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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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durch ihren Haß gegen die Executiv - Commission l'lind gemacht. Sie behandelte
durch das Organ des Herrn Hresnean die bonapartistische Konspiration als
Chimäre; sie erklärte, daß in diesem Augenblicke eine legitime Bewegung im
Volke obwalte, dieses prvtestire nicht gegen die Regierung, sondern gegen die
Abwesenheit einer Regierung. Einige aufrichtige Männer sprachen im Namen
des Rechts, andere erklärten, daß sie die Republik vertrauensvoll und großmüthig
zu sehen wünschten. Louis Blank sprach sich in diesem Sinne ans, er sehe, sagte
er, in der Wahl Louis Bonaparte's keine ernste Gefahr für die Republik. "Wissen
sie übrigens ein einfaches Mittel, Louis Bonaparte zu verhindern, zur Präsident¬
schaft zu gelangen? Schreiben Sie in Ihre Konstitution folgenden Artikel: In
der am 24. Februar gegründeten französischen Republik giebt es keinen Präsiden¬
ten." Allein die Nationalversammlung wollte sich durch eine starke Gewalt be¬
schützen, sie strebte nach einer persönlichen Regierung. Obgleich ihren Absichten
nach republikanisch, blieb sie in diesem Punkte bei der monarchischen Tradition und
begriff die Gewalt blos in der Personalirät. Der Vorschlag, die Präsidentschaft
abzuschaffen, verstieß daher ohne Nothwendigkeit und ohne ü, propos gegen die
allgemeine Stimmung.

Ledru Nollin war weit politischer als Louis Blanc, er hielt den unbestimmten
Allgemeinheiten seiner Kollegen bestimmte Thatsachen entgegen. Er versicherte,
daß einer begonnenen Untersuchung zufolge Geldvertheilnngeu und Geschenke an
Wein im Namen des Kaisers geschehen seien. "Es geschehen Werbungen für
eine neue kaiserliche Garde> die Conspiration in der Umgebung deS Prinzen ist
offenbar aus den Thatsachen, die ihn drängen, ans den Parteien, die sich seines
Namens bedienen." Und er schloß mit der Bitte, die Nationalversammlung möge
Blutvergießen verhüten und zeitweilig ein Gesetz der Nothwendigkeit voll¬
ziehen lassen. Ledru Rollin spricht mit viel Sinn und Kraft, seine Sprache ist
jene der Vernunft, allem Ledru Nollin ist unpopulär in der Versammlung, wie
Louis Blanc, wie Herr von Lamartine. Alles, was er bei einer stark gegen ihn
eingenommenen Majorität erzielen kann, ist, daß diese einen Augenblick schwankt.
Diese unmerkliche Bewegung der Gemüther erlauschend, besteigt Herr Bonjean,
ein Anhänger des Prinzen, die Tribune und verliest einen Brief Louis Bona¬
parte's, der vom 23. Mai aus London datirt ist. Die Nationalversammlung
hatte sich geweigert, diesen Brief in der Sitzung anzuhören, in welcher die
Schreiben des Prinzen Joinville und des Herzogs von Anmale verlesen wurden,
aber seither haben sich die Zeiten geändert. Man wußte aus Erfahrung, daß
der Name des Prinzen Joinville nnr wenig Wiederhall in den Massen erweckte.
Die Rechte hatte begriffen, daß sie keine Waffe gegen die Republik daraus
machen kounte, und sie wollte prüfen, welcher Vortheil aus dem Namen Bona¬
parte's zu ziehen wäre.


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durch ihren Haß gegen die Executiv - Commission l'lind gemacht. Sie behandelte
durch das Organ des Herrn Hresnean die bonapartistische Konspiration als
Chimäre; sie erklärte, daß in diesem Augenblicke eine legitime Bewegung im
Volke obwalte, dieses prvtestire nicht gegen die Regierung, sondern gegen die
Abwesenheit einer Regierung. Einige aufrichtige Männer sprachen im Namen
des Rechts, andere erklärten, daß sie die Republik vertrauensvoll und großmüthig
zu sehen wünschten. Louis Blank sprach sich in diesem Sinne ans, er sehe, sagte
er, in der Wahl Louis Bonaparte's keine ernste Gefahr für die Republik. „Wissen
sie übrigens ein einfaches Mittel, Louis Bonaparte zu verhindern, zur Präsident¬
schaft zu gelangen? Schreiben Sie in Ihre Konstitution folgenden Artikel: In
der am 24. Februar gegründeten französischen Republik giebt es keinen Präsiden¬
ten." Allein die Nationalversammlung wollte sich durch eine starke Gewalt be¬
schützen, sie strebte nach einer persönlichen Regierung. Obgleich ihren Absichten
nach republikanisch, blieb sie in diesem Punkte bei der monarchischen Tradition und
begriff die Gewalt blos in der Personalirät. Der Vorschlag, die Präsidentschaft
abzuschaffen, verstieß daher ohne Nothwendigkeit und ohne ü, propos gegen die
allgemeine Stimmung.

Ledru Nollin war weit politischer als Louis Blanc, er hielt den unbestimmten
Allgemeinheiten seiner Kollegen bestimmte Thatsachen entgegen. Er versicherte,
daß einer begonnenen Untersuchung zufolge Geldvertheilnngeu und Geschenke an
Wein im Namen des Kaisers geschehen seien. „Es geschehen Werbungen für
eine neue kaiserliche Garde> die Conspiration in der Umgebung deS Prinzen ist
offenbar aus den Thatsachen, die ihn drängen, ans den Parteien, die sich seines
Namens bedienen." Und er schloß mit der Bitte, die Nationalversammlung möge
Blutvergießen verhüten und zeitweilig ein Gesetz der Nothwendigkeit voll¬
ziehen lassen. Ledru Rollin spricht mit viel Sinn und Kraft, seine Sprache ist
jene der Vernunft, allem Ledru Nollin ist unpopulär in der Versammlung, wie
Louis Blanc, wie Herr von Lamartine. Alles, was er bei einer stark gegen ihn
eingenommenen Majorität erzielen kann, ist, daß diese einen Augenblick schwankt.
Diese unmerkliche Bewegung der Gemüther erlauschend, besteigt Herr Bonjean,
ein Anhänger des Prinzen, die Tribune und verliest einen Brief Louis Bona¬
parte's, der vom 23. Mai aus London datirt ist. Die Nationalversammlung
hatte sich geweigert, diesen Brief in der Sitzung anzuhören, in welcher die
Schreiben des Prinzen Joinville und des Herzogs von Anmale verlesen wurden,
aber seither haben sich die Zeiten geändert. Man wußte aus Erfahrung, daß
der Name des Prinzen Joinville nnr wenig Wiederhall in den Massen erweckte.
Die Rechte hatte begriffen, daß sie keine Waffe gegen die Republik daraus
machen kounte, und sie wollte prüfen, welcher Vortheil aus dem Namen Bona¬
parte's zu ziehen wäre.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/425>, abgerufen am 24.07.2024.