welche sie während des
Krieges erlitten hatten, eine Entschädigung von -I'/s Millionen holländischer Du-
caten zahlen. Sodann mußten sie die russische Regierung mit -10 Millionen hol¬
ländischer Ducaten oder -I2L Millionen Franken für die im Kriege gemachten
Ausgaben entschädigen. Diese Summe sollte in zehn Jahren jährlich mit
-12,600,000 Franken entrichtet werden. Nach der ersten Zahlung räumten die
Russen Adrianopel, nach der zweiten alles Land südlich des Balkan, nach der
dritten die Bulgarei bis zur Donan und erst nach der letzten das türkische
Grundgebict überhaupt. Sonach hielten sie zehn Jahre lang die Donaufürsten-
thümer besetzt.

Endlich erkannte der Großherr durch den Tractat von Adrianopel die Un¬
abhängigkeit Griechenlands an. Dies war mehr als ein bloßer Gebietsvcrlnst.
Der neue hellenische Staat, wie eng auch seine Grenzen gesteckt wurden, war das
Vorbild einer durch den Erfolg gekrönten Empörung. Alle mißvergnügten christ¬
lichen Unterthanen der europäischen Türkei fanden jetzt auswärts eine Stütze, die
Bewohner der Moldau und Walachei in Rußland, die Bulgaren in Serbien, die
Griechen in Hellas. Ueberdies hatten die Bewohner von Morea und den Cy¬
kladen bisher hauptsächlich die türkische Flotte bemannt und ihr die besten See¬
leute geliefert. Nach diesem Verluste dürfte die türkische Marine mit der rus¬
sischen im schwarzen Meere es kaum mehr ausnehmen können. Die russische Flotte


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[0385] militärische umgewandelt werden. Je breiter und gewaltiger das Stromthal gegen seine Mündung zu wird, desto näher nickt die russische Grenze der türkischen. Bei Silistria beträgt die Entfernung des walachischen Ufers noch 1000 Schritt, bei Hirsowa ist sie aus die Hälfte vermindert und Jsaktschi gegenüber stehen rus¬ sische Wachtposten der türkischen Stadt 200 Schritt nahe. Auch, bei Tuldscha beträgt die Entfernung nicht über eine Gewehrschnßweite. Dazu kommt, daß Tuldscha selbst, der einzige Platz, welcher das Fahrwasser der Donau beherrscht, in seiner neuen Lage und Ausdehnung nicht fortificirt werden kann. Die andern Plätze aber, wenn sie auch wiederhergestellt würden, beherrschen ohne die Inseln nicht die Donan. Silistria, welches die Russen noch bis Ende 4 besetzt hielten, ist nur mangelhaft wiederhergestellt und Rustschuk hat seine Offensiv¬ bedeutung gegen die Nüssen durch die Schleifung seines Brückenkopfes Giur- gewo verloren. In Asien werden die Paschaliks Kars, Bajazid, Erzerum und der größte Theil von Akalzike den Türken zurückgegeben. Rußland behielt in diesem letz¬ tern Paschalik nur den kleinen Bezirk, der von dem obern Theile des Knzthales umschlossen wird und den Platz AkalM enthält. Die russischen Bevollmächtigten nannten diese von ihnen geforderte Abtretung nur eine einfache Berichtigung der Grenze. Drei Friedensbedingunge» aber drückten besonders hart die Türken. Erstens mußten sie den russischen Kaufleuten für die Verluste, welche sie während des Krieges erlitten hatten, eine Entschädigung von -I'/s Millionen holländischer Du- caten zahlen. Sodann mußten sie die russische Regierung mit -10 Millionen hol¬ ländischer Ducaten oder -I2L Millionen Franken für die im Kriege gemachten Ausgaben entschädigen. Diese Summe sollte in zehn Jahren jährlich mit -12,600,000 Franken entrichtet werden. Nach der ersten Zahlung räumten die Russen Adrianopel, nach der zweiten alles Land südlich des Balkan, nach der dritten die Bulgarei bis zur Donan und erst nach der letzten das türkische Grundgebict überhaupt. Sonach hielten sie zehn Jahre lang die Donaufürsten- thümer besetzt. Endlich erkannte der Großherr durch den Tractat von Adrianopel die Un¬ abhängigkeit Griechenlands an. Dies war mehr als ein bloßer Gebietsvcrlnst. Der neue hellenische Staat, wie eng auch seine Grenzen gesteckt wurden, war das Vorbild einer durch den Erfolg gekrönten Empörung. Alle mißvergnügten christ¬ lichen Unterthanen der europäischen Türkei fanden jetzt auswärts eine Stütze, die Bewohner der Moldau und Walachei in Rußland, die Bulgaren in Serbien, die Griechen in Hellas. Ueberdies hatten die Bewohner von Morea und den Cy¬ kladen bisher hauptsächlich die türkische Flotte bemannt und ihr die besten See¬ leute geliefert. Nach diesem Verluste dürfte die türkische Marine mit der rus¬ sischen im schwarzen Meere es kaum mehr ausnehmen können. Die russische Flotte Grenzboten, IV. 18L?, 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/385>, abgerufen am 05.02.2025.