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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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heraus, wie sie sich später in den Unionsbestrebungen verkörperten, und von Seiten
Oestreichs einen unablässigen Gegenkampf zur Folge haben müssen?" -- Also
schon "unbewußte Rückhaltsgedanken" reichen ans, um auf östreichischer Seite
jeden Widerstand gegen eine engere Concentration Deutschlands zu rechtfertigen,
während später, bei Gelegenheit der Dresdner Conferenzen Preußen die schwerste"
Vorwürfe gemacht werden, daß es sich den Anträgen der Koalition widersetzte,
obgleich man hier nicht mehr von unbewußten Rückhaltsgedanken reden konnte.

Seite 379 wird von den galizischen Unruhen gesprochen, und unter andern
auch von dem durch die Bauern veranstalteten Gemetzel. "Die Demagogie zog
auch daraus nicht die wahre Lehre, sondern gefiel sich lieber darin, den ihr
unbegreiflichen Vorgang allerlei angeblichen künstlichen Veranstaltungen kaiserlicher
Beamten zuzuschreiben, wobei sie diesen obendrein aus Dingen einen Vorwurf
machte,, die sie an ihren eigenen Agenten jederzeit gebilligt hat, und sich
in Declamationen über die in übertreibender Schilderung dargestellten Rohheiten
der Bauern zu ergehen, während sie sonst, die von revolutionären Massen
begangenen Greuelthaten recht wohl zu beschönigen oder mit wunderbarer Leichtig¬
keit darüber hinwegzukommen weiß." -- Während zu Anfang des Satzes versucht
wird, die Einwirkung vou Beamten ans die Bauernausregnng in Galizien zu
leugnen, wird diese Einwirkung später wenigstens indirect zugestanden, und es
gehört in der That auch eine starke -- Kühnheit dazu, wenn man beglaubigte
Thatsachen ignoriren will. Nachher sieht es so aus, als sollte der Liberalismus
(Demagogie ist bei Herrn Butan nämlich immer der Ausdruck für Liberalismus)
nicht das Recht haben, über die Ausschweifungen der galizischen Bauern sich
vorwurfsvoll auszusprechen, da er Ausschweifungen der revolutionären Masse
billigt oder beschönigt. Wenn dem so wäre, so würde der Historiker um so mehr
die Pflicht haben, diese Vorwürfe scharf und bestimmt herauszustellen, anstatt sie
vom Parteistandpunkte zu beschönigen, was er doch an seinen Gegnern so bitter
tadelt; aber es ist nicht wahr, der Liberalismus, "die gemäßigte Demokratie mit
Inbegriffen, hat sich nie zum Anwalt solcher Scheußlichkeiten hergegeben, wie sie
von den galizischen Bauern ausgeübt wurde". Er hat über die Excesse in Wien,
in Frankfurt u. f. w., die an sich doch viel weniger bedeuten und viel weniger
abscheulich waren, ein ungescheutes Verdammungsurtheil ausgesprochen, und es
ist den Advocaten der conservativen Partei vorbehalten, anch in dieser Beziehung
den Jesuiten nachzuahmen.

Seite i"1 wird das Tschechsche Attentat besprochen. Damals fiel es anch
den loyalsten Federn in Preußen nicht ein, die Schuld des versuchten Königs¬
mordes dem Liberalismus aufzubürden; im Gegentheil gehört jene specielle Wuth
gegen den Monarchen bei einem abgesetzten Beamten, der keine Anstellung finden
kann, der absolutistischen Gesinnung an, die in der Person des Königs die Quelle
alles dessen steht, was im Staatsleben geschieht, und die ihn daher persönlich


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heraus, wie sie sich später in den Unionsbestrebungen verkörperten, und von Seiten
Oestreichs einen unablässigen Gegenkampf zur Folge haben müssen?" — Also
schon „unbewußte Rückhaltsgedanken" reichen ans, um auf östreichischer Seite
jeden Widerstand gegen eine engere Concentration Deutschlands zu rechtfertigen,
während später, bei Gelegenheit der Dresdner Conferenzen Preußen die schwerste»
Vorwürfe gemacht werden, daß es sich den Anträgen der Koalition widersetzte,
obgleich man hier nicht mehr von unbewußten Rückhaltsgedanken reden konnte.

Seite 379 wird von den galizischen Unruhen gesprochen, und unter andern
auch von dem durch die Bauern veranstalteten Gemetzel. „Die Demagogie zog
auch daraus nicht die wahre Lehre, sondern gefiel sich lieber darin, den ihr
unbegreiflichen Vorgang allerlei angeblichen künstlichen Veranstaltungen kaiserlicher
Beamten zuzuschreiben, wobei sie diesen obendrein aus Dingen einen Vorwurf
machte,, die sie an ihren eigenen Agenten jederzeit gebilligt hat, und sich
in Declamationen über die in übertreibender Schilderung dargestellten Rohheiten
der Bauern zu ergehen, während sie sonst, die von revolutionären Massen
begangenen Greuelthaten recht wohl zu beschönigen oder mit wunderbarer Leichtig¬
keit darüber hinwegzukommen weiß." — Während zu Anfang des Satzes versucht
wird, die Einwirkung vou Beamten ans die Bauernausregnng in Galizien zu
leugnen, wird diese Einwirkung später wenigstens indirect zugestanden, und es
gehört in der That auch eine starke — Kühnheit dazu, wenn man beglaubigte
Thatsachen ignoriren will. Nachher sieht es so aus, als sollte der Liberalismus
(Demagogie ist bei Herrn Butan nämlich immer der Ausdruck für Liberalismus)
nicht das Recht haben, über die Ausschweifungen der galizischen Bauern sich
vorwurfsvoll auszusprechen, da er Ausschweifungen der revolutionären Masse
billigt oder beschönigt. Wenn dem so wäre, so würde der Historiker um so mehr
die Pflicht haben, diese Vorwürfe scharf und bestimmt herauszustellen, anstatt sie
vom Parteistandpunkte zu beschönigen, was er doch an seinen Gegnern so bitter
tadelt; aber es ist nicht wahr, der Liberalismus, "die gemäßigte Demokratie mit
Inbegriffen, hat sich nie zum Anwalt solcher Scheußlichkeiten hergegeben, wie sie
von den galizischen Bauern ausgeübt wurde». Er hat über die Excesse in Wien,
in Frankfurt u. f. w., die an sich doch viel weniger bedeuten und viel weniger
abscheulich waren, ein ungescheutes Verdammungsurtheil ausgesprochen, und es
ist den Advocaten der conservativen Partei vorbehalten, anch in dieser Beziehung
den Jesuiten nachzuahmen.

Seite i»1 wird das Tschechsche Attentat besprochen. Damals fiel es anch
den loyalsten Federn in Preußen nicht ein, die Schuld des versuchten Königs¬
mordes dem Liberalismus aufzubürden; im Gegentheil gehört jene specielle Wuth
gegen den Monarchen bei einem abgesetzten Beamten, der keine Anstellung finden
kann, der absolutistischen Gesinnung an, die in der Person des Königs die Quelle
alles dessen steht, was im Staatsleben geschieht, und die ihn daher persönlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/289>, abgerufen am 03.07.2024.