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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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eine Regulirung der Grundsteuer sind und eventuell mindestens die volle, zwauzig-
sache Entschädigung beanspruchen, und diejenigen, welche, zu Conzessionen bereit,
nur mit der Höhe des in §> 3 festgestellten Cntschädignugssatzes nicht einverstanden
waren. Mau hatte unzweifelhafte Beweise, daß unter deu Ministern nur die der
Finanzen, des Handels und der Justiz sich einigermaßen für den Gesetzentwurf
interessirten; die Unterstützung, die er bei dem Ministerpräsidenten fand, war
sehr lau; die Minister v. Raumer und v> Westphalen waren als entschiedene
Gegner der Regulirung bekannt, und demgemäß stimmte der größte Theil der
Beamten, namentlich der Landräthe, gegen den Gesetzentwurf. So wurde das
Ministerium nur scheinbar von seine" eigenen Truppen geschlagen; die Meuterei
im ministeriellen Lager war an einigen Orten -- um nicht mehr zu sagen --
sehr erwünscht, Herr v. Vincke nahm aus diesem unerfreulichen Schauspiel Ver-
anlassung zu einer satyrischen Lobrede auf die Unabhängigkeit des Votums, welche
die Beamten durch diese Abstimmung gegen das Ministerium documentirt hätten;
er sagte deu Minister, v. Raumer und Westphalen Dank dasür, daß sie durch
ihre Nichtbetheiliguug bei der Abstimmung das Signal zu dieser Unabhängigkeit
gegeben hätten, und beschwor sie, die oppositionellen Landräthe dieses Votums
wegen nicht, wie diejenigen, die gegen das Preßgesetz gestimmt hätten, zur
Disposition zu stellen . . . Diese gelungene Apostrophe erregte die lauteste Heiter¬
keit, selbst uuter der Rechte"; der Jubel verjüngen Landräthe bezeugte, daß sie
wohl wußten, wem sie durch ihr Votum gedient hatten; anch Herr v. Westphalen
stimmte in seiner Siegesfreude in die Heiterkeit der kräftigen Phalanx ein, die
er durch die Ordre, bei deu Wahlen "die conservative Fahne hoch zu halten,"
in die Kammer gebracht hatte und die jetzt gegen seinen College", de" Finanz-
minister, in's Feld gerückt war. Nur der Ministerpräsident schaute finster auf
diese Bloßlegung eines bösen Schadens in unsern politischen Verhältnissen; es
schien ihn zu verdrieße", daß die Behauptungen über einen Widerstreit und ein
schlimmes Julrigucnspiel im Schoße des Ministeriums durch die unwillkürliche
Heiterkeit, mit der die ministerielle Partei auf v. Vincke's Ironie einging, den
Stempel der Gewißheit erhielte". Aber was hilft der finstere Blick, ..die saure
Miene? Wenn die Gruudsteuervorlageu uur ein Schattenspiel sein sollte",
warum soll man dann mit pedantischen Ernst darüber trauern, daß es in sein
Nichts verflogen? und wenn sie Ernst sein sollten, -- nnn, so wußte ja Herr
v. Manteuffel, wie wenig es nothwendig war, ernste Jntentionen durch
seiue gegnerischen College" Paralysiren zu lassen. Sobald es sich um Entwürfe
handelt, welche der Minister des Jnnern vorlegt, unterläßt dieser nie, dafür
Sorge zu tragen, daß bei der Abstimmung keiner der stimmberechtigten Herren
Minister fehle! und das ganze Beamtenheer stimmt dann immer für das Mini¬
sterium wie Ein Mauuu; insonderheit dem Herr" Ministerpräsidenten wird dann
nicht die Pönitenz erspart, von den ministeriellen Abgeordneten die maßlosesten


eine Regulirung der Grundsteuer sind und eventuell mindestens die volle, zwauzig-
sache Entschädigung beanspruchen, und diejenigen, welche, zu Conzessionen bereit,
nur mit der Höhe des in §> 3 festgestellten Cntschädignugssatzes nicht einverstanden
waren. Mau hatte unzweifelhafte Beweise, daß unter deu Ministern nur die der
Finanzen, des Handels und der Justiz sich einigermaßen für den Gesetzentwurf
interessirten; die Unterstützung, die er bei dem Ministerpräsidenten fand, war
sehr lau; die Minister v. Raumer und v> Westphalen waren als entschiedene
Gegner der Regulirung bekannt, und demgemäß stimmte der größte Theil der
Beamten, namentlich der Landräthe, gegen den Gesetzentwurf. So wurde das
Ministerium nur scheinbar von seine» eigenen Truppen geschlagen; die Meuterei
im ministeriellen Lager war an einigen Orten — um nicht mehr zu sagen —
sehr erwünscht, Herr v. Vincke nahm aus diesem unerfreulichen Schauspiel Ver-
anlassung zu einer satyrischen Lobrede auf die Unabhängigkeit des Votums, welche
die Beamten durch diese Abstimmung gegen das Ministerium documentirt hätten;
er sagte deu Minister, v. Raumer und Westphalen Dank dasür, daß sie durch
ihre Nichtbetheiliguug bei der Abstimmung das Signal zu dieser Unabhängigkeit
gegeben hätten, und beschwor sie, die oppositionellen Landräthe dieses Votums
wegen nicht, wie diejenigen, die gegen das Preßgesetz gestimmt hätten, zur
Disposition zu stellen . . . Diese gelungene Apostrophe erregte die lauteste Heiter¬
keit, selbst uuter der Rechte»; der Jubel verjüngen Landräthe bezeugte, daß sie
wohl wußten, wem sie durch ihr Votum gedient hatten; anch Herr v. Westphalen
stimmte in seiner Siegesfreude in die Heiterkeit der kräftigen Phalanx ein, die
er durch die Ordre, bei deu Wahlen „die conservative Fahne hoch zu halten,"
in die Kammer gebracht hatte und die jetzt gegen seinen College», de» Finanz-
minister, in's Feld gerückt war. Nur der Ministerpräsident schaute finster auf
diese Bloßlegung eines bösen Schadens in unsern politischen Verhältnissen; es
schien ihn zu verdrieße», daß die Behauptungen über einen Widerstreit und ein
schlimmes Julrigucnspiel im Schoße des Ministeriums durch die unwillkürliche
Heiterkeit, mit der die ministerielle Partei auf v. Vincke's Ironie einging, den
Stempel der Gewißheit erhielte». Aber was hilft der finstere Blick, ..die saure
Miene? Wenn die Gruudsteuervorlageu uur ein Schattenspiel sein sollte»,
warum soll man dann mit pedantischen Ernst darüber trauern, daß es in sein
Nichts verflogen? und wenn sie Ernst sein sollten, — nnn, so wußte ja Herr
v. Manteuffel, wie wenig es nothwendig war, ernste Jntentionen durch
seiue gegnerischen College» Paralysiren zu lassen. Sobald es sich um Entwürfe
handelt, welche der Minister des Jnnern vorlegt, unterläßt dieser nie, dafür
Sorge zu tragen, daß bei der Abstimmung keiner der stimmberechtigten Herren
Minister fehle! und das ganze Beamtenheer stimmt dann immer für das Mini¬
sterium wie Ein Mauuu; insonderheit dem Herr» Ministerpräsidenten wird dann
nicht die Pönitenz erspart, von den ministeriellen Abgeordneten die maßlosesten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/490>, abgerufen am 24.07.2024.