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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Farbeskizzcn gesehen hat, so erstaunt man billig, wie er es zugeben konnte, daß
die meistens trefflich erfaßten Portraitköpfe derselben mit solcher Rohheit und
Stumpfheit auf die Mauer gebracht wurden, als es bei der größern Anzahl ge¬
schehen ist. Noch schlimmer ist dies bei den allegorischen Figuren, der Malerei,
Sculptur, Erzgießerei 2c., die allerdings auch in ihrer Erfindung theilweise sehr
ärmlich und dürftig erscheinen. -- Wenn die drei ins Kamin gesperrten Grazien
so ruppige Frauenzimmer waren, so konnten sie Cornelius, Overbeck und Veith
ganz ruhig dem Ungeheuer des Zopfes überlassen und sich irgendwo bessere suchen,
könnte man mit Fug und Recht sage". -- Eben so wird Niemand durch die dar¬
gestellten Gruppen italienischer Landleute mit ihren gezwungenen und verrenkten
Stellungen eine sonderliche Vorstellung vom wunderbar plastischen Reiz jenes
Volkslebens bekommen, die kleinste Vergleichung mit Leopold Robert's unnach-
ahmlichen dichterischen Compositionen wird den großen Abstand deutlich machen,
indem der deutsche Künstler durch seine Flüchtigkeit hinter einem der angeblich so
leichtsinnigen Franzosen zurückgeblieben ist. -- Rühmend anerkannt werden muß
dagegen der Fortschritt in der Färbung, der sich hier kund thut, und eine Rich¬
tung zu einer einfachern und solidem Weise anzeigt als früher, wenn sie anch
immer noch ziemlich weit von der Klarheit und Feinheit selbst eines Piulmuchiv
entfernt sein möchte. --

Wenn ich nun trotz der innern Kälte, dem reflectirten gemachten Wesen, der
koketten Natur, trotz der Flüchtigkeit und Lieblosigkeit, die uns bei der größern
Zahl der Kaulbach'schen Arbeiten nicht zu rechtem Genuß kommen läßt, trotz dem
Mangel einer eigenthümlichen Formengebung, die uns verhindert, seine Figuren
unserm Gedächtniß tief einzuprägen, während die des Cornelius, Schwind, Over¬
beck, Genelli sich wie mit eisernen Klammern in unser Gedächtniß graben, wenn
ich trotz alle dem ihm noch eine bedeutende Zukunft zutraue, glaube, daß wir
seiue besten Leistungen "och zu erwarten haben, sobald er zu größerer Einfachheit
von dem Streben, Alles zu überbieten, zurückgekehrt sein wird, so ist dies nicht
nnr, weil ich an diesem rastlosen Künstler überall einen beständigen UmwandlnngS-
proceß vor sich gehen sehe, weil ich ihn noch auf voller Höhe seiner Kraft weiß,
sondern auch weil vorauszusetzen ist, daß einem so geistreichen Kopfe nicht entgehen
kann, wie Leonardo die Menschheit mit einem einzigen Bilde mehr bereichert, sich
selber eine höhere Stellung errungen hat, als z. B. der begabte Knoller mit
Hunderten, und ich den Kern seiner Seele und seines Talents für groß und gesund
halten muß, trotz Allem, was das Leben daran angesäumt und angefressen haben
mag.




Farbeskizzcn gesehen hat, so erstaunt man billig, wie er es zugeben konnte, daß
die meistens trefflich erfaßten Portraitköpfe derselben mit solcher Rohheit und
Stumpfheit auf die Mauer gebracht wurden, als es bei der größern Anzahl ge¬
schehen ist. Noch schlimmer ist dies bei den allegorischen Figuren, der Malerei,
Sculptur, Erzgießerei 2c., die allerdings auch in ihrer Erfindung theilweise sehr
ärmlich und dürftig erscheinen. — Wenn die drei ins Kamin gesperrten Grazien
so ruppige Frauenzimmer waren, so konnten sie Cornelius, Overbeck und Veith
ganz ruhig dem Ungeheuer des Zopfes überlassen und sich irgendwo bessere suchen,
könnte man mit Fug und Recht sage». — Eben so wird Niemand durch die dar¬
gestellten Gruppen italienischer Landleute mit ihren gezwungenen und verrenkten
Stellungen eine sonderliche Vorstellung vom wunderbar plastischen Reiz jenes
Volkslebens bekommen, die kleinste Vergleichung mit Leopold Robert's unnach-
ahmlichen dichterischen Compositionen wird den großen Abstand deutlich machen,
indem der deutsche Künstler durch seine Flüchtigkeit hinter einem der angeblich so
leichtsinnigen Franzosen zurückgeblieben ist. — Rühmend anerkannt werden muß
dagegen der Fortschritt in der Färbung, der sich hier kund thut, und eine Rich¬
tung zu einer einfachern und solidem Weise anzeigt als früher, wenn sie anch
immer noch ziemlich weit von der Klarheit und Feinheit selbst eines Piulmuchiv
entfernt sein möchte. —

Wenn ich nun trotz der innern Kälte, dem reflectirten gemachten Wesen, der
koketten Natur, trotz der Flüchtigkeit und Lieblosigkeit, die uns bei der größern
Zahl der Kaulbach'schen Arbeiten nicht zu rechtem Genuß kommen läßt, trotz dem
Mangel einer eigenthümlichen Formengebung, die uns verhindert, seine Figuren
unserm Gedächtniß tief einzuprägen, während die des Cornelius, Schwind, Over¬
beck, Genelli sich wie mit eisernen Klammern in unser Gedächtniß graben, wenn
ich trotz alle dem ihm noch eine bedeutende Zukunft zutraue, glaube, daß wir
seiue besten Leistungen »och zu erwarten haben, sobald er zu größerer Einfachheit
von dem Streben, Alles zu überbieten, zurückgekehrt sein wird, so ist dies nicht
nnr, weil ich an diesem rastlosen Künstler überall einen beständigen UmwandlnngS-
proceß vor sich gehen sehe, weil ich ihn noch auf voller Höhe seiner Kraft weiß,
sondern auch weil vorauszusetzen ist, daß einem so geistreichen Kopfe nicht entgehen
kann, wie Leonardo die Menschheit mit einem einzigen Bilde mehr bereichert, sich
selber eine höhere Stellung errungen hat, als z. B. der begabte Knoller mit
Hunderten, und ich den Kern seiner Seele und seines Talents für groß und gesund
halten muß, trotz Allem, was das Leben daran angesäumt und angefressen haben
mag.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/469>, abgerufen am 24.07.2024.