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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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manchmal ganz flach, manchmal leicht wellenförmig sind und durch Bergrücken, die
von Nordwesten nach Südosten laufen, voneinander getrennt sind. Sie gleichen
sich durch ihre vollständige Baumlosigkeit "ut durch ihr Klima, dessen Durchschnitts--
temperatur wie in Deutschland ist, nur daß der Sommer heißer und die Winter
kalter sind. Die Rede wird noch gebaut, aber Feigen, Oliven ze. kommen nicht
vor. Vorherrschend ist der Getreidebau.

Die Bergregion begreift die nördlichen und südlichen Theile Kleinasiens in
sich und ist der schönste und reichste Theil des Landes. Außer dem Getreide
werden hier alle Producte des südlichen Europas cultivirt. Neben hohen Gebirgen
findet man hier ziemlich weite Flächen, wie die schöne und fruchtbare Ebene von
Mohalitsch, und die Ufer der Seen von Apollonia und Nicäa. Die großen und
tiefen Flußthäler des Kistl-Ermak, der Jeschil-Ermak, des Ermeuak, des Kaistrus
und des Heraus versprechen dereinst die großen Verkehrs- und Haudelsadern
dieses schönen Landes z" werden. Das Thal des Jeschil-Ermak ist 23 geogra¬
phische Meilen lang, und eignet sich vorzüglich zum Getreide- und Seidenbau.
Die Stadt Amasia allein liefert mehr als 20,000 Öls (der Ol ist -IV2 franz.
Kilogramm) Seide, die fast alle durch Vermittelung eines an Ort und Stelle
etablirten Agenten eines Züricher Hanfes verschickt wird. An Getreide liefern
blos die beiden Provinzen Amasia und Tschormn jährlich 70 Millionen Öls, und
der Ertrag könnte verzehnfacht werden, wenn aller cnlturfähige Boden in Angriff
genommen würde. Amasia und Tschormn könnten, nebst einigen andern fruchtbaren
Gegenden, wie das Mäander-Heraus- und Kutschnk-Menderethal die Kornkammern
Europas und die glücklichen Nebenbuhler des südlichen Rußlands werden, da sie
billiger erzeugen können, und die günstige Gestalt ihrer Küsten der Schiffahrt
weit größere Vortheile darbietet, als das gefährliche schwarze Meer. Snkoi, der
Binnengetreidemarkt für die Häfen Scala nuova und Smyrna liefert dorthin jährlich
230,000--300,000 türkische Kilos (zu 15 Kilogrammes) Weizen zum Preis von
15--20 türkischen Piastern. In Somma bezahlt man den Kilo mit -17--20 P.
und die Kaufleute von Trieft, Marseille und Genua, die diesen Markt besuche",
verkaufen den Kilo in Europa mit 24--26 Piastern. Jährlich führt Somma
über Aivalhy nach Europa ungefähr 300,000 türkische Kilos ans. Das Thal
des Caicus (Batyr-Tschai) producirt auch sehr viel Olivenöl, und führt über
Aivalhy und Adramit jährlich -100,-130 Kantars 180 --200 Piaster nach
Enropa ans.

Der Boden der Gebirgsgegenden liefert diesen reichen Ertrag ohne die
mindeste Anstrengung. In den Thälern dieser Regionen wird das Land nie
gedüngt, und die ganze Ackerarbeit beschränkt sich auf das oberflächliche Ausreißen
der Erde vermittelst eines wahrhaft urzustäudlichen Pfluges, der ans Holz gebaut
ist; in der Ebene von Pergamo bestellen nur die reichen Eigenthümer, um die
Kräfte des Bodens zu schonen, ihre Felder abwechselnd mit Getreide, Erbsen oder


manchmal ganz flach, manchmal leicht wellenförmig sind und durch Bergrücken, die
von Nordwesten nach Südosten laufen, voneinander getrennt sind. Sie gleichen
sich durch ihre vollständige Baumlosigkeit »ut durch ihr Klima, dessen Durchschnitts--
temperatur wie in Deutschland ist, nur daß der Sommer heißer und die Winter
kalter sind. Die Rede wird noch gebaut, aber Feigen, Oliven ze. kommen nicht
vor. Vorherrschend ist der Getreidebau.

Die Bergregion begreift die nördlichen und südlichen Theile Kleinasiens in
sich und ist der schönste und reichste Theil des Landes. Außer dem Getreide
werden hier alle Producte des südlichen Europas cultivirt. Neben hohen Gebirgen
findet man hier ziemlich weite Flächen, wie die schöne und fruchtbare Ebene von
Mohalitsch, und die Ufer der Seen von Apollonia und Nicäa. Die großen und
tiefen Flußthäler des Kistl-Ermak, der Jeschil-Ermak, des Ermeuak, des Kaistrus
und des Heraus versprechen dereinst die großen Verkehrs- und Haudelsadern
dieses schönen Landes z» werden. Das Thal des Jeschil-Ermak ist 23 geogra¬
phische Meilen lang, und eignet sich vorzüglich zum Getreide- und Seidenbau.
Die Stadt Amasia allein liefert mehr als 20,000 Öls (der Ol ist -IV2 franz.
Kilogramm) Seide, die fast alle durch Vermittelung eines an Ort und Stelle
etablirten Agenten eines Züricher Hanfes verschickt wird. An Getreide liefern
blos die beiden Provinzen Amasia und Tschormn jährlich 70 Millionen Öls, und
der Ertrag könnte verzehnfacht werden, wenn aller cnlturfähige Boden in Angriff
genommen würde. Amasia und Tschormn könnten, nebst einigen andern fruchtbaren
Gegenden, wie das Mäander-Heraus- und Kutschnk-Menderethal die Kornkammern
Europas und die glücklichen Nebenbuhler des südlichen Rußlands werden, da sie
billiger erzeugen können, und die günstige Gestalt ihrer Küsten der Schiffahrt
weit größere Vortheile darbietet, als das gefährliche schwarze Meer. Snkoi, der
Binnengetreidemarkt für die Häfen Scala nuova und Smyrna liefert dorthin jährlich
230,000—300,000 türkische Kilos (zu 15 Kilogrammes) Weizen zum Preis von
15—20 türkischen Piastern. In Somma bezahlt man den Kilo mit -17—20 P.
und die Kaufleute von Trieft, Marseille und Genua, die diesen Markt besuche«,
verkaufen den Kilo in Europa mit 24—26 Piastern. Jährlich führt Somma
über Aivalhy nach Europa ungefähr 300,000 türkische Kilos ans. Das Thal
des Caicus (Batyr-Tschai) producirt auch sehr viel Olivenöl, und führt über
Aivalhy und Adramit jährlich -100,-130 Kantars 180 —200 Piaster nach
Enropa ans.

Der Boden der Gebirgsgegenden liefert diesen reichen Ertrag ohne die
mindeste Anstrengung. In den Thälern dieser Regionen wird das Land nie
gedüngt, und die ganze Ackerarbeit beschränkt sich auf das oberflächliche Ausreißen
der Erde vermittelst eines wahrhaft urzustäudlichen Pfluges, der ans Holz gebaut
ist; in der Ebene von Pergamo bestellen nur die reichen Eigenthümer, um die
Kräfte des Bodens zu schonen, ihre Felder abwechselnd mit Getreide, Erbsen oder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/210>, abgerufen am 23.07.2024.