Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Eitelkeit Kaiser Alexanders zuzuschreiben, den die Schmeicheleien Talleyrands sehr rasch Wenn Hr. Urquharts Ansichten manchmal von den allgemein herrschenden soweit Der Abschnitt über Ungarn sollte dem Grasen Fiauclmont zur Durchsicht empfoh- Eitelkeit Kaiser Alexanders zuzuschreiben, den die Schmeicheleien Talleyrands sehr rasch Wenn Hr. Urquharts Ansichten manchmal von den allgemein herrschenden soweit Der Abschnitt über Ungarn sollte dem Grasen Fiauclmont zur Durchsicht empfoh- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0360" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97065"/> <p xml:id="ID_1104" prev="#ID_1103"> Eitelkeit Kaiser Alexanders zuzuschreiben, den die Schmeicheleien Talleyrands sehr rasch<lb/> zum Franzosenfreund gemacht hatten. Überhaupt scheint Hr. Urqnhart ganz zu verges¬<lb/> sen, welchen gewaltigen Einfluß die Persönlichkeiten und die Launen des Fürsten in<lb/> einem vollkommen absoluten Staate aus die Politik haben, einen Einfluß, der einer<lb/> Politik die mit so wunderbarer Conseauenz, wie Hr. Urqnhart befürchtet, nach ihrem<lb/> Ziele strebt, entschieden ungünstig ist. Nicht ans kalter Berechnung, sondern aus mysti¬<lb/> scher Schwärmerei wurde Kaiser Alexander der Begründer der Neactionspolitik, welche<lb/> allerdings in den geschickten Händen der russischen Diplomaten zur Schwächung ihrer<lb/> Nachbarn benutzt, aber nicht von ihm erfunden wurde. Die vom Kaiser Nikolaus<lb/> in ähnlicher Stimmung übernommene Rolle eines Ritters der Legitimität ist ebenfalls<lb/> nicht unter allen Verhältnissen den Plänen der russischen Politik förderlich. Sie machte<lb/> die Fortdauer der Allianz mit Frankreich unmöglich, auf die Rußland in den letzten<lb/> Jahren der Restauration so ehrgeizige Pläne gebant hatte, und das Julikönigthum<lb/> zu einem Bundesgenossen Englands, dessen antirussische Politik seitdem Frankreich<lb/> überall unterstützt hat. So gut unterrichtet, unermüdlich, und geschickt geleitet auch<lb/> die russische Diplomatie ist, so ist sie doch nicht die Hauptquelle der Macht Rußlands.<lb/> Diese sind vielmehr die große Dcfcnsivkraft des Reichs infolge der weiten Entfer¬<lb/> nungen und der dünnen Bevölkerung, die Getheiltheit und innere Schwäche Deutsch¬<lb/> lands, und die Ohnmacht Oestreichs, das sich erst mit Deutschland und Preußen aus¬<lb/> einandersetzen muß, ehe es hinreichende Kraft zur Erfüllung seines Berufs im Osten zur<lb/> Verfügung haben kann. So sehr wittert Hr. Uranhart überall russische Intriguen,<lb/> daß er ihnen nicht nur die französische Expedition nach Spanien 1823 — die allerdings<lb/> eine Folge der Tcudenzpolitik Alexanders war -— sondern auch die englisch-französische<lb/> Intervention von 1834 für die Constitutionellen beimißt, blos um die westlichen Mächte<lb/> zu beschäftigen, und ihre Augen und ihre Kräfte vom Orient abzulenken!!</p><lb/> <p xml:id="ID_1105"> Wenn Hr. Urquharts Ansichten manchmal von den allgemein herrschenden soweit<lb/> abweichen, daß sie wunderlich genannt werden müssen, so schützt ihn diese Unabhän¬<lb/> gigkeit von dem Urtheil der großen Menge doch zuweilen vor jenen epidemischen Irr¬<lb/> thümern, die manchmal das politische Urtheil ganzer Nationen anstecken. Er ist einer<lb/> der wenigen Engländer, die die wahre Bedeutung der Schleswig-holsteinischen Frage er¬<lb/> kannt, und den Muth gehabt haben, sich, im Widerspruch mit den einflußreichsten<lb/> Organen der Presse,' für die Herzogthümer und gegen Dänemark auszusprechen. Aber<lb/> wenn er in seinem Hasse gegen Lord Palmerston auf diesen die Hauptschuld der so<lb/> unglücklichen Beilegung des Streites schiebt, so thut er ihm entschieden Unrecht. Lord<lb/> Palmerston zeigte sich im Anfange der Schleswig-holsteinischen Sache insofern günstig,<lb/> als er Englands Vermittelung auf Grund einer Theilung Schleswigs antrug — ein An¬<lb/> erbieten, welches die Statthalterschaft in allzu sanguinischer Hoffnung auf einen günsti¬<lb/> gen Ausgang leider zurückwies! Sollte dann später als die Sache Dänemarks von der<lb/> ganzen englischen Presse als die gerechte angepriesen wurde, als der Krieg, wegen der<lb/> von ihm verursachten Handelöstörnng, in England höchst unpopulär geworden war, Lord<lb/> Palmerston als Verfechter der Herzogthümer auftreten, während doch der Staat, der<lb/> sich so gern der erste deutsche nennt, Oestreich, diplomatisch und zuletzt auch militärisch<lb/> Dänemark unterstützte, während Preußen, das erst das deutsche Recht verfochten, sich<lb/> zurückzog, weil es sich in Europa isolirt und von den deutschen Staaten angefeindet sah?</p><lb/> <p xml:id="ID_1106" next="#ID_1107"> Der Abschnitt über Ungarn sollte dem Grasen Fiauclmont zur Durchsicht empfoh-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0360]
Eitelkeit Kaiser Alexanders zuzuschreiben, den die Schmeicheleien Talleyrands sehr rasch
zum Franzosenfreund gemacht hatten. Überhaupt scheint Hr. Urqnhart ganz zu verges¬
sen, welchen gewaltigen Einfluß die Persönlichkeiten und die Launen des Fürsten in
einem vollkommen absoluten Staate aus die Politik haben, einen Einfluß, der einer
Politik die mit so wunderbarer Conseauenz, wie Hr. Urqnhart befürchtet, nach ihrem
Ziele strebt, entschieden ungünstig ist. Nicht ans kalter Berechnung, sondern aus mysti¬
scher Schwärmerei wurde Kaiser Alexander der Begründer der Neactionspolitik, welche
allerdings in den geschickten Händen der russischen Diplomaten zur Schwächung ihrer
Nachbarn benutzt, aber nicht von ihm erfunden wurde. Die vom Kaiser Nikolaus
in ähnlicher Stimmung übernommene Rolle eines Ritters der Legitimität ist ebenfalls
nicht unter allen Verhältnissen den Plänen der russischen Politik förderlich. Sie machte
die Fortdauer der Allianz mit Frankreich unmöglich, auf die Rußland in den letzten
Jahren der Restauration so ehrgeizige Pläne gebant hatte, und das Julikönigthum
zu einem Bundesgenossen Englands, dessen antirussische Politik seitdem Frankreich
überall unterstützt hat. So gut unterrichtet, unermüdlich, und geschickt geleitet auch
die russische Diplomatie ist, so ist sie doch nicht die Hauptquelle der Macht Rußlands.
Diese sind vielmehr die große Dcfcnsivkraft des Reichs infolge der weiten Entfer¬
nungen und der dünnen Bevölkerung, die Getheiltheit und innere Schwäche Deutsch¬
lands, und die Ohnmacht Oestreichs, das sich erst mit Deutschland und Preußen aus¬
einandersetzen muß, ehe es hinreichende Kraft zur Erfüllung seines Berufs im Osten zur
Verfügung haben kann. So sehr wittert Hr. Uranhart überall russische Intriguen,
daß er ihnen nicht nur die französische Expedition nach Spanien 1823 — die allerdings
eine Folge der Tcudenzpolitik Alexanders war -— sondern auch die englisch-französische
Intervention von 1834 für die Constitutionellen beimißt, blos um die westlichen Mächte
zu beschäftigen, und ihre Augen und ihre Kräfte vom Orient abzulenken!!
Wenn Hr. Urquharts Ansichten manchmal von den allgemein herrschenden soweit
abweichen, daß sie wunderlich genannt werden müssen, so schützt ihn diese Unabhän¬
gigkeit von dem Urtheil der großen Menge doch zuweilen vor jenen epidemischen Irr¬
thümern, die manchmal das politische Urtheil ganzer Nationen anstecken. Er ist einer
der wenigen Engländer, die die wahre Bedeutung der Schleswig-holsteinischen Frage er¬
kannt, und den Muth gehabt haben, sich, im Widerspruch mit den einflußreichsten
Organen der Presse,' für die Herzogthümer und gegen Dänemark auszusprechen. Aber
wenn er in seinem Hasse gegen Lord Palmerston auf diesen die Hauptschuld der so
unglücklichen Beilegung des Streites schiebt, so thut er ihm entschieden Unrecht. Lord
Palmerston zeigte sich im Anfange der Schleswig-holsteinischen Sache insofern günstig,
als er Englands Vermittelung auf Grund einer Theilung Schleswigs antrug — ein An¬
erbieten, welches die Statthalterschaft in allzu sanguinischer Hoffnung auf einen günsti¬
gen Ausgang leider zurückwies! Sollte dann später als die Sache Dänemarks von der
ganzen englischen Presse als die gerechte angepriesen wurde, als der Krieg, wegen der
von ihm verursachten Handelöstörnng, in England höchst unpopulär geworden war, Lord
Palmerston als Verfechter der Herzogthümer auftreten, während doch der Staat, der
sich so gern der erste deutsche nennt, Oestreich, diplomatisch und zuletzt auch militärisch
Dänemark unterstützte, während Preußen, das erst das deutsche Recht verfochten, sich
zurückzog, weil es sich in Europa isolirt und von den deutschen Staaten angefeindet sah?
Der Abschnitt über Ungarn sollte dem Grasen Fiauclmont zur Durchsicht empfoh-
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