Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.an der Spitze des Cabinets "ehe. "Ich habe meinen Kaunitz, sagte er, Preußen Dazu kam, daß sich in England die Kriegslust gegen Rußland ganz plötzlich Allein Oestreich trat um mit neuen Forderungen hervor; es verlangte von In diesem Momente traf die Nachricht von der Flucht und Gefangenschaft an der Spitze des Cabinets "ehe. „Ich habe meinen Kaunitz, sagte er, Preußen Dazu kam, daß sich in England die Kriegslust gegen Rußland ganz plötzlich Allein Oestreich trat um mit neuen Forderungen hervor; es verlangte von In diesem Momente traf die Nachricht von der Flucht und Gefangenschaft <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0173" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96878"/> <p xml:id="ID_460" prev="#ID_459"> an der Spitze des Cabinets "ehe. „Ich habe meinen Kaunitz, sagte er, Preußen<lb/> seinen Herzberg, man muß beide voneinander entfernen." Bischvfswerder fand<lb/> hierin ein erwünschtes Mittel, sich des längst unbequemer Nebenbuhlers zu ent¬<lb/> ledigen. Ueberdies hatte Herzberg durch Rechthaberei und Selbstgefälligkeit den<lb/> König mehrfach verletzt. Am 1. Mai -1791 erhielt er zwei neue College«,<lb/> die Herren von Alvensleben und Schulenburg, die zu seinen Nachfolgern bestimmt<lb/> waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_461"> Dazu kam, daß sich in England die Kriegslust gegen Rußland ganz plötzlich<lb/> abkühlte. Der Ostseehaudel war für London damals überaus einträglich und erhob<lb/> den lautesten Einspruch gegen seine Gefährdung dnrch einen russischen Krieg.<lb/> Das Ministerium wich vor der Geldmacht der City und knüpfte Vermittelungs¬<lb/> unterhandlungen mit Nußland an. So sah sich Preußen, Rußland gegenüber,<lb/> von England verlassen. Oestreich bot auf der eine» Seite, wenn Preußen sich<lb/> geschmeidig zeige, die Mitwirkung zu dem französischen Ritterzüge. . Ans der<lb/> andern Seite hatte Preußen, wenn es eigensinnig auf dem Neichenbachcr Vertrag<lb/> beharrte, die ungarischen Kräfte verfügbar, die ganze polnische Position einge¬<lb/> nommen und wahrscheinlich anch Sachsen auf seiner Seite. Unter diesen Ver¬<lb/> hältnissen entschloß sich der König zum zweiten Male zur Nachgiebigkeit. Er<lb/> unterstützte die englischen Vorschläge in Petersburg, welche im wesentlichen<lb/> Rußland im Besitz von Bizacvw und dem Bezirke zwischen Dniester und Bog<lb/> beließen. Die östreichischen Forderungen wurden ohne Vorbehalt erfüllt und ans<lb/> die Erwähnung des alten, wie ans die Erfüllung des neuen Vertrages verzichtet.<lb/> Preußen unternahm es selbst, in Konstantinopel für die Wünsche des Kaisers<lb/> zu wirken. Herzberg wurde zwar noch uicht entlassen, aber die wichtigeren<lb/> Depeschen wurden ihm nicht mehr vorgelegt. Der sofortige Friede schien<lb/> gesichert.</p><lb/> <p xml:id="ID_462"> Allein Oestreich trat um mit neuen Forderungen hervor; es verlangte von<lb/> der Pforte Alterhora und ein Stück von Kroatien bis an den Unnafluß, und als<lb/> die Türken diese neue Zumuthung zurückwiesen, verließen die östreichischen Ge¬<lb/> sandten am 18. Juni den Friedenscongreß zu Sistowa. Die Nachricht von<lb/> diesem Verfahren Oestreichs rief in Berlin eine gewaltige Aufregung hervor.<lb/> Der König rüstete stark und übertrug dem Herzog von Biaunschweig, der längst<lb/> mit innerlichen Verdruß das Emporsteigen Oestreichs über Preußen verfolgt<lb/> hatte, die Entwerfung eines Operativnsplans gegen Oestreich.</p><lb/> <p xml:id="ID_463" next="#ID_464"> In diesem Momente traf die Nachricht von der Flucht und Gefangenschaft<lb/> Ludwigs XVI. ein. Bei dem zerrütteten Zustande Frankreichs hatte eine energisch<lb/> gelenkte Armee von 100 oder 130,000 Mann ungehindert bis Paris vordringen<lb/> können. Aber Kaiser Leopold, der Bruder Marie Antoinettens, rührte sich nicht,<lb/> er machte das Zusammenwirken aller europäischen Mächte zur ersten Bedingung<lb/> auch seiner Thätigkeit. Der Grund lag in der türkisch-preußischen Verwickelung.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0173]
an der Spitze des Cabinets "ehe. „Ich habe meinen Kaunitz, sagte er, Preußen
seinen Herzberg, man muß beide voneinander entfernen." Bischvfswerder fand
hierin ein erwünschtes Mittel, sich des längst unbequemer Nebenbuhlers zu ent¬
ledigen. Ueberdies hatte Herzberg durch Rechthaberei und Selbstgefälligkeit den
König mehrfach verletzt. Am 1. Mai -1791 erhielt er zwei neue College«,
die Herren von Alvensleben und Schulenburg, die zu seinen Nachfolgern bestimmt
waren.
Dazu kam, daß sich in England die Kriegslust gegen Rußland ganz plötzlich
abkühlte. Der Ostseehaudel war für London damals überaus einträglich und erhob
den lautesten Einspruch gegen seine Gefährdung dnrch einen russischen Krieg.
Das Ministerium wich vor der Geldmacht der City und knüpfte Vermittelungs¬
unterhandlungen mit Nußland an. So sah sich Preußen, Rußland gegenüber,
von England verlassen. Oestreich bot auf der eine» Seite, wenn Preußen sich
geschmeidig zeige, die Mitwirkung zu dem französischen Ritterzüge. . Ans der
andern Seite hatte Preußen, wenn es eigensinnig auf dem Neichenbachcr Vertrag
beharrte, die ungarischen Kräfte verfügbar, die ganze polnische Position einge¬
nommen und wahrscheinlich anch Sachsen auf seiner Seite. Unter diesen Ver¬
hältnissen entschloß sich der König zum zweiten Male zur Nachgiebigkeit. Er
unterstützte die englischen Vorschläge in Petersburg, welche im wesentlichen
Rußland im Besitz von Bizacvw und dem Bezirke zwischen Dniester und Bog
beließen. Die östreichischen Forderungen wurden ohne Vorbehalt erfüllt und ans
die Erwähnung des alten, wie ans die Erfüllung des neuen Vertrages verzichtet.
Preußen unternahm es selbst, in Konstantinopel für die Wünsche des Kaisers
zu wirken. Herzberg wurde zwar noch uicht entlassen, aber die wichtigeren
Depeschen wurden ihm nicht mehr vorgelegt. Der sofortige Friede schien
gesichert.
Allein Oestreich trat um mit neuen Forderungen hervor; es verlangte von
der Pforte Alterhora und ein Stück von Kroatien bis an den Unnafluß, und als
die Türken diese neue Zumuthung zurückwiesen, verließen die östreichischen Ge¬
sandten am 18. Juni den Friedenscongreß zu Sistowa. Die Nachricht von
diesem Verfahren Oestreichs rief in Berlin eine gewaltige Aufregung hervor.
Der König rüstete stark und übertrug dem Herzog von Biaunschweig, der längst
mit innerlichen Verdruß das Emporsteigen Oestreichs über Preußen verfolgt
hatte, die Entwerfung eines Operativnsplans gegen Oestreich.
In diesem Momente traf die Nachricht von der Flucht und Gefangenschaft
Ludwigs XVI. ein. Bei dem zerrütteten Zustande Frankreichs hatte eine energisch
gelenkte Armee von 100 oder 130,000 Mann ungehindert bis Paris vordringen
können. Aber Kaiser Leopold, der Bruder Marie Antoinettens, rührte sich nicht,
er machte das Zusammenwirken aller europäischen Mächte zur ersten Bedingung
auch seiner Thätigkeit. Der Grund lag in der türkisch-preußischen Verwickelung.
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