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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Solche einzelne Bemerkungen würden sich noch viel weiter ausführen lassen,
wenn man ans das Detail der einzelnen Theater des Rheinlandes tiefer eingehen
wollte. Dies wäre jedoch die Aufgabe einer rheinischen Theaterzeituug und es
ist bekannt, daß ein derartiges selbstständiges, von Nebeneinflüssen unberührtes
Institut nicht existirt. Fassen wir aber die obigen Bemerkungen im allgemeinen
zusammen, so erklärt sich leicht, warum das rheinländische Theater keine große
ästhetische Geltung hat, warum neuerdings so selten die größeren Hofbühnen sich
aus dem Rheinland recrutiren konnten. Wie'dagegen selbst unter weniger günstigen
Stimmungen des Publicums und der äußern Verhältnisse auch am Rhein ein
mit Sachkenntniß und moralischer Kraft geleitetes Unternehmen in kürzester Zeit
nicht blos äußerlichen Ruhm und gute Vorstellungen erringen kann, zeigt das Karlsruher
Theater seit E. Devrients Direction. Dort stehen Oper, höheres Schauspiel und
leichteres Drama in schönem Gleichgewicht und das Publicum folgt willig der höhern
künstlerische" Tendenz, die sich in der Oberleitung geltend macht. Auch in
Wiesbaden wurde ähnliches verheißen, als Herr Grabowsky an die Spitze des
Unternehmens trat. Nachdem jedoch nnter mancherlei Versuchen und Schwankungen
der Herbst Heraugekommen, sehen wir weder im Personal -- wofür allerdings
moralische Energie nothwendig gewesen wäre -- , noch im Repertoir irgend
eine wesentliche Reorganisation. Aehnlich verhält sich Darmstadt. Frankfurt
schien Umgestaltungen zum Bessern eintreten lassen zu wollen und im Schauspiel
lassen sie sich nicht ableugnen, obgleich ein Theil der Localkritik die Versuche
junger Talente zu vollendeten Schöpfungen macht, was sie keineswegs sind,
andrerseits aber in ihrem Gcsammturtheil über das Institut offenbar von dessen
Leitern am meisten beeinflußt wird, was jedenfalls nicht sein sollte. Die Oper
scheint dagegen von einigen Persönlichkeiten Vominirt, deren Leistungen keineswegs
unterschätzt sein sollen, aber leider auch darin zu bestehen scheinen, solche Sänger
und Sängerinnen von der Bühne fernzuhalten, deren Leistungen möglicherweise
mit den ihrigen zu vergleichen sein könnten. -- Die Direction des Mainzer
Theaters hat der Tenorist Herr Beyer erworben. Soweit seine Winterengagements
bekannt sind, berücksichtigen sie vorzugsweise das leichteste Genre des recitirenden
Dramas und der Oper und sind im übrigen weit mehr vom Zufall, als von
einer bewußten Organisation bedingt. Mannheim wirkt ruhig mit seinen aner¬
kannten Kräften weiter, zu denen einige sehr anerkennenswerthe Verstärkungen
traten. Die Direction des neuen Theaters in Heidelberg führt Herr Haake,
ebenso bekannt als Darsteller, wie als dramatischer Lehrer. Er hat sein Personal
vorzugsweise aus Anfängern zusammengestellt, mit denen allerdings wol unter
tüchtiger Leitung ein gutes Ensemble hergestellt werden kann. Ob aber das
Heidelberger Publicum -- wenn man ans seinem bisherigen Verhalten zum
Theater schließen soll -- geeignet ist, ein solches Streben wirklich zu fördern,
dürfte sehr zweifelhaft sein. Denn man darf nicht vergessen, daß dieses Publicum


Solche einzelne Bemerkungen würden sich noch viel weiter ausführen lassen,
wenn man ans das Detail der einzelnen Theater des Rheinlandes tiefer eingehen
wollte. Dies wäre jedoch die Aufgabe einer rheinischen Theaterzeituug und es
ist bekannt, daß ein derartiges selbstständiges, von Nebeneinflüssen unberührtes
Institut nicht existirt. Fassen wir aber die obigen Bemerkungen im allgemeinen
zusammen, so erklärt sich leicht, warum das rheinländische Theater keine große
ästhetische Geltung hat, warum neuerdings so selten die größeren Hofbühnen sich
aus dem Rheinland recrutiren konnten. Wie'dagegen selbst unter weniger günstigen
Stimmungen des Publicums und der äußern Verhältnisse auch am Rhein ein
mit Sachkenntniß und moralischer Kraft geleitetes Unternehmen in kürzester Zeit
nicht blos äußerlichen Ruhm und gute Vorstellungen erringen kann, zeigt das Karlsruher
Theater seit E. Devrients Direction. Dort stehen Oper, höheres Schauspiel und
leichteres Drama in schönem Gleichgewicht und das Publicum folgt willig der höhern
künstlerische» Tendenz, die sich in der Oberleitung geltend macht. Auch in
Wiesbaden wurde ähnliches verheißen, als Herr Grabowsky an die Spitze des
Unternehmens trat. Nachdem jedoch nnter mancherlei Versuchen und Schwankungen
der Herbst Heraugekommen, sehen wir weder im Personal — wofür allerdings
moralische Energie nothwendig gewesen wäre — , noch im Repertoir irgend
eine wesentliche Reorganisation. Aehnlich verhält sich Darmstadt. Frankfurt
schien Umgestaltungen zum Bessern eintreten lassen zu wollen und im Schauspiel
lassen sie sich nicht ableugnen, obgleich ein Theil der Localkritik die Versuche
junger Talente zu vollendeten Schöpfungen macht, was sie keineswegs sind,
andrerseits aber in ihrem Gcsammturtheil über das Institut offenbar von dessen
Leitern am meisten beeinflußt wird, was jedenfalls nicht sein sollte. Die Oper
scheint dagegen von einigen Persönlichkeiten Vominirt, deren Leistungen keineswegs
unterschätzt sein sollen, aber leider auch darin zu bestehen scheinen, solche Sänger
und Sängerinnen von der Bühne fernzuhalten, deren Leistungen möglicherweise
mit den ihrigen zu vergleichen sein könnten. — Die Direction des Mainzer
Theaters hat der Tenorist Herr Beyer erworben. Soweit seine Winterengagements
bekannt sind, berücksichtigen sie vorzugsweise das leichteste Genre des recitirenden
Dramas und der Oper und sind im übrigen weit mehr vom Zufall, als von
einer bewußten Organisation bedingt. Mannheim wirkt ruhig mit seinen aner¬
kannten Kräften weiter, zu denen einige sehr anerkennenswerthe Verstärkungen
traten. Die Direction des neuen Theaters in Heidelberg führt Herr Haake,
ebenso bekannt als Darsteller, wie als dramatischer Lehrer. Er hat sein Personal
vorzugsweise aus Anfängern zusammengestellt, mit denen allerdings wol unter
tüchtiger Leitung ein gutes Ensemble hergestellt werden kann. Ob aber das
Heidelberger Publicum — wenn man ans seinem bisherigen Verhalten zum
Theater schließen soll — geeignet ist, ein solches Streben wirklich zu fördern,
dürfte sehr zweifelhaft sein. Denn man darf nicht vergessen, daß dieses Publicum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/496>, abgerufen am 23.07.2024.