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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Dann hat der Herr der Höhe seine Heiligen gesendet, die Basken haben
das Wort gehört und daran geglaubt; und sie haben dem Sohne treu gedient,
wie sie schon im Paradiese dem Vater dienten.

Aber die Westgothen sind gekommen, haben das schöne Land gesehen und
ihre gierigen Hände darnach ausgestreckt. Die Basken haben ihnen Nahrung und
Kleidung gegeben,, denn es waren ihre Gäste, und haben die Wege geebnet,
damit sie weiter ziehen könnten in die spanischen Berge voll Silber und Gold.
Aber die Gothen haben sich festgesetzt im Vaskenlande, haben fremde Sitten
eingeführt, haben die Herzen der Mädchen bethört und das Blut des auserwählten
Volkes hat sich mit ihrem Blute gemischt.

Die Sünden der Väter will ich heimsuchen bis ins dritte und vierte Glied,
sagt der Herr. Er hat das Vaskenland geschlagen und hat im Zorn sein Antlitz
abgewendet. Wir möchten den Schandfleck mit unsern Thränen auslöschen; aber
der Herr hält ein strenges Gericht.

Sprich nicht mit dem Gothen, sagt der weise Man", iß nicht mit ihm und
laß ihn nicht an deinen Freuden theilnehmen. Verschließe dein Auge seinem
Reichthum, dein Ohr seinen süßen Worten. Wenn er bittend zu dir kommt,
magst du ihm helfen, aber sein Dank soll dein Herz nicht erfreuen.

Der weise Mann hat gesprochen, aber die Sünde ist groß und wächst mit
jedem Tage. Es ist kein Bilyar mehr sür das Recht der Lebenden und kein
Muchico zu Ehren der Todten. Der Fremde herrscht im Vaskenlande, und der
Gothe hat Güter und Ansehn.

Urraca wiederholte den letzten Satz mit finsterem Gesicht. Ein unheimliches
Gefühl beschlich uns. Die baskische Gastfreundschaft war uns nicht mehr so er¬
quicklich als bisher, und gewiß hätten wir unsre Gedanken ausgesprochen, wäre
nicht die Mutter aufgestanden mit der Ermahnung zu Bett zu gehen, um bei
Sonnenuntergang munter fortwandern zu können.

-- Die Heiligen mögen euren Schlaf behüten, sagte der Alte, indem er
uns zum Abschied wieder die Hand reichte. Die Frau hatte ein Lämpchen
angezündet und ging leuchtend voraus. Einige Bodenkammern waren für die
Gäste eingerichtet und wahrscheinlich hatten die Betten der Familie zur Bequem¬
lichkeit unsrer Lagerstätten beigesteuert.

Wir dankten der freundlichen Wirthin für alle Sorgfalt, sie wünschte uns
gut zu schlafen und fügte hinzu: erschreckt nicht, wenn ihr später die Hausthür
knarren hört. Wenn der Vater und die strenge Urraca schlafen, wird sich Malta
am Feuer wärmen und bis zum Anbruch des Tages in meinem Bette schlafen,
wie sie schon oft gethan hat.

-- Das wagt ihr zu thun? riefen wir erstaunt. -- Mein Mann will es so,
antwortete sie. Dem Glauben des Vaters dürfen wir nicht widersprechen, aber
es ist gewiß keine Sünde, wenn wir allen Menschen christliche Hilfe leisten; der


Dann hat der Herr der Höhe seine Heiligen gesendet, die Basken haben
das Wort gehört und daran geglaubt; und sie haben dem Sohne treu gedient,
wie sie schon im Paradiese dem Vater dienten.

Aber die Westgothen sind gekommen, haben das schöne Land gesehen und
ihre gierigen Hände darnach ausgestreckt. Die Basken haben ihnen Nahrung und
Kleidung gegeben,, denn es waren ihre Gäste, und haben die Wege geebnet,
damit sie weiter ziehen könnten in die spanischen Berge voll Silber und Gold.
Aber die Gothen haben sich festgesetzt im Vaskenlande, haben fremde Sitten
eingeführt, haben die Herzen der Mädchen bethört und das Blut des auserwählten
Volkes hat sich mit ihrem Blute gemischt.

Die Sünden der Väter will ich heimsuchen bis ins dritte und vierte Glied,
sagt der Herr. Er hat das Vaskenland geschlagen und hat im Zorn sein Antlitz
abgewendet. Wir möchten den Schandfleck mit unsern Thränen auslöschen; aber
der Herr hält ein strenges Gericht.

Sprich nicht mit dem Gothen, sagt der weise Man», iß nicht mit ihm und
laß ihn nicht an deinen Freuden theilnehmen. Verschließe dein Auge seinem
Reichthum, dein Ohr seinen süßen Worten. Wenn er bittend zu dir kommt,
magst du ihm helfen, aber sein Dank soll dein Herz nicht erfreuen.

Der weise Mann hat gesprochen, aber die Sünde ist groß und wächst mit
jedem Tage. Es ist kein Bilyar mehr sür das Recht der Lebenden und kein
Muchico zu Ehren der Todten. Der Fremde herrscht im Vaskenlande, und der
Gothe hat Güter und Ansehn.

Urraca wiederholte den letzten Satz mit finsterem Gesicht. Ein unheimliches
Gefühl beschlich uns. Die baskische Gastfreundschaft war uns nicht mehr so er¬
quicklich als bisher, und gewiß hätten wir unsre Gedanken ausgesprochen, wäre
nicht die Mutter aufgestanden mit der Ermahnung zu Bett zu gehen, um bei
Sonnenuntergang munter fortwandern zu können.

— Die Heiligen mögen euren Schlaf behüten, sagte der Alte, indem er
uns zum Abschied wieder die Hand reichte. Die Frau hatte ein Lämpchen
angezündet und ging leuchtend voraus. Einige Bodenkammern waren für die
Gäste eingerichtet und wahrscheinlich hatten die Betten der Familie zur Bequem¬
lichkeit unsrer Lagerstätten beigesteuert.

Wir dankten der freundlichen Wirthin für alle Sorgfalt, sie wünschte uns
gut zu schlafen und fügte hinzu: erschreckt nicht, wenn ihr später die Hausthür
knarren hört. Wenn der Vater und die strenge Urraca schlafen, wird sich Malta
am Feuer wärmen und bis zum Anbruch des Tages in meinem Bette schlafen,
wie sie schon oft gethan hat.

— Das wagt ihr zu thun? riefen wir erstaunt. — Mein Mann will es so,
antwortete sie. Dem Glauben des Vaters dürfen wir nicht widersprechen, aber
es ist gewiß keine Sünde, wenn wir allen Menschen christliche Hilfe leisten; der


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[0334] Dann hat der Herr der Höhe seine Heiligen gesendet, die Basken haben das Wort gehört und daran geglaubt; und sie haben dem Sohne treu gedient, wie sie schon im Paradiese dem Vater dienten. Aber die Westgothen sind gekommen, haben das schöne Land gesehen und ihre gierigen Hände darnach ausgestreckt. Die Basken haben ihnen Nahrung und Kleidung gegeben,, denn es waren ihre Gäste, und haben die Wege geebnet, damit sie weiter ziehen könnten in die spanischen Berge voll Silber und Gold. Aber die Gothen haben sich festgesetzt im Vaskenlande, haben fremde Sitten eingeführt, haben die Herzen der Mädchen bethört und das Blut des auserwählten Volkes hat sich mit ihrem Blute gemischt. Die Sünden der Väter will ich heimsuchen bis ins dritte und vierte Glied, sagt der Herr. Er hat das Vaskenland geschlagen und hat im Zorn sein Antlitz abgewendet. Wir möchten den Schandfleck mit unsern Thränen auslöschen; aber der Herr hält ein strenges Gericht. Sprich nicht mit dem Gothen, sagt der weise Man», iß nicht mit ihm und laß ihn nicht an deinen Freuden theilnehmen. Verschließe dein Auge seinem Reichthum, dein Ohr seinen süßen Worten. Wenn er bittend zu dir kommt, magst du ihm helfen, aber sein Dank soll dein Herz nicht erfreuen. Der weise Mann hat gesprochen, aber die Sünde ist groß und wächst mit jedem Tage. Es ist kein Bilyar mehr sür das Recht der Lebenden und kein Muchico zu Ehren der Todten. Der Fremde herrscht im Vaskenlande, und der Gothe hat Güter und Ansehn. Urraca wiederholte den letzten Satz mit finsterem Gesicht. Ein unheimliches Gefühl beschlich uns. Die baskische Gastfreundschaft war uns nicht mehr so er¬ quicklich als bisher, und gewiß hätten wir unsre Gedanken ausgesprochen, wäre nicht die Mutter aufgestanden mit der Ermahnung zu Bett zu gehen, um bei Sonnenuntergang munter fortwandern zu können. — Die Heiligen mögen euren Schlaf behüten, sagte der Alte, indem er uns zum Abschied wieder die Hand reichte. Die Frau hatte ein Lämpchen angezündet und ging leuchtend voraus. Einige Bodenkammern waren für die Gäste eingerichtet und wahrscheinlich hatten die Betten der Familie zur Bequem¬ lichkeit unsrer Lagerstätten beigesteuert. Wir dankten der freundlichen Wirthin für alle Sorgfalt, sie wünschte uns gut zu schlafen und fügte hinzu: erschreckt nicht, wenn ihr später die Hausthür knarren hört. Wenn der Vater und die strenge Urraca schlafen, wird sich Malta am Feuer wärmen und bis zum Anbruch des Tages in meinem Bette schlafen, wie sie schon oft gethan hat. — Das wagt ihr zu thun? riefen wir erstaunt. — Mein Mann will es so, antwortete sie. Dem Glauben des Vaters dürfen wir nicht widersprechen, aber es ist gewiß keine Sünde, wenn wir allen Menschen christliche Hilfe leisten; der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/334>, abgerufen am 23.07.2024.