Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.sein i" dem Volk und für dasselbe. Jedes positive Recht sei Volksrecht: nicht, Der Verfasser zeigt nnn, wie die natürliche Consequenz dieser Lehre zur ^. ,,DaS ist nicht die wahre belebende Rechtsgeschichte, welche mit gefesselten Blick
auf der Geschichte eines Volks ruht, aus dieser alle Kleinigkeiten heranspflückt ... Wie man den europäischen Reisenden, welche ihren Geist kräftig berührt und ihr Innerstes umgekehrt wissen wollen, den Nath geben sollte, nur außer Europa ihr Heil z" suchen, so sollten anch unsere Rcchtsgcschichtcu, um wahrhaft pragmatisch zu werden, groß und kräftig die Gesetz¬ gebungen aller andern alten und neuen Völker umfassen. Zehn geistvolle Vorlesungen über die Rechtsverfassung der Perser und Chinesen würden in unsern Studirenden mehr wahren juristischen Sinn wecken, als hundert über die jämmerlichen Pfuschereien, denen die Jntcstat- crbfolge von Augustus bis Justinian unterlag/' sein i» dem Volk und für dasselbe. Jedes positive Recht sei Volksrecht: nicht, Der Verfasser zeigt nnn, wie die natürliche Consequenz dieser Lehre zur ^. ,,DaS ist nicht die wahre belebende Rechtsgeschichte, welche mit gefesselten Blick
auf der Geschichte eines Volks ruht, aus dieser alle Kleinigkeiten heranspflückt ... Wie man den europäischen Reisenden, welche ihren Geist kräftig berührt und ihr Innerstes umgekehrt wissen wollen, den Nath geben sollte, nur außer Europa ihr Heil z» suchen, so sollten anch unsere Rcchtsgcschichtcu, um wahrhaft pragmatisch zu werden, groß und kräftig die Gesetz¬ gebungen aller andern alten und neuen Völker umfassen. Zehn geistvolle Vorlesungen über die Rechtsverfassung der Perser und Chinesen würden in unsern Studirenden mehr wahren juristischen Sinn wecken, als hundert über die jämmerlichen Pfuschereien, denen die Jntcstat- crbfolge von Augustus bis Justinian unterlag/' <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96975"/> <p xml:id="ID_797" prev="#ID_796"> sein i» dem Volk und für dasselbe. Jedes positive Recht sei Volksrecht: nicht,<lb/> als ob es die einzelnen Glieder des Volks wären, dnrch deren Willkür das Recht<lb/> hervorgebracht wurde, vielmehr sei es der in allen Einzelnen gemeinschaftlich<lb/> lebende Volksgeist, der das positive Recht erzeuge, grade wie die Sitte und<lb/> die Sprache. Die Gestalt, in welcher das Recht zunächst i» dem gemeinsamen<lb/> Bewußtsein des Volks lebe, sei nicht die der abstracten Regel, sondern die leben¬<lb/> dige Anschauung der Rechtsinstitute in ihrem organischen Zusammenhang, und<lb/> offenbare sich durch die symbolischen Handlungen. Die Tradition bewirke die stete<lb/> Erhaltung des Rechts und verleihe ihm eine von dem Leben der jeweiligen Volks¬<lb/> glieder unabhängige Dauer. Die organische Fortentwickelung des Rechts finde<lb/> aus innerer Kraft und Nothwendigkeit, ebenso unabhängig von Zufall und indi¬<lb/> vidueller Willkür, wie die ursprüngliche Entstehung, in steter Continuität statt.<lb/> Das Recht, als ein Theil des Volkslebens, entwickele sich mit dem Volk, dem<lb/> Charakter desselben auf seinen verschiedenen Bildungsstufen sich anschließend, sich<lb/> seinen wechselnden Bedürfnissen bequemend. Am freiesten »ut kräftigsten erscheine<lb/> die Erzeugung, Entwickelung und Veränderung des Rechts in der Jugendzeit der<lb/> Volker, in welcher der Nationalznsammenhang noch inniger, die Lebensstellung<lb/> und Bildung der Vvlksangehörigen noch eine wesentlich gleiche ist, weshalb alle<lb/> an der Entwickelung des Rechts, namentlich auch in den Volksgerichten, theil-<lb/> nehmen. In demselben Grade aber, in welchem die Bildung der Individuen un¬<lb/> gleichartiger und die Lebensstellungen verschiedener werden, werde auch die ur¬<lb/> sprünglich auf der Gemeinschaft des Volksbewußtseins aller beruhende Rechtser-<lb/> zeugung in den Hintergrund gedrängt. Die weitere Entwickelung, Erzeugung<lb/> und Veränderung des Rechts geschehe von da an immer mehr durch besondere<lb/> Organe, die Gesetzgebung und die Rechtswissenschaft, die aber nur dann frucht¬<lb/> bar sein könnten, wenn sie treu und gewissenhaft aus jeuer ursprünglichen Quelle<lb/> des Rechts und der Gewohnheit und Sitte schöpfte«.</p><lb/> <p xml:id="ID_798" next="#ID_799"> Der Verfasser zeigt nnn, wie die natürliche Consequenz dieser Lehre zur<lb/> Wiederaufnahme und zum Ausbau des germanischen Rechts führen mußte, wie<lb/> aber ein Theil der historischen Schule auf diese Consequenz nicht einging, sondern<lb/> beim römischen Recht stehen blieb, so daß innerhalb der Schule selbst sich ein<lb/> Gegensatz zwischen Romanisten und Germanisten herausstellte. Er zeigt ferner,<lb/> wie die Gegner der Schule, Feuerbach, Thibaut"), Gans, keineswegs ans das</p><lb/> <note xml:id="FID_19" place="foot"> ^. ,,DaS ist nicht die wahre belebende Rechtsgeschichte, welche mit gefesselten Blick<lb/> auf der Geschichte eines Volks ruht, aus dieser alle Kleinigkeiten heranspflückt ... Wie man<lb/> den europäischen Reisenden, welche ihren Geist kräftig berührt und ihr Innerstes umgekehrt<lb/> wissen wollen, den Nath geben sollte, nur außer Europa ihr Heil z» suchen, so sollten anch<lb/> unsere Rcchtsgcschichtcu, um wahrhaft pragmatisch zu werden, groß und kräftig die Gesetz¬<lb/> gebungen aller andern alten und neuen Völker umfassen. Zehn geistvolle Vorlesungen über<lb/> die Rechtsverfassung der Perser und Chinesen würden in unsern Studirenden mehr wahren<lb/> juristischen Sinn wecken, als hundert über die jämmerlichen Pfuschereien, denen die Jntcstat-<lb/> crbfolge von Augustus bis Justinian unterlag/'</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0270]
sein i» dem Volk und für dasselbe. Jedes positive Recht sei Volksrecht: nicht,
als ob es die einzelnen Glieder des Volks wären, dnrch deren Willkür das Recht
hervorgebracht wurde, vielmehr sei es der in allen Einzelnen gemeinschaftlich
lebende Volksgeist, der das positive Recht erzeuge, grade wie die Sitte und
die Sprache. Die Gestalt, in welcher das Recht zunächst i» dem gemeinsamen
Bewußtsein des Volks lebe, sei nicht die der abstracten Regel, sondern die leben¬
dige Anschauung der Rechtsinstitute in ihrem organischen Zusammenhang, und
offenbare sich durch die symbolischen Handlungen. Die Tradition bewirke die stete
Erhaltung des Rechts und verleihe ihm eine von dem Leben der jeweiligen Volks¬
glieder unabhängige Dauer. Die organische Fortentwickelung des Rechts finde
aus innerer Kraft und Nothwendigkeit, ebenso unabhängig von Zufall und indi¬
vidueller Willkür, wie die ursprüngliche Entstehung, in steter Continuität statt.
Das Recht, als ein Theil des Volkslebens, entwickele sich mit dem Volk, dem
Charakter desselben auf seinen verschiedenen Bildungsstufen sich anschließend, sich
seinen wechselnden Bedürfnissen bequemend. Am freiesten »ut kräftigsten erscheine
die Erzeugung, Entwickelung und Veränderung des Rechts in der Jugendzeit der
Volker, in welcher der Nationalznsammenhang noch inniger, die Lebensstellung
und Bildung der Vvlksangehörigen noch eine wesentlich gleiche ist, weshalb alle
an der Entwickelung des Rechts, namentlich auch in den Volksgerichten, theil-
nehmen. In demselben Grade aber, in welchem die Bildung der Individuen un¬
gleichartiger und die Lebensstellungen verschiedener werden, werde auch die ur¬
sprünglich auf der Gemeinschaft des Volksbewußtseins aller beruhende Rechtser-
zeugung in den Hintergrund gedrängt. Die weitere Entwickelung, Erzeugung
und Veränderung des Rechts geschehe von da an immer mehr durch besondere
Organe, die Gesetzgebung und die Rechtswissenschaft, die aber nur dann frucht¬
bar sein könnten, wenn sie treu und gewissenhaft aus jeuer ursprünglichen Quelle
des Rechts und der Gewohnheit und Sitte schöpfte«.
Der Verfasser zeigt nnn, wie die natürliche Consequenz dieser Lehre zur
Wiederaufnahme und zum Ausbau des germanischen Rechts führen mußte, wie
aber ein Theil der historischen Schule auf diese Consequenz nicht einging, sondern
beim römischen Recht stehen blieb, so daß innerhalb der Schule selbst sich ein
Gegensatz zwischen Romanisten und Germanisten herausstellte. Er zeigt ferner,
wie die Gegner der Schule, Feuerbach, Thibaut"), Gans, keineswegs ans das
^. ,,DaS ist nicht die wahre belebende Rechtsgeschichte, welche mit gefesselten Blick
auf der Geschichte eines Volks ruht, aus dieser alle Kleinigkeiten heranspflückt ... Wie man
den europäischen Reisenden, welche ihren Geist kräftig berührt und ihr Innerstes umgekehrt
wissen wollen, den Nath geben sollte, nur außer Europa ihr Heil z» suchen, so sollten anch
unsere Rcchtsgcschichtcu, um wahrhaft pragmatisch zu werden, groß und kräftig die Gesetz¬
gebungen aller andern alten und neuen Völker umfassen. Zehn geistvolle Vorlesungen über
die Rechtsverfassung der Perser und Chinesen würden in unsern Studirenden mehr wahren
juristischen Sinn wecken, als hundert über die jämmerlichen Pfuschereien, denen die Jntcstat-
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