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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Negierung, d. h. eine solche besitzt, die aus der Majorität der Landesvertretung
hervorgeht. Diese letztere besteht nur aus einer Kammer, was bei sehr kleinen
Staaten jedenfalls dem complicirteren constitutionellen Mechanismus vorzuziehen ist,
dessen größere Staaten nicht entbehren können. Das Wahlrecht dieser Kammer
ist, wenn nicht unbeschränkt, was ich nicht genan weiß und nicht eben geneigt
wäre, vortrefflich zu finden, so doch ans sehr breiter Grundlage. Die Preß-
freiheit, die auf Geschworncneinrichtungen basirte Justiz, die Garantien der Bürger
gegen polizeiliche Willkür -- sind Alles noch jene Märzerrungenschaften, die sonst
in ganz Deutschland der Strom der Reaction völlig hinweggeschwemmt hat.
Haussuchungen, Answcisnngen und andere polizeiliche Maßregelnngen trifft man
in dieser kleinen unglücklichen Oase politischer Freiheit nicht an. Allerdings hat
der hohe Bundestag oder wenigstens der letzte Präsident desselben, Graf Thun,
bereits seiner Zeit über dergleichen "revolutionaire Zustände" dem Luxemburgi¬
schen Gesandten am deutschen Bunde sein entschiedenes Mißfallen ausgesprochen
und die Ermahnung hinzugefügt, die nöthige" "Reformen" selbst vorzunehmen,
um dem Einschreiten des Bundes zuvorzukommen. Wir zweifeln auch nicht, daß
Herr v. Prokesch-Osten, sollte er sich einmal an L. erinnern, dieselben freundschaft¬
lichen Wünsche, wie sein Vorgänger, für dessen Rettung aus der Anarchie docu-
mentiren wird; da das Ländchen aber geographisch so entlegen ist, um die An¬
steckung weniger gefährlich zu machen und auch sein fast französisch zu nennendes
Staatswesen die Schmach so unsittlich revolutionairer Institutionell weniger em¬
pfindlich für Deutschland macht, so hat es Aussicht, falls sein Herrscher, wie man
hoffen darf, uicht die Initiative am Bunde ergreift, im Besitz seiner glücklichen
Anarchie zu bleiben.

Die Parteien spiegeln hier, im Kleinen, das getreue Bild des benachbarten
Belgiens ab, wie denn überhaupt Luxemburg wie ein Bruchstück desselben erscheint,
das durch eine politische Revolution von seinem größeren Ganzen abgesplittert
worden ist. Die Katholischen und Liberalen fechten ans dem beschränkten Theater
des Großherzogthums ihre Kämpfe, die dem Sturme in einer Kaffeetasse freilich
nicht ganz unähnlich sind, mit nicht geringerer Erbitterung ans, als in dem flä¬
misch-wallonischen Königreiche. Die liberale Partei, deren zwei Hanptführer die
Gebrüder Metz sind, ist seit einigen Jahren im Besitz der Herrschaft; der eine der
Metz ist Präsident der Kammer, der andere das wichtigste Mitglied der Ver¬
waltung, deren Mitglieder den Titel Generaladministratoren führen, und deren
Vorsitzender Herr Vilmar ist.

L. besitzt auch eine ziemlich zahlreiche Localpresse, wenn gleich, wie es bei
einem kleinen, und von allen Communicationen mit dem großen Welttheater ab¬
geschnittenen Lande nicht anders sein kann, die Leistungen derselben weder von
großem Talent noch höhern politischen Anschauungen Zeugniß geben. Das Haupt-
blatt der Courier av I.ouxomdourA ist nur französisch geschrieben. Er giebt die


Negierung, d. h. eine solche besitzt, die aus der Majorität der Landesvertretung
hervorgeht. Diese letztere besteht nur aus einer Kammer, was bei sehr kleinen
Staaten jedenfalls dem complicirteren constitutionellen Mechanismus vorzuziehen ist,
dessen größere Staaten nicht entbehren können. Das Wahlrecht dieser Kammer
ist, wenn nicht unbeschränkt, was ich nicht genan weiß und nicht eben geneigt
wäre, vortrefflich zu finden, so doch ans sehr breiter Grundlage. Die Preß-
freiheit, die auf Geschworncneinrichtungen basirte Justiz, die Garantien der Bürger
gegen polizeiliche Willkür — sind Alles noch jene Märzerrungenschaften, die sonst
in ganz Deutschland der Strom der Reaction völlig hinweggeschwemmt hat.
Haussuchungen, Answcisnngen und andere polizeiliche Maßregelnngen trifft man
in dieser kleinen unglücklichen Oase politischer Freiheit nicht an. Allerdings hat
der hohe Bundestag oder wenigstens der letzte Präsident desselben, Graf Thun,
bereits seiner Zeit über dergleichen „revolutionaire Zustände" dem Luxemburgi¬
schen Gesandten am deutschen Bunde sein entschiedenes Mißfallen ausgesprochen
und die Ermahnung hinzugefügt, die nöthige» „Reformen" selbst vorzunehmen,
um dem Einschreiten des Bundes zuvorzukommen. Wir zweifeln auch nicht, daß
Herr v. Prokesch-Osten, sollte er sich einmal an L. erinnern, dieselben freundschaft¬
lichen Wünsche, wie sein Vorgänger, für dessen Rettung aus der Anarchie docu-
mentiren wird; da das Ländchen aber geographisch so entlegen ist, um die An¬
steckung weniger gefährlich zu machen und auch sein fast französisch zu nennendes
Staatswesen die Schmach so unsittlich revolutionairer Institutionell weniger em¬
pfindlich für Deutschland macht, so hat es Aussicht, falls sein Herrscher, wie man
hoffen darf, uicht die Initiative am Bunde ergreift, im Besitz seiner glücklichen
Anarchie zu bleiben.

Die Parteien spiegeln hier, im Kleinen, das getreue Bild des benachbarten
Belgiens ab, wie denn überhaupt Luxemburg wie ein Bruchstück desselben erscheint,
das durch eine politische Revolution von seinem größeren Ganzen abgesplittert
worden ist. Die Katholischen und Liberalen fechten ans dem beschränkten Theater
des Großherzogthums ihre Kämpfe, die dem Sturme in einer Kaffeetasse freilich
nicht ganz unähnlich sind, mit nicht geringerer Erbitterung ans, als in dem flä¬
misch-wallonischen Königreiche. Die liberale Partei, deren zwei Hanptführer die
Gebrüder Metz sind, ist seit einigen Jahren im Besitz der Herrschaft; der eine der
Metz ist Präsident der Kammer, der andere das wichtigste Mitglied der Ver¬
waltung, deren Mitglieder den Titel Generaladministratoren führen, und deren
Vorsitzender Herr Vilmar ist.

L. besitzt auch eine ziemlich zahlreiche Localpresse, wenn gleich, wie es bei
einem kleinen, und von allen Communicationen mit dem großen Welttheater ab¬
geschnittenen Lande nicht anders sein kann, die Leistungen derselben weder von
großem Talent noch höhern politischen Anschauungen Zeugniß geben. Das Haupt-
blatt der Courier av I.ouxomdourA ist nur französisch geschrieben. Er giebt die


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[0416] Negierung, d. h. eine solche besitzt, die aus der Majorität der Landesvertretung hervorgeht. Diese letztere besteht nur aus einer Kammer, was bei sehr kleinen Staaten jedenfalls dem complicirteren constitutionellen Mechanismus vorzuziehen ist, dessen größere Staaten nicht entbehren können. Das Wahlrecht dieser Kammer ist, wenn nicht unbeschränkt, was ich nicht genan weiß und nicht eben geneigt wäre, vortrefflich zu finden, so doch ans sehr breiter Grundlage. Die Preß- freiheit, die auf Geschworncneinrichtungen basirte Justiz, die Garantien der Bürger gegen polizeiliche Willkür — sind Alles noch jene Märzerrungenschaften, die sonst in ganz Deutschland der Strom der Reaction völlig hinweggeschwemmt hat. Haussuchungen, Answcisnngen und andere polizeiliche Maßregelnngen trifft man in dieser kleinen unglücklichen Oase politischer Freiheit nicht an. Allerdings hat der hohe Bundestag oder wenigstens der letzte Präsident desselben, Graf Thun, bereits seiner Zeit über dergleichen „revolutionaire Zustände" dem Luxemburgi¬ schen Gesandten am deutschen Bunde sein entschiedenes Mißfallen ausgesprochen und die Ermahnung hinzugefügt, die nöthige» „Reformen" selbst vorzunehmen, um dem Einschreiten des Bundes zuvorzukommen. Wir zweifeln auch nicht, daß Herr v. Prokesch-Osten, sollte er sich einmal an L. erinnern, dieselben freundschaft¬ lichen Wünsche, wie sein Vorgänger, für dessen Rettung aus der Anarchie docu- mentiren wird; da das Ländchen aber geographisch so entlegen ist, um die An¬ steckung weniger gefährlich zu machen und auch sein fast französisch zu nennendes Staatswesen die Schmach so unsittlich revolutionairer Institutionell weniger em¬ pfindlich für Deutschland macht, so hat es Aussicht, falls sein Herrscher, wie man hoffen darf, uicht die Initiative am Bunde ergreift, im Besitz seiner glücklichen Anarchie zu bleiben. Die Parteien spiegeln hier, im Kleinen, das getreue Bild des benachbarten Belgiens ab, wie denn überhaupt Luxemburg wie ein Bruchstück desselben erscheint, das durch eine politische Revolution von seinem größeren Ganzen abgesplittert worden ist. Die Katholischen und Liberalen fechten ans dem beschränkten Theater des Großherzogthums ihre Kämpfe, die dem Sturme in einer Kaffeetasse freilich nicht ganz unähnlich sind, mit nicht geringerer Erbitterung ans, als in dem flä¬ misch-wallonischen Königreiche. Die liberale Partei, deren zwei Hanptführer die Gebrüder Metz sind, ist seit einigen Jahren im Besitz der Herrschaft; der eine der Metz ist Präsident der Kammer, der andere das wichtigste Mitglied der Ver¬ waltung, deren Mitglieder den Titel Generaladministratoren führen, und deren Vorsitzender Herr Vilmar ist. L. besitzt auch eine ziemlich zahlreiche Localpresse, wenn gleich, wie es bei einem kleinen, und von allen Communicationen mit dem großen Welttheater ab¬ geschnittenen Lande nicht anders sein kann, die Leistungen derselben weder von großem Talent noch höhern politischen Anschauungen Zeugniß geben. Das Haupt- blatt der Courier av I.ouxomdourA ist nur französisch geschrieben. Er giebt die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/416>, abgerufen am 28.12.2024.