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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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alle gebildeten Juden zugeben werden, daß sie in den meisten Fällen ebenso
komisch, als widerwärtig ist. Da nun ein historischer, nationaler und religiöser
Zusammenhang im Judenthume stattfindet, so ist es wol natürlich, daß der
Phantasie immer ein ähnliches Bild vorschwebt, und daß jeder Jude sich gleich¬
sam erst persönlich die Anerkennung erkämpfen muß. Das ist aber, wenn auch
nicht in so hohem Grade, bei andern Nationen ähnlich der Fall. So hat man
z. B. gegen die Deutschen im allgemeinen das Vorurtheil, sie seien phantastisch,
unpraktisch, unentschlossen u. s. w., ein Vorurtheil, welches beiläufig vorzugsweise
von jüdischen Schriftstellern, z. B. von Heine und Börne, genährt worden ist,
und jeder einzelne Deutsche muß sich erst die Anerkennung, daß er nicht phan¬
tastisch, nicht unpraktisch, nicht unentschlossen ist, mühsam erkämpfen. Es ist
allerdings sehr angenehm, wenn man, wie die Edelleute, einen Empfehlungsbrief
für die "gute Gesellschaft" bereits in seinem Namen mit sich trägt, und es ist
unangenehm, wenn sich an die Abstammung im Gegentheil ein Vorurtheil anknüpft;
aber das eine wie das andere reicht doch nur für die erste Bekanntschaft aus.
Es haben sich in dem gegenwärtigen Jahrhundert so viele Juden in allen Zweigen
der Kunst und Literatur ausgezeichnet, daß in allen wahrhaft gebildeten Kreisen
in jedem bestimmten Fall jenes Vorurtheil sich auf einen einzigen zweifelhaften
Blick reducirt; nie wird die wirkliche Tüchtigkeit eines Juden ihr Ziel, die all¬
gemeine Anerkennung, verfehlen; aber es wäre für sie selbst zweckmäßiger, wenn
sie nicht in ängstlicher fieberhafter Unruhe, sondern in ausdauernder gelassener
Thätigkeit diesem Ziele nachstrebten. --

Bilder der Natur. Von Albert Jungmann. Dresden, Schäfer.

Gemüthliche Bilder, halb lyrisch, halb novellistisch, in einem etwas zu blumen¬
reichen Stil geschrieben, aber nicht ohne wirkliches Gefühl. --

Enthüllungen einer Nachtigall. Lyrische, humoristische und kritische Bilder von
Ludwig Hirschl. Dresden, Schäfer.

Inhalt und Form wie das vorige, aber etwas mehr geziert, was wol vor¬
zugsweise aus der halb ironischen Tendenz entspringt. So z. B. wenn der
Verfasser in der Vorrede mit seiner Unwissenheit coquettirt, wobei ihm allerdings
das merkwürdige Unglück widerfährt, von einem alten Gott Jovis zu sprechen,
was wahrscheinlich Jupiter sein soll. Einzelne Seiten sind niedlich genng, vieles
aber auch ganz leeres Geschwätz. --

Deutsche Bibliothek. Sammlung auserlesener Originalromane. Unter Mitwirkung
von L. Bechstein, H. König. Th. Mügge, N. Prutz, L. Schefer, Levin Schücking
u. s. w. Herausgegeben von Otto Müller. Frankfurt a. M., Meidinger.

Die deutsche Bibliothek erscheint in Lieferungen von drei Bogen, deren In¬
halt dem von sechs Bogen gewöhnlichen Nomanformats gleichkommt, deren Preis
aber nur drei Silbergroschen beträgt, wenn man sich auf sechs Romane abonnirt.


alle gebildeten Juden zugeben werden, daß sie in den meisten Fällen ebenso
komisch, als widerwärtig ist. Da nun ein historischer, nationaler und religiöser
Zusammenhang im Judenthume stattfindet, so ist es wol natürlich, daß der
Phantasie immer ein ähnliches Bild vorschwebt, und daß jeder Jude sich gleich¬
sam erst persönlich die Anerkennung erkämpfen muß. Das ist aber, wenn auch
nicht in so hohem Grade, bei andern Nationen ähnlich der Fall. So hat man
z. B. gegen die Deutschen im allgemeinen das Vorurtheil, sie seien phantastisch,
unpraktisch, unentschlossen u. s. w., ein Vorurtheil, welches beiläufig vorzugsweise
von jüdischen Schriftstellern, z. B. von Heine und Börne, genährt worden ist,
und jeder einzelne Deutsche muß sich erst die Anerkennung, daß er nicht phan¬
tastisch, nicht unpraktisch, nicht unentschlossen ist, mühsam erkämpfen. Es ist
allerdings sehr angenehm, wenn man, wie die Edelleute, einen Empfehlungsbrief
für die „gute Gesellschaft" bereits in seinem Namen mit sich trägt, und es ist
unangenehm, wenn sich an die Abstammung im Gegentheil ein Vorurtheil anknüpft;
aber das eine wie das andere reicht doch nur für die erste Bekanntschaft aus.
Es haben sich in dem gegenwärtigen Jahrhundert so viele Juden in allen Zweigen
der Kunst und Literatur ausgezeichnet, daß in allen wahrhaft gebildeten Kreisen
in jedem bestimmten Fall jenes Vorurtheil sich auf einen einzigen zweifelhaften
Blick reducirt; nie wird die wirkliche Tüchtigkeit eines Juden ihr Ziel, die all¬
gemeine Anerkennung, verfehlen; aber es wäre für sie selbst zweckmäßiger, wenn
sie nicht in ängstlicher fieberhafter Unruhe, sondern in ausdauernder gelassener
Thätigkeit diesem Ziele nachstrebten. —

Bilder der Natur. Von Albert Jungmann. Dresden, Schäfer.

Gemüthliche Bilder, halb lyrisch, halb novellistisch, in einem etwas zu blumen¬
reichen Stil geschrieben, aber nicht ohne wirkliches Gefühl. —

Enthüllungen einer Nachtigall. Lyrische, humoristische und kritische Bilder von
Ludwig Hirschl. Dresden, Schäfer.

Inhalt und Form wie das vorige, aber etwas mehr geziert, was wol vor¬
zugsweise aus der halb ironischen Tendenz entspringt. So z. B. wenn der
Verfasser in der Vorrede mit seiner Unwissenheit coquettirt, wobei ihm allerdings
das merkwürdige Unglück widerfährt, von einem alten Gott Jovis zu sprechen,
was wahrscheinlich Jupiter sein soll. Einzelne Seiten sind niedlich genng, vieles
aber auch ganz leeres Geschwätz. —

Deutsche Bibliothek. Sammlung auserlesener Originalromane. Unter Mitwirkung
von L. Bechstein, H. König. Th. Mügge, N. Prutz, L. Schefer, Levin Schücking
u. s. w. Herausgegeben von Otto Müller. Frankfurt a. M., Meidinger.

Die deutsche Bibliothek erscheint in Lieferungen von drei Bogen, deren In¬
halt dem von sechs Bogen gewöhnlichen Nomanformats gleichkommt, deren Preis
aber nur drei Silbergroschen beträgt, wenn man sich auf sechs Romane abonnirt.


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[0510] alle gebildeten Juden zugeben werden, daß sie in den meisten Fällen ebenso komisch, als widerwärtig ist. Da nun ein historischer, nationaler und religiöser Zusammenhang im Judenthume stattfindet, so ist es wol natürlich, daß der Phantasie immer ein ähnliches Bild vorschwebt, und daß jeder Jude sich gleich¬ sam erst persönlich die Anerkennung erkämpfen muß. Das ist aber, wenn auch nicht in so hohem Grade, bei andern Nationen ähnlich der Fall. So hat man z. B. gegen die Deutschen im allgemeinen das Vorurtheil, sie seien phantastisch, unpraktisch, unentschlossen u. s. w., ein Vorurtheil, welches beiläufig vorzugsweise von jüdischen Schriftstellern, z. B. von Heine und Börne, genährt worden ist, und jeder einzelne Deutsche muß sich erst die Anerkennung, daß er nicht phan¬ tastisch, nicht unpraktisch, nicht unentschlossen ist, mühsam erkämpfen. Es ist allerdings sehr angenehm, wenn man, wie die Edelleute, einen Empfehlungsbrief für die „gute Gesellschaft" bereits in seinem Namen mit sich trägt, und es ist unangenehm, wenn sich an die Abstammung im Gegentheil ein Vorurtheil anknüpft; aber das eine wie das andere reicht doch nur für die erste Bekanntschaft aus. Es haben sich in dem gegenwärtigen Jahrhundert so viele Juden in allen Zweigen der Kunst und Literatur ausgezeichnet, daß in allen wahrhaft gebildeten Kreisen in jedem bestimmten Fall jenes Vorurtheil sich auf einen einzigen zweifelhaften Blick reducirt; nie wird die wirkliche Tüchtigkeit eines Juden ihr Ziel, die all¬ gemeine Anerkennung, verfehlen; aber es wäre für sie selbst zweckmäßiger, wenn sie nicht in ängstlicher fieberhafter Unruhe, sondern in ausdauernder gelassener Thätigkeit diesem Ziele nachstrebten. — Bilder der Natur. Von Albert Jungmann. Dresden, Schäfer. Gemüthliche Bilder, halb lyrisch, halb novellistisch, in einem etwas zu blumen¬ reichen Stil geschrieben, aber nicht ohne wirkliches Gefühl. — Enthüllungen einer Nachtigall. Lyrische, humoristische und kritische Bilder von Ludwig Hirschl. Dresden, Schäfer. Inhalt und Form wie das vorige, aber etwas mehr geziert, was wol vor¬ zugsweise aus der halb ironischen Tendenz entspringt. So z. B. wenn der Verfasser in der Vorrede mit seiner Unwissenheit coquettirt, wobei ihm allerdings das merkwürdige Unglück widerfährt, von einem alten Gott Jovis zu sprechen, was wahrscheinlich Jupiter sein soll. Einzelne Seiten sind niedlich genng, vieles aber auch ganz leeres Geschwätz. — Deutsche Bibliothek. Sammlung auserlesener Originalromane. Unter Mitwirkung von L. Bechstein, H. König. Th. Mügge, N. Prutz, L. Schefer, Levin Schücking u. s. w. Herausgegeben von Otto Müller. Frankfurt a. M., Meidinger. Die deutsche Bibliothek erscheint in Lieferungen von drei Bogen, deren In¬ halt dem von sechs Bogen gewöhnlichen Nomanformats gleichkommt, deren Preis aber nur drei Silbergroschen beträgt, wenn man sich auf sechs Romane abonnirt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/510>, abgerufen am 23.07.2024.