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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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derben aussprachen, begann die Schlacht. Da wurde ein hitzig vertheidigter
Hügel erstürmt, der Feind in den Wald zurückgedrängt, der prächtig wiedertönte
von dem Donner der Kanonen und dem knatternden Flintenfeuer, das hinter je¬
dem Baume hervork" achte, bis der Angreifer endlich von dem erstürmten Hügel
heruntergeworfen wurde, nud Freund und Feind mit fliegenden Fahnen und klin¬
gendem Spiele das gemeinschaftliche Lager bezogen, in welchem die Regierung
von Bern die ermüdeten Krieger bewirthete. Wie beliebt diese militärischen Spiele
im Canton Bern sind, bezeugten die zahlreich anwesenden Väter und Mütter, die
es sich nicht zu sauer werden ließen, den ganzen Nachmittag durch die nassen und
tief ausgetretenen Wiesen ihren Jungen nachzufolgen. Bon dem Selbstgefühl,
das dieser frühe Gebrauch der Waffen der Jugend gibt, haben wir ein frappan¬
tes Beispiel erzählen hören. Ein Cadet hatte sich von dem Beispiele anderer
verführen lassen und schoß, als die Armee zum Auseinandergehen commandirt
wurde, auf einem öffentlichen Platze seinen- letzten Schuß los. Sein Kamerad,
ein neunjähriges Bürschchen, fuhr ihn deshalb an: "Das hätte ich nie von Dir
geglaubt, daß Du, el" Bürger der Stadt Bern, in der Stadt Dein Gewehr los¬
brennen würdest."

Aber nun sollten Schwinger und Turner mit den Sängern in der Festhütte
banquettircu; Wind und Regen umbrauseu aber die offene Hütte so unfreundlich,
daß wir die Festfeiernden ihrem Jubel überlassen und lieber zum zweiten Fest¬
tage, dem Glanzpunkte des Festes übergehen.

Hatten am Abend vorher die Demokraten von der Stücken Observanz man¬
ches zu mäkeln gehabt an dem "aristokrätelnden" Duft des Festes, hatte man sich
gestoßen an den Dreispitzcr, an dem Ausschließen aus der Festhütte, so entrun-
zelte sich heute jede Stirn, als der historische Zug mit dem bunten Farbenglanze
und in dem funkelnden Waffcnprnuke des Mittelalters die Straßen füllte. In
diesen Augenblicken verschwand der Parteihader, lautlos verschlang jedes Auge die
glänzende Schaar, und erst als die letzten Reisig,.'" um die Straßenecke ver¬
schwunden waren, vermochte die zurückgehaltene Bewunderung in begeisterten Aus¬
rufen sich Luft zu machen.

Dieser historische Zug war der Triumphzug des alten Bern, "des Saales
vieler Helden", wie es in einem alten Liede heißt. Alle die großen Helden,
welche die Berner Schaaren in den eidgenössischen Freiheitskämpfen so oft zum
Siege führten, waren in diesem Zuge vereinigt, umgeben von den vielen erober¬
ten Fahnen, Panzern, Waffen :c. Wenn heute ein Berner Herz mit raschem
Schlägen pochte und die Brust sich stolzer hob bei dem Anblicken dieser wie aus
dem Grabe zurückgekehrten Heidenzeit, wer mochte es ihm verargen; darf sich doch
der Berner rühme", eine Geschichte zu besitzen, reich an großen und stolzen
Thaten und Männern, wie wenige.

Den Zug eröffnete das mittelalterliche Bern mit den reisigen Pannerträgern


derben aussprachen, begann die Schlacht. Da wurde ein hitzig vertheidigter
Hügel erstürmt, der Feind in den Wald zurückgedrängt, der prächtig wiedertönte
von dem Donner der Kanonen und dem knatternden Flintenfeuer, das hinter je¬
dem Baume hervork» achte, bis der Angreifer endlich von dem erstürmten Hügel
heruntergeworfen wurde, nud Freund und Feind mit fliegenden Fahnen und klin¬
gendem Spiele das gemeinschaftliche Lager bezogen, in welchem die Regierung
von Bern die ermüdeten Krieger bewirthete. Wie beliebt diese militärischen Spiele
im Canton Bern sind, bezeugten die zahlreich anwesenden Väter und Mütter, die
es sich nicht zu sauer werden ließen, den ganzen Nachmittag durch die nassen und
tief ausgetretenen Wiesen ihren Jungen nachzufolgen. Bon dem Selbstgefühl,
das dieser frühe Gebrauch der Waffen der Jugend gibt, haben wir ein frappan¬
tes Beispiel erzählen hören. Ein Cadet hatte sich von dem Beispiele anderer
verführen lassen und schoß, als die Armee zum Auseinandergehen commandirt
wurde, auf einem öffentlichen Platze seinen- letzten Schuß los. Sein Kamerad,
ein neunjähriges Bürschchen, fuhr ihn deshalb an: „Das hätte ich nie von Dir
geglaubt, daß Du, el» Bürger der Stadt Bern, in der Stadt Dein Gewehr los¬
brennen würdest."

Aber nun sollten Schwinger und Turner mit den Sängern in der Festhütte
banquettircu; Wind und Regen umbrauseu aber die offene Hütte so unfreundlich,
daß wir die Festfeiernden ihrem Jubel überlassen und lieber zum zweiten Fest¬
tage, dem Glanzpunkte des Festes übergehen.

Hatten am Abend vorher die Demokraten von der Stücken Observanz man¬
ches zu mäkeln gehabt an dem „aristokrätelnden" Duft des Festes, hatte man sich
gestoßen an den Dreispitzcr, an dem Ausschließen aus der Festhütte, so entrun-
zelte sich heute jede Stirn, als der historische Zug mit dem bunten Farbenglanze
und in dem funkelnden Waffcnprnuke des Mittelalters die Straßen füllte. In
diesen Augenblicken verschwand der Parteihader, lautlos verschlang jedes Auge die
glänzende Schaar, und erst als die letzten Reisig,.'» um die Straßenecke ver¬
schwunden waren, vermochte die zurückgehaltene Bewunderung in begeisterten Aus¬
rufen sich Luft zu machen.

Dieser historische Zug war der Triumphzug des alten Bern, „des Saales
vieler Helden", wie es in einem alten Liede heißt. Alle die großen Helden,
welche die Berner Schaaren in den eidgenössischen Freiheitskämpfen so oft zum
Siege führten, waren in diesem Zuge vereinigt, umgeben von den vielen erober¬
ten Fahnen, Panzern, Waffen :c. Wenn heute ein Berner Herz mit raschem
Schlägen pochte und die Brust sich stolzer hob bei dem Anblicken dieser wie aus
dem Grabe zurückgekehrten Heidenzeit, wer mochte es ihm verargen; darf sich doch
der Berner rühme», eine Geschichte zu besitzen, reich an großen und stolzen
Thaten und Männern, wie wenige.

Den Zug eröffnete das mittelalterliche Bern mit den reisigen Pannerträgern


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[0172] derben aussprachen, begann die Schlacht. Da wurde ein hitzig vertheidigter Hügel erstürmt, der Feind in den Wald zurückgedrängt, der prächtig wiedertönte von dem Donner der Kanonen und dem knatternden Flintenfeuer, das hinter je¬ dem Baume hervork» achte, bis der Angreifer endlich von dem erstürmten Hügel heruntergeworfen wurde, nud Freund und Feind mit fliegenden Fahnen und klin¬ gendem Spiele das gemeinschaftliche Lager bezogen, in welchem die Regierung von Bern die ermüdeten Krieger bewirthete. Wie beliebt diese militärischen Spiele im Canton Bern sind, bezeugten die zahlreich anwesenden Väter und Mütter, die es sich nicht zu sauer werden ließen, den ganzen Nachmittag durch die nassen und tief ausgetretenen Wiesen ihren Jungen nachzufolgen. Bon dem Selbstgefühl, das dieser frühe Gebrauch der Waffen der Jugend gibt, haben wir ein frappan¬ tes Beispiel erzählen hören. Ein Cadet hatte sich von dem Beispiele anderer verführen lassen und schoß, als die Armee zum Auseinandergehen commandirt wurde, auf einem öffentlichen Platze seinen- letzten Schuß los. Sein Kamerad, ein neunjähriges Bürschchen, fuhr ihn deshalb an: „Das hätte ich nie von Dir geglaubt, daß Du, el» Bürger der Stadt Bern, in der Stadt Dein Gewehr los¬ brennen würdest." Aber nun sollten Schwinger und Turner mit den Sängern in der Festhütte banquettircu; Wind und Regen umbrauseu aber die offene Hütte so unfreundlich, daß wir die Festfeiernden ihrem Jubel überlassen und lieber zum zweiten Fest¬ tage, dem Glanzpunkte des Festes übergehen. Hatten am Abend vorher die Demokraten von der Stücken Observanz man¬ ches zu mäkeln gehabt an dem „aristokrätelnden" Duft des Festes, hatte man sich gestoßen an den Dreispitzcr, an dem Ausschließen aus der Festhütte, so entrun- zelte sich heute jede Stirn, als der historische Zug mit dem bunten Farbenglanze und in dem funkelnden Waffcnprnuke des Mittelalters die Straßen füllte. In diesen Augenblicken verschwand der Parteihader, lautlos verschlang jedes Auge die glänzende Schaar, und erst als die letzten Reisig,.'» um die Straßenecke ver¬ schwunden waren, vermochte die zurückgehaltene Bewunderung in begeisterten Aus¬ rufen sich Luft zu machen. Dieser historische Zug war der Triumphzug des alten Bern, „des Saales vieler Helden", wie es in einem alten Liede heißt. Alle die großen Helden, welche die Berner Schaaren in den eidgenössischen Freiheitskämpfen so oft zum Siege führten, waren in diesem Zuge vereinigt, umgeben von den vielen erober¬ ten Fahnen, Panzern, Waffen :c. Wenn heute ein Berner Herz mit raschem Schlägen pochte und die Brust sich stolzer hob bei dem Anblicken dieser wie aus dem Grabe zurückgekehrten Heidenzeit, wer mochte es ihm verargen; darf sich doch der Berner rühme», eine Geschichte zu besitzen, reich an großen und stolzen Thaten und Männern, wie wenige. Den Zug eröffnete das mittelalterliche Bern mit den reisigen Pannerträgern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/172>, abgerufen am 26.06.2024.