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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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bilitäten und über die Stellung "Sr. Hoheit" in den vornehmen Kreisen der
Gesellschaft den Mund etwas sehr voll genommen haben, so geht ans den Aeuße-
rungen deö Präsidenten und des Staatsanwaltes doch hervor, daß genug davon
wahr ist, um ein -- mild ausgedruckt -- äußerst komisches Licht auf die franzö¬
sische Gesellschaft zu werfen. Ein Mensch, notorisch ohne Bildung und von ge¬
meinem Benehmen, seit Jahren schon durch Thatsache", die, wie z, B. die Unter¬
stützungen in Cahors, unmöglich ganz verborgen bleiben konnten, compromittirt,
spielt die Rolle eines gnadenaustheilenden Fürsten, und Deputirte, Pairs, hohe
Offiziere, Künstler und Schriftsteller bewarben sich um die Ordenskreuze, womit
er ihrer Eitelkeit und Leichtgläubigkeit spottet. In den bürgerlichen Classen ist
dasselbe Wettrennen. Die braven Epiciers von Paris öffnen ihre sonst nicht eben
freigebigen Geldsäckel für den kindischen Tand, den sie aus den Händen eines
Betrügers empfangen. Die gröbsten Anstößigkeiten des Benehmens reichen nicht
hin, um dieser Sucht nach eitler Auszeichnung die Augen zu öffnen. Es scheint
in der That, daß Scribe in Stücken wie "le ?ukk" und "w nimis as8 plaLes"
nicht zu stark aufgetragen hat. Denn der Verrückte, der sich für einen Minister
hält und ausgibt, und den alles umlagert, um Aemter und Ehren von ihm
zu erhalten, spielt seine Rolle 'doch nur einen halben Tag, dieser plumpe Be¬
trüger länger als zehn Jahre. Wahrlich, man fällt nach der scire, nach welcher
man sich neigt, und die Abenteuer und Erfolge des Prinzen Gonzaga geben keine
üble Erklärung für andere Erfolge, welche die Welt in Staunen versetzt haben.

Wir bemerken noch, daß wir im Jahrgang 18ii der Augsburger Allgemeinen
Zeitung in Ur. 92. vom 2. April einen Aufsatz, "Die Gonzagas" überschrieben,
finden, der aus Anlaß dieser schwindelhafter Prinzenschaft geschrieben, und
in dem deren unbegründete Anmaßung ziemlich unverhohlen nachgewiesen ist. Wir
erfahren daraus, daß Se. Hoheit sich schon in den Jahrgang 1838 des Gotha-
schen Kalenders als Prinz Alexander v. MurzynowSki einzuschmuggeln gewußt
hat, mit einer vollständigen, erlogenen Genealogie, daß indeß das Gothaer
Taschenbuch für gut fand, den Artikel schon im folgenden Jahrgang wegzulassen.
Schon vor Herrn Ferraris circulirten allerhand Broschüren über den Pseudo-
priuzen, der sich "8c"n ^Itssse le ?rince serem'gsime ^lexanäie I. cke Kon-
i?kßc>,, x5rr Ja Krües as visu vue cle Uantoue, in den Proclamationen,
Manifesten und Memoirs nannte, in denen er das "Erbe seiner Väter" recla-
mirte. In einer der auf ihn bezüglichen Flugschriften heißt es in Betreff seines
Ordens ,,6el Kscleuwre", den er an Casserollenhändler und Handschnh-
fabrikanten verschacherte: "le?rince ^lexanäre, all^ne KerMer "Zu Duo VineeM,
Saum main>.mir cet "rclrs äistin^ne <Zams sa splencleur primitive." In der
That, dieser Mensch kann einen Ehrenplatz unter den frechsten und glücklichsten
Schwindlern allerZeiten beanspruchen, wenn er auch schließlich Schiffbruch erlitten hat.




bilitäten und über die Stellung „Sr. Hoheit" in den vornehmen Kreisen der
Gesellschaft den Mund etwas sehr voll genommen haben, so geht ans den Aeuße-
rungen deö Präsidenten und des Staatsanwaltes doch hervor, daß genug davon
wahr ist, um ein — mild ausgedruckt — äußerst komisches Licht auf die franzö¬
sische Gesellschaft zu werfen. Ein Mensch, notorisch ohne Bildung und von ge¬
meinem Benehmen, seit Jahren schon durch Thatsache», die, wie z, B. die Unter¬
stützungen in Cahors, unmöglich ganz verborgen bleiben konnten, compromittirt,
spielt die Rolle eines gnadenaustheilenden Fürsten, und Deputirte, Pairs, hohe
Offiziere, Künstler und Schriftsteller bewarben sich um die Ordenskreuze, womit
er ihrer Eitelkeit und Leichtgläubigkeit spottet. In den bürgerlichen Classen ist
dasselbe Wettrennen. Die braven Epiciers von Paris öffnen ihre sonst nicht eben
freigebigen Geldsäckel für den kindischen Tand, den sie aus den Händen eines
Betrügers empfangen. Die gröbsten Anstößigkeiten des Benehmens reichen nicht
hin, um dieser Sucht nach eitler Auszeichnung die Augen zu öffnen. Es scheint
in der That, daß Scribe in Stücken wie „le ?ukk" und „w nimis as8 plaLes"
nicht zu stark aufgetragen hat. Denn der Verrückte, der sich für einen Minister
hält und ausgibt, und den alles umlagert, um Aemter und Ehren von ihm
zu erhalten, spielt seine Rolle 'doch nur einen halben Tag, dieser plumpe Be¬
trüger länger als zehn Jahre. Wahrlich, man fällt nach der scire, nach welcher
man sich neigt, und die Abenteuer und Erfolge des Prinzen Gonzaga geben keine
üble Erklärung für andere Erfolge, welche die Welt in Staunen versetzt haben.

Wir bemerken noch, daß wir im Jahrgang 18ii der Augsburger Allgemeinen
Zeitung in Ur. 92. vom 2. April einen Aufsatz, „Die Gonzagas" überschrieben,
finden, der aus Anlaß dieser schwindelhafter Prinzenschaft geschrieben, und
in dem deren unbegründete Anmaßung ziemlich unverhohlen nachgewiesen ist. Wir
erfahren daraus, daß Se. Hoheit sich schon in den Jahrgang 1838 des Gotha-
schen Kalenders als Prinz Alexander v. MurzynowSki einzuschmuggeln gewußt
hat, mit einer vollständigen, erlogenen Genealogie, daß indeß das Gothaer
Taschenbuch für gut fand, den Artikel schon im folgenden Jahrgang wegzulassen.
Schon vor Herrn Ferraris circulirten allerhand Broschüren über den Pseudo-
priuzen, der sich „8c»n ^Itssse le ?rince serem'gsime ^lexanäie I. cke Kon-
i?kßc>,, x5rr Ja Krües as visu vue cle Uantoue, in den Proclamationen,
Manifesten und Memoirs nannte, in denen er das „Erbe seiner Väter" recla-
mirte. In einer der auf ihn bezüglichen Flugschriften heißt es in Betreff seines
Ordens ,,6el Kscleuwre", den er an Casserollenhändler und Handschnh-
fabrikanten verschacherte: „le?rince ^lexanäre, all^ne KerMer «Zu Duo VineeM,
Saum main>.mir cet »rclrs äistin^ne <Zams sa splencleur primitive." In der
That, dieser Mensch kann einen Ehrenplatz unter den frechsten und glücklichsten
Schwindlern allerZeiten beanspruchen, wenn er auch schließlich Schiffbruch erlitten hat.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/232>, abgerufen am 23.07.2024.