Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.Der Entwurf ist jetzt von Konstantinopel mit Aenderungen zurückgekommen, die Die Aenderungen sind hauptsächlich in drei Punkten wesentlich. Der Wiener Ent¬ Der Wiener Entwurf legt dem Sultan das Versprechen in den Mund, daß er Endlich verpflichtet sich der Sultan in dem Wiener Entwurf, der griechischen Man müßte über die Nachlässigkeit staunen, mit der die Cabinete von London Der Entwurf ist jetzt von Konstantinopel mit Aenderungen zurückgekommen, die Die Aenderungen sind hauptsächlich in drei Punkten wesentlich. Der Wiener Ent¬ Der Wiener Entwurf legt dem Sultan das Versprechen in den Mund, daß er Endlich verpflichtet sich der Sultan in dem Wiener Entwurf, der griechischen Man müßte über die Nachlässigkeit staunen, mit der die Cabinete von London <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0483" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96658"/> <p xml:id="ID_1697"> Der Entwurf ist jetzt von Konstantinopel mit Aenderungen zurückgekommen, die<lb/> von einiger Seite her als „unwichtig" bezeichnet werden. Sie sind im Gegentheil<lb/> sehr wichtig. Der Divan hat mit Sorgfalt alle Ausdrücke ans der Note entfernt, in<lb/> denen dem Sultan die Anerkennung des russischen Protectorats über seine griechischen<lb/> Unterthanen in den Mund gelegt ist, er hat serner eine Stelle ergänzt, die im Wiener<lb/> Project einer sür die Türkei unannehmbaren Auslegung Raum gab. Selbst die ge¬<lb/> änderte Note ist für die Türkei mißlich und bewilligt viel mehr, als Reschid Pascha aus<lb/> die Forderungen Menschikoffs anbot; der Wiener Entwurf enthält alles, was die Note<lb/> Menschikoffs enthielt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1698"> Die Aenderungen sind hauptsächlich in drei Punkten wesentlich. Der Wiener Ent¬<lb/> wurf läßt den Sultan aus die stete «Fürsorge der russische» Kaiser für die<lb/> Erhaltung der Immunitäten und Privilegien der orthodoxen Kirche im<lb/> ottomannischcn Reiche sich beziehen, womit er gleichsam das russische Protectorat<lb/> als seit alten Zeiten ausgeübt anerkennt; der geänderte Entwurf spricht nur von<lb/> der Fürsorge der Sultane für diese Rechte, was jene Auslegung abschneidet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1699"> Der Wiener Entwurf legt dem Sultan das Versprechen in den Mund, daß er<lb/> dem Buchstaben und Geist der Verträge von Kainardji und Adria¬<lb/> nopel in Betreff der Protection über den christlichen Cultus treu blei¬<lb/> ben werde. Hier war abermals die Auslegung offen — und besonders mit Beziehung<lb/> auf die vorhergehende Stelle berechtigt — diese nicht näher bezeichnete Protection sei<lb/> die Rußlands, welche die Psorte in den betreffenden Verträgen keineswegs bewilligt<lb/> zu haben zugesteht. Der geänderte Entwurf spricht von dem Vertrag von<lb/> Kainardji, bekräftigt durch den von Adrianopel in Betreff der Pro¬<lb/> tection des christlichen Cultus durch die Pforte, womit gemeint ist. daß der<lb/> Vertrag von Adrianopel Rußland in Betreff der griechischen Kirche keine neuen Rechte<lb/> zugestanden hat und daß ihm überhaupt keine Protection über sie zugestanden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1700"> Endlich verpflichtet sich der Sultan in dem Wiener Entwurf, der griechischen<lb/> Kirche die Vortheile zukommen zu lassen, die crj andern christlichen<lb/> Gemeinschaften zukomme»! lasse, während jder geänderte Entwurf hinzufügt:<lb/> andern, der Pforte unterworfenen christliche» Gemeinschaften. Dieser letzte Zusatz<lb/> ist um so wichtiger, als der Beweis, daß Nußland darnach trachtet, die Rechte, welche<lb/> die Pforte den christliche« Unterthanen fremder Mächte in der Türkei bewilligt hat, auch<lb/> aus die griechischen Christen auszudehnen, in der Mcnschikoffschen Note gegeben ist, die<lb/> ausdrücklich sagt: „dieselben (nämlich die griechischen Christen) werden theilneh¬<lb/> men an den Zugeständnissen, welche den andern christlichen Sekten,<lb/> ebenso wie den fremden Gesandtschaften, die bei der hohen Pforte accredi-<lb/> tirt sind, durch Vertrag oder daso»dere Verfügung gewährt worden sind."</p><lb/> <p xml:id="ID_1701" next="#ID_1702"> Man müßte über die Nachlässigkeit staunen, mit der die Cabinete von London<lb/> und Paris das Wiener Project gutgeheißen haben, welches Rußland alles das bewilligte,<lb/> worüber sich die ganze Streitfrage erhoben hat, läge es nicht klar am Tage, daß die<lb/> beiden Westmächte den Forderungen Rußlands sich gebeugt haben, daß es in Wien<lb/> nicht darauf ankam, eine Note aufzusetzen, welche die russischen Ansprüche beseitigte,<lb/> sondern nur eine, welche die völlige Nachgiebigkeit Englands und Frankreichs möglichst</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0483]
Der Entwurf ist jetzt von Konstantinopel mit Aenderungen zurückgekommen, die
von einiger Seite her als „unwichtig" bezeichnet werden. Sie sind im Gegentheil
sehr wichtig. Der Divan hat mit Sorgfalt alle Ausdrücke ans der Note entfernt, in
denen dem Sultan die Anerkennung des russischen Protectorats über seine griechischen
Unterthanen in den Mund gelegt ist, er hat serner eine Stelle ergänzt, die im Wiener
Project einer sür die Türkei unannehmbaren Auslegung Raum gab. Selbst die ge¬
änderte Note ist für die Türkei mißlich und bewilligt viel mehr, als Reschid Pascha aus
die Forderungen Menschikoffs anbot; der Wiener Entwurf enthält alles, was die Note
Menschikoffs enthielt.
Die Aenderungen sind hauptsächlich in drei Punkten wesentlich. Der Wiener Ent¬
wurf läßt den Sultan aus die stete «Fürsorge der russische» Kaiser für die
Erhaltung der Immunitäten und Privilegien der orthodoxen Kirche im
ottomannischcn Reiche sich beziehen, womit er gleichsam das russische Protectorat
als seit alten Zeiten ausgeübt anerkennt; der geänderte Entwurf spricht nur von
der Fürsorge der Sultane für diese Rechte, was jene Auslegung abschneidet.
Der Wiener Entwurf legt dem Sultan das Versprechen in den Mund, daß er
dem Buchstaben und Geist der Verträge von Kainardji und Adria¬
nopel in Betreff der Protection über den christlichen Cultus treu blei¬
ben werde. Hier war abermals die Auslegung offen — und besonders mit Beziehung
auf die vorhergehende Stelle berechtigt — diese nicht näher bezeichnete Protection sei
die Rußlands, welche die Psorte in den betreffenden Verträgen keineswegs bewilligt
zu haben zugesteht. Der geänderte Entwurf spricht von dem Vertrag von
Kainardji, bekräftigt durch den von Adrianopel in Betreff der Pro¬
tection des christlichen Cultus durch die Pforte, womit gemeint ist. daß der
Vertrag von Adrianopel Rußland in Betreff der griechischen Kirche keine neuen Rechte
zugestanden hat und daß ihm überhaupt keine Protection über sie zugestanden ist.
Endlich verpflichtet sich der Sultan in dem Wiener Entwurf, der griechischen
Kirche die Vortheile zukommen zu lassen, die crj andern christlichen
Gemeinschaften zukomme»! lasse, während jder geänderte Entwurf hinzufügt:
andern, der Pforte unterworfenen christliche» Gemeinschaften. Dieser letzte Zusatz
ist um so wichtiger, als der Beweis, daß Nußland darnach trachtet, die Rechte, welche
die Pforte den christliche« Unterthanen fremder Mächte in der Türkei bewilligt hat, auch
aus die griechischen Christen auszudehnen, in der Mcnschikoffschen Note gegeben ist, die
ausdrücklich sagt: „dieselben (nämlich die griechischen Christen) werden theilneh¬
men an den Zugeständnissen, welche den andern christlichen Sekten,
ebenso wie den fremden Gesandtschaften, die bei der hohen Pforte accredi-
tirt sind, durch Vertrag oder daso»dere Verfügung gewährt worden sind."
Man müßte über die Nachlässigkeit staunen, mit der die Cabinete von London
und Paris das Wiener Project gutgeheißen haben, welches Rußland alles das bewilligte,
worüber sich die ganze Streitfrage erhoben hat, läge es nicht klar am Tage, daß die
beiden Westmächte den Forderungen Rußlands sich gebeugt haben, daß es in Wien
nicht darauf ankam, eine Note aufzusetzen, welche die russischen Ansprüche beseitigte,
sondern nur eine, welche die völlige Nachgiebigkeit Englands und Frankreichs möglichst
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