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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Sache hervorging, wird jetzt von der demokratischen Presse aus eine künstliche
Weise festgehalten. Sie flößt dem Volk eine Verachtung der gegenwärtigen
constitutionellen Entwickelung ein und deutet statt dessen von Zeit zu Zeit auf
die Hoffnung einer Revolution hin, d. h. einer totalen Staatsveränderung, über
deren Art und Weise, über deren Motive, Gründe und Veranlassungen sie sich
nicht die geringsten klaren Vorstellungen macht. Wir wollen hören, was die
Nalionalzeitnng selber über diese Revolution sagt. Sie hat dabei die Nebenabsicht,
ans die tapfern Männer des Volks einen guten Eindruck zu machen und ihnen
zu iusinniren, daß sie sich nicht fürchte. Sie sagt, wir (die Grenzboten) sprächen
von einer Revolution, "die dabei nach beliebter, uachmärzlicher Philisterabschreckungs¬
technik als das wilde Heer erscheint, vou dem mau nicht weiß, von wannen es
kommt, und wohin es fährt, ein Durcheinander von Sausen und Brausen, von
Hörnern und Klauen, von Brüllen und Heulen, wo sich alles beisammen findet,
und das bei Licht besehen nichts ist, als ein wüstes Bild, hervorgegangen aus
unlogischer Verwirrung angsterfüllter Gemüther." -- Diesem Bilde von der
Revolution, das wir ausgestellt haben sollen, obgleich wir auch nicht eine
Silbe davon gesagt haben, stellt die Nationalzeitung ihr Bild der Revolution
entgegen: "Die Herstellung eines der zahmen Wohlhabenheit recht eigentlich zu¬
sagenden, Eigenthumund Familie, Freiheit der Person, ihrer Meinungsäußerung,
ihres Forschens und Wissens, ihres Glaubens und Bekenntnisses, des Eigenthums,
des Handels und Gewerbes und des gestimmten Verkehrs auf die Dauer sicher¬
stellenden Zustandes, einer auf Gleichberechtigung und Selbstregierung begründeten
Organisation."

Herrlich, unvergleichlich, wer wollte etwas Besseres wünschen! Selbst Se. Just
und Robespierre haben dem Volk keine bessern Versprechungen gemacht! Aber die
in der Logik so starke Nationalzeitung, die mit einer so unendlich komischen Miene
der Superioritär raisonnirt, möge uns gütigst erlauben: das, was sie da erzählt,
ist nicht die Revolution, sondern das erwartete und gehoffte Resultat der
Revolution. Die Revolution ist vielmehr der gewaltsame Act, durch welchen die
alte Staatsform zu Gunsten der neuen gebrochen wird, und von dieser Revolution,
wenn wir sie im Lauf der bevorstehenden dreißig Jahre in Deutschland für möglich
halten, können wir uns kein so rosenfarbenes Bild entwerfen, als die Nativnal-
zeitung. Zwar sehen wir darin nichts von Sausen und Brausen, vou Hörnern
und Klauen, von Brüllen und Heulen, weil wir solche lächerliche Redensarten
überhaupt nie in den Mund nehmen, aber wir scheu auf der einen Seite eine
sehr mächtige Regierung, die von einer sehr gut geschlossenen, stark organisirten
und erbitterten Partei und von einer tüchtigen Armee gestützt wird, die ihre Macht
vollkommen richtig begriffen hat und diesmal nicht von freien Stücken weichen
wird. Um diese zu überwinden, müßten so gewaltige Kräfte, müßte ein so wilder
Fanatismus aufgeregt werden, daß diesem gegenüber der Standpunkt der


Gr-nzb>,'ten, III, 18L3, 49

Sache hervorging, wird jetzt von der demokratischen Presse aus eine künstliche
Weise festgehalten. Sie flößt dem Volk eine Verachtung der gegenwärtigen
constitutionellen Entwickelung ein und deutet statt dessen von Zeit zu Zeit auf
die Hoffnung einer Revolution hin, d. h. einer totalen Staatsveränderung, über
deren Art und Weise, über deren Motive, Gründe und Veranlassungen sie sich
nicht die geringsten klaren Vorstellungen macht. Wir wollen hören, was die
Nalionalzeitnng selber über diese Revolution sagt. Sie hat dabei die Nebenabsicht,
ans die tapfern Männer des Volks einen guten Eindruck zu machen und ihnen
zu iusinniren, daß sie sich nicht fürchte. Sie sagt, wir (die Grenzboten) sprächen
von einer Revolution, „die dabei nach beliebter, uachmärzlicher Philisterabschreckungs¬
technik als das wilde Heer erscheint, vou dem mau nicht weiß, von wannen es
kommt, und wohin es fährt, ein Durcheinander von Sausen und Brausen, von
Hörnern und Klauen, von Brüllen und Heulen, wo sich alles beisammen findet,
und das bei Licht besehen nichts ist, als ein wüstes Bild, hervorgegangen aus
unlogischer Verwirrung angsterfüllter Gemüther." — Diesem Bilde von der
Revolution, das wir ausgestellt haben sollen, obgleich wir auch nicht eine
Silbe davon gesagt haben, stellt die Nationalzeitung ihr Bild der Revolution
entgegen: „Die Herstellung eines der zahmen Wohlhabenheit recht eigentlich zu¬
sagenden, Eigenthumund Familie, Freiheit der Person, ihrer Meinungsäußerung,
ihres Forschens und Wissens, ihres Glaubens und Bekenntnisses, des Eigenthums,
des Handels und Gewerbes und des gestimmten Verkehrs auf die Dauer sicher¬
stellenden Zustandes, einer auf Gleichberechtigung und Selbstregierung begründeten
Organisation."

Herrlich, unvergleichlich, wer wollte etwas Besseres wünschen! Selbst Se. Just
und Robespierre haben dem Volk keine bessern Versprechungen gemacht! Aber die
in der Logik so starke Nationalzeitung, die mit einer so unendlich komischen Miene
der Superioritär raisonnirt, möge uns gütigst erlauben: das, was sie da erzählt,
ist nicht die Revolution, sondern das erwartete und gehoffte Resultat der
Revolution. Die Revolution ist vielmehr der gewaltsame Act, durch welchen die
alte Staatsform zu Gunsten der neuen gebrochen wird, und von dieser Revolution,
wenn wir sie im Lauf der bevorstehenden dreißig Jahre in Deutschland für möglich
halten, können wir uns kein so rosenfarbenes Bild entwerfen, als die Nativnal-
zeitung. Zwar sehen wir darin nichts von Sausen und Brausen, vou Hörnern
und Klauen, von Brüllen und Heulen, weil wir solche lächerliche Redensarten
überhaupt nie in den Mund nehmen, aber wir scheu auf der einen Seite eine
sehr mächtige Regierung, die von einer sehr gut geschlossenen, stark organisirten
und erbitterten Partei und von einer tüchtigen Armee gestützt wird, die ihre Macht
vollkommen richtig begriffen hat und diesmal nicht von freien Stücken weichen
wird. Um diese zu überwinden, müßten so gewaltige Kräfte, müßte ein so wilder
Fanatismus aufgeregt werden, daß diesem gegenüber der Standpunkt der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/391>, abgerufen am 03.07.2024.