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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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nothwendig, c"i derselben als an der leitenden Idee festzuhalten, so lange der
östreichische Staat dem übrigen Deutschland isolirt gegenüber stand, wie etwa die
Schweiz oder die russischen Ostseeprovinzen, und durch seine diplomatische Kunst
eine" immerhin vergänglichen Einfluß aus die deutschen Kabinette ausübte. Jetzt
aber werden die praktischen Interessen Deutschlands und Oestreichs auf das Innigste
verbunden. Große Kapitalien der Deutschen werden in östreichischen Unternehmun¬
gen angelegt werden, große Credite werden hier und dort gefordert und bewilligt
werden, jede Art von geschäftlicher Intelligenz wird ans einem Staatenkvrper in
den andern übersiedeln, im Laufe der Jahre werden die Merkantilismen Interessen
beider Völkergruppeu so zusammen wachsen, daß ein gewaltsames Zerreißen un¬
möglich, oder doch im höchsten Grade gefährlich werden muß. Den praktischen
Interessen werden die gemüthlichen folgen, menschliche Beziehungen, herzliche Ver¬
hältnisse, Familienbande werden in sehr gesteigerter Zahl hüben und drüben ent¬
stehen ; und ans den zarten und doch festen Fäden dieser Verbindungen werden
auch ganz audere, als industrielle Ideen sich an Oestreich anheften und das Land
überspinnen. Viele deutsche Landwirthe, Kaufleute, industrielle Gewerbtreibende
werden in Oestreich ihre Thatkraft und ihr Wissen zu verwerthen suchen, und
norddeutsches Wesen und norddeutsche Ideale in ihre neue Heimath hereintragen.
Ueberall werden in Oestreich kleine Colonien deutscher Geister entstehen, und die
Ansichten, Stimmungen, und gemüthlichen Neigungen deS Nordens werden dort
eine lebhafte und einflußreiche Vertretung finden. Es ist unmöglich zu schätzen,
wie weit der Einfluß des protestantischen Geistes und norddeutscher Thatkraft in
Oestreich gehen wird, sicher aber ist, daß er größer sein wird, als umgekehrt die
Einwirknng der östreichischen Kräfte auf die deutschen Völker. Und als Meinung
eines Einzelne" sei hier die Vehanptnng ausgesprochen, daß dieser'deutsche Einfluß
auf Oestreich sich i" uicht lauger Zeit als so wirksam herausstellen wird, daß er
noch ganz andere Folgen nach sich ziehen muß, als eine Verbindung des östreichi¬
schen Capitals mit norddeutscher Intelligenz.

Die östreichische Regierung hat den polirischen Hintergedanken, durch die
Zolleinignng für ihre Suprematie in Deutschland el"e sichere Grundlage zu ge¬
winnen. Wohlan, das Princip der Partei, welcher auch wir angehören, muß
von jetzt ab daS Entgegengesetzte sein, die deutsche" Länder Oestreichs durch
Capital, durch Intelligenz und geschäftige Redlichkeit für den norddeutsche" Geist
zu erober". Das ist der alte Kampf auf einem neuen Terrain, und diesmal ist
der endliche Sieg kaum zweifelhaft. - - Wir werden trotz aller vermehrten Ein¬
wirkungen der kaiserlichen Regierung ans die deutschen Kabinette mit einem Er-
folge kämpfen, welcher genan entsprechen wirb dem Verhältniß, in welchem deutsche
Bildung und Kraft zu der Oestreichischen steht. Die kaiserliche Regierung hat
gewollt', daß die letzte Zeile des Arndtscheu Liedes zur Wahrheit werde: ,',DaS
ganze Deutschland soll es sein", unsere Partei wird von jetzt ab dieselbe Ueber¬
zeugung und dasselbe Prinzip annehmen müssen. Es handelt sich mir noch darum,
wer das Lied zum guten Ende singen wird, ob sie ober wir.




nothwendig, c»i derselben als an der leitenden Idee festzuhalten, so lange der
östreichische Staat dem übrigen Deutschland isolirt gegenüber stand, wie etwa die
Schweiz oder die russischen Ostseeprovinzen, und durch seine diplomatische Kunst
eine» immerhin vergänglichen Einfluß aus die deutschen Kabinette ausübte. Jetzt
aber werden die praktischen Interessen Deutschlands und Oestreichs auf das Innigste
verbunden. Große Kapitalien der Deutschen werden in östreichischen Unternehmun¬
gen angelegt werden, große Credite werden hier und dort gefordert und bewilligt
werden, jede Art von geschäftlicher Intelligenz wird ans einem Staatenkvrper in
den andern übersiedeln, im Laufe der Jahre werden die Merkantilismen Interessen
beider Völkergruppeu so zusammen wachsen, daß ein gewaltsames Zerreißen un¬
möglich, oder doch im höchsten Grade gefährlich werden muß. Den praktischen
Interessen werden die gemüthlichen folgen, menschliche Beziehungen, herzliche Ver¬
hältnisse, Familienbande werden in sehr gesteigerter Zahl hüben und drüben ent¬
stehen ; und ans den zarten und doch festen Fäden dieser Verbindungen werden
auch ganz audere, als industrielle Ideen sich an Oestreich anheften und das Land
überspinnen. Viele deutsche Landwirthe, Kaufleute, industrielle Gewerbtreibende
werden in Oestreich ihre Thatkraft und ihr Wissen zu verwerthen suchen, und
norddeutsches Wesen und norddeutsche Ideale in ihre neue Heimath hereintragen.
Ueberall werden in Oestreich kleine Colonien deutscher Geister entstehen, und die
Ansichten, Stimmungen, und gemüthlichen Neigungen deS Nordens werden dort
eine lebhafte und einflußreiche Vertretung finden. Es ist unmöglich zu schätzen,
wie weit der Einfluß des protestantischen Geistes und norddeutscher Thatkraft in
Oestreich gehen wird, sicher aber ist, daß er größer sein wird, als umgekehrt die
Einwirknng der östreichischen Kräfte auf die deutschen Völker. Und als Meinung
eines Einzelne» sei hier die Vehanptnng ausgesprochen, daß dieser'deutsche Einfluß
auf Oestreich sich i» uicht lauger Zeit als so wirksam herausstellen wird, daß er
noch ganz andere Folgen nach sich ziehen muß, als eine Verbindung des östreichi¬
schen Capitals mit norddeutscher Intelligenz.

Die östreichische Regierung hat den polirischen Hintergedanken, durch die
Zolleinignng für ihre Suprematie in Deutschland el»e sichere Grundlage zu ge¬
winnen. Wohlan, das Princip der Partei, welcher auch wir angehören, muß
von jetzt ab daS Entgegengesetzte sein, die deutsche» Länder Oestreichs durch
Capital, durch Intelligenz und geschäftige Redlichkeit für den norddeutsche» Geist
zu erober». Das ist der alte Kampf auf einem neuen Terrain, und diesmal ist
der endliche Sieg kaum zweifelhaft. - - Wir werden trotz aller vermehrten Ein¬
wirkungen der kaiserlichen Regierung ans die deutschen Kabinette mit einem Er-
folge kämpfen, welcher genan entsprechen wirb dem Verhältniß, in welchem deutsche
Bildung und Kraft zu der Oestreichischen steht. Die kaiserliche Regierung hat
gewollt', daß die letzte Zeile des Arndtscheu Liedes zur Wahrheit werde: ,',DaS
ganze Deutschland soll es sein", unsere Partei wird von jetzt ab dieselbe Ueber¬
zeugung und dasselbe Prinzip annehmen müssen. Es handelt sich mir noch darum,
wer das Lied zum guten Ende singen wird, ob sie ober wir.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/496>, abgerufen am 29.06.2024.