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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Auch ist es keineswegs Begeisterung fiir den sächsischen Volksstamm, was Herrn
Butan veranlaßt, alle Schuld der Wühlerei den Fremde" aufzubürden. Er sagt
vielmehr von demselben: "Ueberhaupt dürfte das sächsische Volk in seiner Masse
neben vielen sehr schätzbaren, besonders für das praktische Geschäftsleben nützlichen
Eigenschaften, die der religiösen tieferen Innigkeit und der frommen, gläubigen
Demuth nicht im höchsten Grade besitzen, und schon in der Reformationszeit mehr
die negirende Seite der Sache ins Auge gefaßt haben, als die positive."

Seite 432 wird der Inquirent Georgi in seinem Verfahren gegen Weidig
gerechtfertigt, und von ihm nnr gesagt, es scheine ein heftiger Mann gewesen zu
sein. Das ist freilich etwas stark.

Seite 439 kommt Herr Butan zuerst auf Holstein zu sprechen nud hebt
folgendermaßen an: "Dasselbe Holstein, das sich in Sachen der Lübeck-Büchner
Eisenbahn sehr separatistisch'erwies, nahm doch in eigenen Angelegenheiten das
deutsche Gemeingefühl in ausgedehnter Maße in Anspruch." Man mag von der
Zweckmäßigkeit der Schleswig-holsteinschen Erhebung und von den Rechten des
Volks denken, was man will, in einem solchen Ton von einem Volksstamme zu
sprechen, der mit den unerhörtesten und rnhmwürdigsten Opfern für die deutsche
Sache in die Schranken getreten ist, nud gegen den sich Deutschland aufs schwerste
versündigt hat, ist zum wenigsten höchst unschicklich. Seine politische Weisheit
gibt Hr. Butan ans der folgenden Seite in dem Gutachten ab: "Im Interesse
einer vorstrebender teutschen Politik wäre es gewesen, Dänemark mit herüber¬
zuziehen zu Teutschland." Kein übler Vorschlag! Wie mag sich Herr Butan
wol die Ausführung denken?

Seite ils macht der protestantische Professor es den liberalen Schweizer-
cantonen zum Vorwurf, daß sie dnrch Angriffe gegen den Katholicismus die
öffentliche Meinung gegen die Urcantvne zu reizen suchten. -- S. i!)3 tadelt er
die conservativ-liberale Partei in Italien, namentlich in Sardinien, sehr heftig,
daß sie die italienischen Fürsten zu Concessionen anforderte. Nun muß man
wissen, was man damals in Italien uuter Concessionen verstand! Nicht etwa
politische Rechte, sondern administrative Garantien, die endlich der schmachvollsten
und unsittlichsten Willkür in den öffentlichen Angelegenheiten ein Ende machen
sollten. Hr. Butan spöttelt über den ganz richtigen Grundsatz, der damals von
allen vernünftigen und patriotisch gesinnten Italienern gehegt wurde: "Wenn die
Fürsten Italiens nicht wollen, daß ihre Unterthanen exalrirtc Liberale werden, so
müssen sie selbst gemäßigte Liberale werden."

Seite 468 endlich kommt der Verfasser auf einen Staat, der seine vollstän¬
dige Billigung erhält: es ist Nußland. Vom Kaiser wird gesagt, daß er
"das materielle Gedeihen seiner Völker, ihre dem StaatSprincip gemäße Bildung
(wie fein!), die allmälige Verschmelzung derselben in der Einheit des russischen
Nationalgefühls mit Eifer fördere! Das russische Reich sei nur von der Um-


Auch ist es keineswegs Begeisterung fiir den sächsischen Volksstamm, was Herrn
Butan veranlaßt, alle Schuld der Wühlerei den Fremde» aufzubürden. Er sagt
vielmehr von demselben: „Ueberhaupt dürfte das sächsische Volk in seiner Masse
neben vielen sehr schätzbaren, besonders für das praktische Geschäftsleben nützlichen
Eigenschaften, die der religiösen tieferen Innigkeit und der frommen, gläubigen
Demuth nicht im höchsten Grade besitzen, und schon in der Reformationszeit mehr
die negirende Seite der Sache ins Auge gefaßt haben, als die positive."

Seite 432 wird der Inquirent Georgi in seinem Verfahren gegen Weidig
gerechtfertigt, und von ihm nnr gesagt, es scheine ein heftiger Mann gewesen zu
sein. Das ist freilich etwas stark.

Seite 439 kommt Herr Butan zuerst auf Holstein zu sprechen nud hebt
folgendermaßen an: „Dasselbe Holstein, das sich in Sachen der Lübeck-Büchner
Eisenbahn sehr separatistisch'erwies, nahm doch in eigenen Angelegenheiten das
deutsche Gemeingefühl in ausgedehnter Maße in Anspruch." Man mag von der
Zweckmäßigkeit der Schleswig-holsteinschen Erhebung und von den Rechten des
Volks denken, was man will, in einem solchen Ton von einem Volksstamme zu
sprechen, der mit den unerhörtesten und rnhmwürdigsten Opfern für die deutsche
Sache in die Schranken getreten ist, nud gegen den sich Deutschland aufs schwerste
versündigt hat, ist zum wenigsten höchst unschicklich. Seine politische Weisheit
gibt Hr. Butan ans der folgenden Seite in dem Gutachten ab: „Im Interesse
einer vorstrebender teutschen Politik wäre es gewesen, Dänemark mit herüber¬
zuziehen zu Teutschland." Kein übler Vorschlag! Wie mag sich Herr Butan
wol die Ausführung denken?

Seite ils macht der protestantische Professor es den liberalen Schweizer-
cantonen zum Vorwurf, daß sie dnrch Angriffe gegen den Katholicismus die
öffentliche Meinung gegen die Urcantvne zu reizen suchten. — S. i!)3 tadelt er
die conservativ-liberale Partei in Italien, namentlich in Sardinien, sehr heftig,
daß sie die italienischen Fürsten zu Concessionen anforderte. Nun muß man
wissen, was man damals in Italien uuter Concessionen verstand! Nicht etwa
politische Rechte, sondern administrative Garantien, die endlich der schmachvollsten
und unsittlichsten Willkür in den öffentlichen Angelegenheiten ein Ende machen
sollten. Hr. Butan spöttelt über den ganz richtigen Grundsatz, der damals von
allen vernünftigen und patriotisch gesinnten Italienern gehegt wurde: „Wenn die
Fürsten Italiens nicht wollen, daß ihre Unterthanen exalrirtc Liberale werden, so
müssen sie selbst gemäßigte Liberale werden."

Seite 468 endlich kommt der Verfasser auf einen Staat, der seine vollstän¬
dige Billigung erhält: es ist Nußland. Vom Kaiser wird gesagt, daß er
„das materielle Gedeihen seiner Völker, ihre dem StaatSprincip gemäße Bildung
(wie fein!), die allmälige Verschmelzung derselben in der Einheit des russischen
Nationalgefühls mit Eifer fördere! Das russische Reich sei nur von der Um-


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[0291] Auch ist es keineswegs Begeisterung fiir den sächsischen Volksstamm, was Herrn Butan veranlaßt, alle Schuld der Wühlerei den Fremde» aufzubürden. Er sagt vielmehr von demselben: „Ueberhaupt dürfte das sächsische Volk in seiner Masse neben vielen sehr schätzbaren, besonders für das praktische Geschäftsleben nützlichen Eigenschaften, die der religiösen tieferen Innigkeit und der frommen, gläubigen Demuth nicht im höchsten Grade besitzen, und schon in der Reformationszeit mehr die negirende Seite der Sache ins Auge gefaßt haben, als die positive." Seite 432 wird der Inquirent Georgi in seinem Verfahren gegen Weidig gerechtfertigt, und von ihm nnr gesagt, es scheine ein heftiger Mann gewesen zu sein. Das ist freilich etwas stark. Seite 439 kommt Herr Butan zuerst auf Holstein zu sprechen nud hebt folgendermaßen an: „Dasselbe Holstein, das sich in Sachen der Lübeck-Büchner Eisenbahn sehr separatistisch'erwies, nahm doch in eigenen Angelegenheiten das deutsche Gemeingefühl in ausgedehnter Maße in Anspruch." Man mag von der Zweckmäßigkeit der Schleswig-holsteinschen Erhebung und von den Rechten des Volks denken, was man will, in einem solchen Ton von einem Volksstamme zu sprechen, der mit den unerhörtesten und rnhmwürdigsten Opfern für die deutsche Sache in die Schranken getreten ist, nud gegen den sich Deutschland aufs schwerste versündigt hat, ist zum wenigsten höchst unschicklich. Seine politische Weisheit gibt Hr. Butan ans der folgenden Seite in dem Gutachten ab: „Im Interesse einer vorstrebender teutschen Politik wäre es gewesen, Dänemark mit herüber¬ zuziehen zu Teutschland." Kein übler Vorschlag! Wie mag sich Herr Butan wol die Ausführung denken? Seite ils macht der protestantische Professor es den liberalen Schweizer- cantonen zum Vorwurf, daß sie dnrch Angriffe gegen den Katholicismus die öffentliche Meinung gegen die Urcantvne zu reizen suchten. — S. i!)3 tadelt er die conservativ-liberale Partei in Italien, namentlich in Sardinien, sehr heftig, daß sie die italienischen Fürsten zu Concessionen anforderte. Nun muß man wissen, was man damals in Italien uuter Concessionen verstand! Nicht etwa politische Rechte, sondern administrative Garantien, die endlich der schmachvollsten und unsittlichsten Willkür in den öffentlichen Angelegenheiten ein Ende machen sollten. Hr. Butan spöttelt über den ganz richtigen Grundsatz, der damals von allen vernünftigen und patriotisch gesinnten Italienern gehegt wurde: „Wenn die Fürsten Italiens nicht wollen, daß ihre Unterthanen exalrirtc Liberale werden, so müssen sie selbst gemäßigte Liberale werden." Seite 468 endlich kommt der Verfasser auf einen Staat, der seine vollstän¬ dige Billigung erhält: es ist Nußland. Vom Kaiser wird gesagt, daß er „das materielle Gedeihen seiner Völker, ihre dem StaatSprincip gemäße Bildung (wie fein!), die allmälige Verschmelzung derselben in der Einheit des russischen Nationalgefühls mit Eifer fördere! Das russische Reich sei nur von der Um-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/291>, abgerufen am 03.07.2024.