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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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über dieses beispiellose Unterfangen, erhoben ein lautes Geschrei, daß die Frem¬
den auf Desima lossegelten.

Der Statthalter, der jetzt für seine ganze Faktorei zu fürchten anfing, be¬
fahl allen Holländern, sich mit ihren werthvollsten Sachen in sein Haus zu flüch¬
ten, um dort wenigstens so sicher wie er selbst zu sein. Sie fanden ihn im
fürchterlichsten Zorne, und er empfieng Doeff mit den Worten: "Seid ruhig,
Oppcrhvofd, ich will Euch Eure Holländer selbst wieder zurückschaffen." Bald
darauf kam ein Brief von einem der Gekaperten, mit der Botschaft, daß das
Schiff ein englisches sei, und Lebensmittel und Wasser verlange.

Der Statthalter erklärte seine entschiedene Abneigung, dieses Verlangen zu
erfüllen, und traf mit großem Eiser Anordnungen, seinen allgemeinen Instructio-
nen gemäß, das fremde Fahrzeug zu vernichte". Zu allererst schickte er uach den
Truppe" des nächste" Postens, de" der Fürst von Fizen zu stellen hatte, und der ans
tausend Mann bestehen sollte; aber es waren nnr 30--60 Mann da, und selbst
der Befehlshaber war abwesend. Diese Unterlassungssünde dritter Personen be¬
siegelte das Schicksal des Statthalters, aber er betrieb deshalb seine Bemühungen,
die Holländer zu befreien, nicht minder energisch, und sein Plan, dies Ziel durch Unter-
handlung zu erlangen, war echt japanesisch. Sein Oberschreiber kam zu Doeff, mit der
Meldung, daß er Befehl habe, die Gefangenen zurückzubringen; und gab auf die
Frage: Wie? zur Antwort: da das Schiff sich der Holländer verräterischer Weise
bemächtigt hat, werde ich mich ganz allein an Bord begeben, und mit de" stärk¬
sten Betheuerungen der Freundschaft den Capitän zu sprechen verlangen, um von
ihm die Freilassung der Holländer zu fordern, und falls er mir sie verweigert,
erst ihn und dann mich niederstoßen." Nur die Vorstellungen Docffs, daß eine
solche That die Ermordung der Holländer durch das wüthende Schiffsvolk unfehlbar
nach sich ziehen würde, konnte den Gouverneur mit vieler Mühe von diesem aben¬
teuerlichen Plane abbringen.

Einer der gefangenen Holländer kam jetzt, auf Ehrenwort entlassen, ein's
Land, um die verlangten Lebensmittel zu holen. Er brachte die Nachricht, daß
der englische Capitän sich uach den holländischen Schiffen erkundigt, und gedroht
habe, jeden Versuch, ihn zu täuschen, mit der Hinrichtung der beiden Gefangenen
und der Verbrennung sämmtlicher Fahrzeuge in der Bucht zu bestrafen. Der
Statthalter zeigte sich im höchsten Grade abgeneigt, den an's Land Gekommenen
wieder fort zu lassen, gab aber "ach langem Zureden, des Zurückgebliebenen wegen,
nach. Er übergab ihm anch Lebensmittel und Wasser, aber eine ganz kleine
Quantität, um das Schiff hinzuhalten, bis er die Feindseligkeiten eröffnen könne.
Capitän Pellew, der sich überzeugt hatte, das; die gesuchte" Schiffe nicht in der
Bucht waren, und dem der erhaltene Proviant genügte, schickte nun die beiden
Holländer wieder an'S Land. Ihre Freilassung war für die beiden Polizeibeam¬
ten, die immer noch rathlos um das Schiff ruderten, Rettung vor sicherem Tode.


über dieses beispiellose Unterfangen, erhoben ein lautes Geschrei, daß die Frem¬
den auf Desima lossegelten.

Der Statthalter, der jetzt für seine ganze Faktorei zu fürchten anfing, be¬
fahl allen Holländern, sich mit ihren werthvollsten Sachen in sein Haus zu flüch¬
ten, um dort wenigstens so sicher wie er selbst zu sein. Sie fanden ihn im
fürchterlichsten Zorne, und er empfieng Doeff mit den Worten: „Seid ruhig,
Oppcrhvofd, ich will Euch Eure Holländer selbst wieder zurückschaffen." Bald
darauf kam ein Brief von einem der Gekaperten, mit der Botschaft, daß das
Schiff ein englisches sei, und Lebensmittel und Wasser verlange.

Der Statthalter erklärte seine entschiedene Abneigung, dieses Verlangen zu
erfüllen, und traf mit großem Eiser Anordnungen, seinen allgemeinen Instructio-
nen gemäß, das fremde Fahrzeug zu vernichte». Zu allererst schickte er uach den
Truppe» des nächste» Postens, de» der Fürst von Fizen zu stellen hatte, und der ans
tausend Mann bestehen sollte; aber es waren nnr 30—60 Mann da, und selbst
der Befehlshaber war abwesend. Diese Unterlassungssünde dritter Personen be¬
siegelte das Schicksal des Statthalters, aber er betrieb deshalb seine Bemühungen,
die Holländer zu befreien, nicht minder energisch, und sein Plan, dies Ziel durch Unter-
handlung zu erlangen, war echt japanesisch. Sein Oberschreiber kam zu Doeff, mit der
Meldung, daß er Befehl habe, die Gefangenen zurückzubringen; und gab auf die
Frage: Wie? zur Antwort: da das Schiff sich der Holländer verräterischer Weise
bemächtigt hat, werde ich mich ganz allein an Bord begeben, und mit de» stärk¬
sten Betheuerungen der Freundschaft den Capitän zu sprechen verlangen, um von
ihm die Freilassung der Holländer zu fordern, und falls er mir sie verweigert,
erst ihn und dann mich niederstoßen." Nur die Vorstellungen Docffs, daß eine
solche That die Ermordung der Holländer durch das wüthende Schiffsvolk unfehlbar
nach sich ziehen würde, konnte den Gouverneur mit vieler Mühe von diesem aben¬
teuerlichen Plane abbringen.

Einer der gefangenen Holländer kam jetzt, auf Ehrenwort entlassen, ein's
Land, um die verlangten Lebensmittel zu holen. Er brachte die Nachricht, daß
der englische Capitän sich uach den holländischen Schiffen erkundigt, und gedroht
habe, jeden Versuch, ihn zu täuschen, mit der Hinrichtung der beiden Gefangenen
und der Verbrennung sämmtlicher Fahrzeuge in der Bucht zu bestrafen. Der
Statthalter zeigte sich im höchsten Grade abgeneigt, den an's Land Gekommenen
wieder fort zu lassen, gab aber »ach langem Zureden, des Zurückgebliebenen wegen,
nach. Er übergab ihm anch Lebensmittel und Wasser, aber eine ganz kleine
Quantität, um das Schiff hinzuhalten, bis er die Feindseligkeiten eröffnen könne.
Capitän Pellew, der sich überzeugt hatte, das; die gesuchte» Schiffe nicht in der
Bucht waren, und dem der erhaltene Proviant genügte, schickte nun die beiden
Holländer wieder an'S Land. Ihre Freilassung war für die beiden Polizeibeam¬
ten, die immer noch rathlos um das Schiff ruderten, Rettung vor sicherem Tode.


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[0506] über dieses beispiellose Unterfangen, erhoben ein lautes Geschrei, daß die Frem¬ den auf Desima lossegelten. Der Statthalter, der jetzt für seine ganze Faktorei zu fürchten anfing, be¬ fahl allen Holländern, sich mit ihren werthvollsten Sachen in sein Haus zu flüch¬ ten, um dort wenigstens so sicher wie er selbst zu sein. Sie fanden ihn im fürchterlichsten Zorne, und er empfieng Doeff mit den Worten: „Seid ruhig, Oppcrhvofd, ich will Euch Eure Holländer selbst wieder zurückschaffen." Bald darauf kam ein Brief von einem der Gekaperten, mit der Botschaft, daß das Schiff ein englisches sei, und Lebensmittel und Wasser verlange. Der Statthalter erklärte seine entschiedene Abneigung, dieses Verlangen zu erfüllen, und traf mit großem Eiser Anordnungen, seinen allgemeinen Instructio- nen gemäß, das fremde Fahrzeug zu vernichte». Zu allererst schickte er uach den Truppe» des nächste» Postens, de» der Fürst von Fizen zu stellen hatte, und der ans tausend Mann bestehen sollte; aber es waren nnr 30—60 Mann da, und selbst der Befehlshaber war abwesend. Diese Unterlassungssünde dritter Personen be¬ siegelte das Schicksal des Statthalters, aber er betrieb deshalb seine Bemühungen, die Holländer zu befreien, nicht minder energisch, und sein Plan, dies Ziel durch Unter- handlung zu erlangen, war echt japanesisch. Sein Oberschreiber kam zu Doeff, mit der Meldung, daß er Befehl habe, die Gefangenen zurückzubringen; und gab auf die Frage: Wie? zur Antwort: da das Schiff sich der Holländer verräterischer Weise bemächtigt hat, werde ich mich ganz allein an Bord begeben, und mit de» stärk¬ sten Betheuerungen der Freundschaft den Capitän zu sprechen verlangen, um von ihm die Freilassung der Holländer zu fordern, und falls er mir sie verweigert, erst ihn und dann mich niederstoßen." Nur die Vorstellungen Docffs, daß eine solche That die Ermordung der Holländer durch das wüthende Schiffsvolk unfehlbar nach sich ziehen würde, konnte den Gouverneur mit vieler Mühe von diesem aben¬ teuerlichen Plane abbringen. Einer der gefangenen Holländer kam jetzt, auf Ehrenwort entlassen, ein's Land, um die verlangten Lebensmittel zu holen. Er brachte die Nachricht, daß der englische Capitän sich uach den holländischen Schiffen erkundigt, und gedroht habe, jeden Versuch, ihn zu täuschen, mit der Hinrichtung der beiden Gefangenen und der Verbrennung sämmtlicher Fahrzeuge in der Bucht zu bestrafen. Der Statthalter zeigte sich im höchsten Grade abgeneigt, den an's Land Gekommenen wieder fort zu lassen, gab aber »ach langem Zureden, des Zurückgebliebenen wegen, nach. Er übergab ihm anch Lebensmittel und Wasser, aber eine ganz kleine Quantität, um das Schiff hinzuhalten, bis er die Feindseligkeiten eröffnen könne. Capitän Pellew, der sich überzeugt hatte, das; die gesuchte» Schiffe nicht in der Bucht waren, und dem der erhaltene Proviant genügte, schickte nun die beiden Holländer wieder an'S Land. Ihre Freilassung war für die beiden Polizeibeam¬ ten, die immer noch rathlos um das Schiff ruderten, Rettung vor sicherem Tode.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/506>, abgerufen am 04.07.2024.