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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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den und nacheinander die Seeplätze Bafilikos, Agathopolis (Akte'holl) "ut Alnada
eingenommen.

Die wichtige Seestadt EuvS, welche nahe der Marizzamündung am ä'gäischen
Meere liegt, ließ Diebitsch dnrch ein Detachement Landtruppen einnehmen, und
um Eros mit Adrianopel zu verbinden, die Städte Demotica und Jpsala besetzen.
Demotica liegt im Norden, Jpsala im Süden des Engpasses von Prajaropvliö,
wo die Marizza vor ihrer Mündung in den Archipel das Gebirge Rhodope
durchbricht.

So war die Position der Russen eine wahrhaft militärische und sehr starke.
Ihr linker Flügel stützte sich auf das schwarze Meer, der rechte dehnte sich bis
zum ägäischen Meer ans: das Centrum in Adrianopel war in der Front dnrch
Kirkilissia und durch Pchatal-Burgas auf dem directen Wege nach Konstantinopel
gedeckt. Die beiden Endpunkte dieser Linie waren unterstützt durch die russischen
Flotten in dem ägäischen und in dem schwarzen Meere.

Die Russen waren nnr noch einige Tagemarsche von Konstantinopel entfernt.
Keine türkische Armee stand ihnen gegenüber und die Türkei schien dem Willen
des Siegers verfallen zu sein.

Aber Konstantinopel war durch die Stärke seiner Lage, durch seine krie¬
gerische Bevölkerung, durch alle die Vertheidigungsmittel, mit denen die Natur
den Raum zwischen der Hauptstadt und den Seen von Pschekmedjö ausgestattet
hat, im Stande, nicht allein die Armee von Diebitsch aufzuhalten, sondern noch
bei weitem größere Streitkräfte zu bekämpfen und zurückzuwerfen. Der hart¬
näckige Widerstand dieser Hauptstadt würde überdies die Flotten und Heere der
europäischen Großmächte, die bei der Erhaltung des osmanischen Reiches bethei-
ligt waren, zu kräftigem Beistand veranlaßt haben.

Aber die Türken waren nicht mehr die alten: Furcht und Schrecken be¬
herrschte die Bevölkerung Konstantinopels und Thraciens und dnrch die Thätig¬
keit der Diplomaten, namentlich des preußischen Generals Müffling, die natürlich
ganz andere als rcintürkische Interessen berücksichtigten, und dem General Die¬
bitsch mit seinein erschöpften und zusammengeschmolzenen Heere in die Hände ar¬
beiteten, kam der für die Pforte so nachtheilige Friede von Adrianopel zu Stande,
nach welchem der Sultan eine Kriegsentschädigung von -10 Millionen holländischer
Ducaten an Rußland, von l'/s Millionen Ducaten an die russischen Kaufleute
zahlte, alle seine Besitzungen im Norden und ans dem linken Ufer der Donan
verlor und über die Donaufürstenthümer nur eine nominelle Souveränetät behielt.




Grenzboten. IV. 1863.43

den und nacheinander die Seeplätze Bafilikos, Agathopolis (Akte'holl) »ut Alnada
eingenommen.

Die wichtige Seestadt EuvS, welche nahe der Marizzamündung am ä'gäischen
Meere liegt, ließ Diebitsch dnrch ein Detachement Landtruppen einnehmen, und
um Eros mit Adrianopel zu verbinden, die Städte Demotica und Jpsala besetzen.
Demotica liegt im Norden, Jpsala im Süden des Engpasses von Prajaropvliö,
wo die Marizza vor ihrer Mündung in den Archipel das Gebirge Rhodope
durchbricht.

So war die Position der Russen eine wahrhaft militärische und sehr starke.
Ihr linker Flügel stützte sich auf das schwarze Meer, der rechte dehnte sich bis
zum ägäischen Meer ans: das Centrum in Adrianopel war in der Front dnrch
Kirkilissia und durch Pchatal-Burgas auf dem directen Wege nach Konstantinopel
gedeckt. Die beiden Endpunkte dieser Linie waren unterstützt durch die russischen
Flotten in dem ägäischen und in dem schwarzen Meere.

Die Russen waren nnr noch einige Tagemarsche von Konstantinopel entfernt.
Keine türkische Armee stand ihnen gegenüber und die Türkei schien dem Willen
des Siegers verfallen zu sein.

Aber Konstantinopel war durch die Stärke seiner Lage, durch seine krie¬
gerische Bevölkerung, durch alle die Vertheidigungsmittel, mit denen die Natur
den Raum zwischen der Hauptstadt und den Seen von Pschekmedjö ausgestattet
hat, im Stande, nicht allein die Armee von Diebitsch aufzuhalten, sondern noch
bei weitem größere Streitkräfte zu bekämpfen und zurückzuwerfen. Der hart¬
näckige Widerstand dieser Hauptstadt würde überdies die Flotten und Heere der
europäischen Großmächte, die bei der Erhaltung des osmanischen Reiches bethei-
ligt waren, zu kräftigem Beistand veranlaßt haben.

Aber die Türken waren nicht mehr die alten: Furcht und Schrecken be¬
herrschte die Bevölkerung Konstantinopels und Thraciens und dnrch die Thätig¬
keit der Diplomaten, namentlich des preußischen Generals Müffling, die natürlich
ganz andere als rcintürkische Interessen berücksichtigten, und dem General Die¬
bitsch mit seinein erschöpften und zusammengeschmolzenen Heere in die Hände ar¬
beiteten, kam der für die Pforte so nachtheilige Friede von Adrianopel zu Stande,
nach welchem der Sultan eine Kriegsentschädigung von -10 Millionen holländischer
Ducaten an Rußland, von l'/s Millionen Ducaten an die russischen Kaufleute
zahlte, alle seine Besitzungen im Norden und ans dem linken Ufer der Donan
verlor und über die Donaufürstenthümer nur eine nominelle Souveränetät behielt.




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[0345] den und nacheinander die Seeplätze Bafilikos, Agathopolis (Akte'holl) »ut Alnada eingenommen. Die wichtige Seestadt EuvS, welche nahe der Marizzamündung am ä'gäischen Meere liegt, ließ Diebitsch dnrch ein Detachement Landtruppen einnehmen, und um Eros mit Adrianopel zu verbinden, die Städte Demotica und Jpsala besetzen. Demotica liegt im Norden, Jpsala im Süden des Engpasses von Prajaropvliö, wo die Marizza vor ihrer Mündung in den Archipel das Gebirge Rhodope durchbricht. So war die Position der Russen eine wahrhaft militärische und sehr starke. Ihr linker Flügel stützte sich auf das schwarze Meer, der rechte dehnte sich bis zum ägäischen Meer ans: das Centrum in Adrianopel war in der Front dnrch Kirkilissia und durch Pchatal-Burgas auf dem directen Wege nach Konstantinopel gedeckt. Die beiden Endpunkte dieser Linie waren unterstützt durch die russischen Flotten in dem ägäischen und in dem schwarzen Meere. Die Russen waren nnr noch einige Tagemarsche von Konstantinopel entfernt. Keine türkische Armee stand ihnen gegenüber und die Türkei schien dem Willen des Siegers verfallen zu sein. Aber Konstantinopel war durch die Stärke seiner Lage, durch seine krie¬ gerische Bevölkerung, durch alle die Vertheidigungsmittel, mit denen die Natur den Raum zwischen der Hauptstadt und den Seen von Pschekmedjö ausgestattet hat, im Stande, nicht allein die Armee von Diebitsch aufzuhalten, sondern noch bei weitem größere Streitkräfte zu bekämpfen und zurückzuwerfen. Der hart¬ näckige Widerstand dieser Hauptstadt würde überdies die Flotten und Heere der europäischen Großmächte, die bei der Erhaltung des osmanischen Reiches bethei- ligt waren, zu kräftigem Beistand veranlaßt haben. Aber die Türken waren nicht mehr die alten: Furcht und Schrecken be¬ herrschte die Bevölkerung Konstantinopels und Thraciens und dnrch die Thätig¬ keit der Diplomaten, namentlich des preußischen Generals Müffling, die natürlich ganz andere als rcintürkische Interessen berücksichtigten, und dem General Die¬ bitsch mit seinein erschöpften und zusammengeschmolzenen Heere in die Hände ar¬ beiteten, kam der für die Pforte so nachtheilige Friede von Adrianopel zu Stande, nach welchem der Sultan eine Kriegsentschädigung von -10 Millionen holländischer Ducaten an Rußland, von l'/s Millionen Ducaten an die russischen Kaufleute zahlte, alle seine Besitzungen im Norden und ans dem linken Ufer der Donan verlor und über die Donaufürstenthümer nur eine nominelle Souveränetät behielt. Grenzboten. IV. 1863.43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/345>, abgerufen am 05.02.2025.