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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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bewiesen zu haben, es genügt auch nicht der Nachweis, daß die Elemente dieser
theoretisch angeblich vortrefflichen Kammer in Preußen genügend vorhanden seien,
es müssen vor Allem die anderweitigen Folgen erwogen werden welche die be¬
absichtigte Umänderung nach sich ziehen würde. Obwol der Theil der Con-
stitutionellen, der seine Zustimmung dazu versagte, keineswegs in den beiden
ersten Punkten mit den Aufstellungen derer, welche das sogenannte Pairieproject
vertheidigten, einverstanden war, so war es doch hauptsächlich die letzte Rücksicht,
welche sein Votum bestimmte.

Die zum Ueberdruß erörterte Frage, ob ein erbliches Oberhaus eine in der
constitutionellen Monarchie nicht zu entbehrende Institution sei, darf um so eher
hier Übergängen werden, als es sich gar nicht darum handelt, eine nur erbliche
Kammer an Stelle einer wählbaren oder doch nnr zum Theil erblichen zu setzen,
sondern wenn man daS Abänderungsprvject mit den jetzt geltenden Bestimmungen
der Verfassung vergleicht, darum, den schon vorhandenen erbliche" Mitgliedern statt
der gewählten lebenslängliche beizufügen. Die in Folge der königl. Botschaft
vom 7. Januar 18!i0 beschlossenen K§. 63--ö8 setzen eine Kammer ein, die ans
90 Abgeordneten, gewählt von den je 30 höchst Besteuerten jedes Wahlkreises,
30 Abgeordneten der größeren Städte, den königlichen Prinzen, erblichen vom
Könige ernannten Pairs und lebenslänglichen vom Könige ernannten Mitgliedern
besteht, mit der Bedingung, daß die Zahl der 120 Gewählten von der Gesammt-
zahl der Neblige" nicht überschritten werden, und daß die Zahl der lebensläng¬
lichen Mitglieder nicht mehr als den zehnten Theil der königlichen Prinzen und
der erblichen bilden dürfe. Es geht hieraus hervor, daß die Krone 80 -- 90
erbliche Pairs (die Neichsuumittclbareu eingeschlossen, die es ipso Mro sind)
ernenne" kauu, und wer mit den preußischen Verhältnissen einigermaßen bekannt
ist, wird zugebe", daß sich schwerlich mehr große Grundbesitzer finden möchten,
die eines so großen Vermögens sich erfreuen, als zur standesmäßigen Aufrecht-
haltung der Pairie erforderlich ist, falls die Institution nicht zur völligen Spie¬
lerei herabsinken soll. Denn das Hauptargument, das für sie angeführt wird,
die Unabhängigkeit eines erblichen Gesetzgebers, kann doch höchstens dann Platz
greifen, wenn die Privatverhältnisse dieses Gesetzgebers der Art sind, um ihn
über die Gunst oder Ungunst der Regierenden zu erheben. Macht man aber
Grundbesitzer mit mittelmäßigen Einkünften zu erblichen Pairs, deren Sohne
ihre Versorgung im Staatsdienst suchen müssen, so würden die die Kräfte des
Inhabers übersteigenden Anforderungen seiner Stellung ihn abhängiger machen,
als er es früher war. Hält man selbst die Doctrin einer erblichen erste"
Kammer für unfehlbar, so macht man doch einen Mann nicht unabhängig, indem
man ihn zum erblichen Gesetzgeber ernennt, sondern man macht einen unabhängige"
Gesetzgeber, wenn man eine" Mann, der Eigenthümer eines großen feste" Be¬
sitzes ist, mit dieser erbliche" Function bekleidet. Die Herrenkurie des vereinig-


bewiesen zu haben, es genügt auch nicht der Nachweis, daß die Elemente dieser
theoretisch angeblich vortrefflichen Kammer in Preußen genügend vorhanden seien,
es müssen vor Allem die anderweitigen Folgen erwogen werden welche die be¬
absichtigte Umänderung nach sich ziehen würde. Obwol der Theil der Con-
stitutionellen, der seine Zustimmung dazu versagte, keineswegs in den beiden
ersten Punkten mit den Aufstellungen derer, welche das sogenannte Pairieproject
vertheidigten, einverstanden war, so war es doch hauptsächlich die letzte Rücksicht,
welche sein Votum bestimmte.

Die zum Ueberdruß erörterte Frage, ob ein erbliches Oberhaus eine in der
constitutionellen Monarchie nicht zu entbehrende Institution sei, darf um so eher
hier Übergängen werden, als es sich gar nicht darum handelt, eine nur erbliche
Kammer an Stelle einer wählbaren oder doch nnr zum Theil erblichen zu setzen,
sondern wenn man daS Abänderungsprvject mit den jetzt geltenden Bestimmungen
der Verfassung vergleicht, darum, den schon vorhandenen erbliche» Mitgliedern statt
der gewählten lebenslängliche beizufügen. Die in Folge der königl. Botschaft
vom 7. Januar 18!i0 beschlossenen K§. 63—ö8 setzen eine Kammer ein, die ans
90 Abgeordneten, gewählt von den je 30 höchst Besteuerten jedes Wahlkreises,
30 Abgeordneten der größeren Städte, den königlichen Prinzen, erblichen vom
Könige ernannten Pairs und lebenslänglichen vom Könige ernannten Mitgliedern
besteht, mit der Bedingung, daß die Zahl der 120 Gewählten von der Gesammt-
zahl der Neblige» nicht überschritten werden, und daß die Zahl der lebensläng¬
lichen Mitglieder nicht mehr als den zehnten Theil der königlichen Prinzen und
der erblichen bilden dürfe. Es geht hieraus hervor, daß die Krone 80 — 90
erbliche Pairs (die Neichsuumittclbareu eingeschlossen, die es ipso Mro sind)
ernenne» kauu, und wer mit den preußischen Verhältnissen einigermaßen bekannt
ist, wird zugebe», daß sich schwerlich mehr große Grundbesitzer finden möchten,
die eines so großen Vermögens sich erfreuen, als zur standesmäßigen Aufrecht-
haltung der Pairie erforderlich ist, falls die Institution nicht zur völligen Spie¬
lerei herabsinken soll. Denn das Hauptargument, das für sie angeführt wird,
die Unabhängigkeit eines erblichen Gesetzgebers, kann doch höchstens dann Platz
greifen, wenn die Privatverhältnisse dieses Gesetzgebers der Art sind, um ihn
über die Gunst oder Ungunst der Regierenden zu erheben. Macht man aber
Grundbesitzer mit mittelmäßigen Einkünften zu erblichen Pairs, deren Sohne
ihre Versorgung im Staatsdienst suchen müssen, so würden die die Kräfte des
Inhabers übersteigenden Anforderungen seiner Stellung ihn abhängiger machen,
als er es früher war. Hält man selbst die Doctrin einer erblichen erste»
Kammer für unfehlbar, so macht man doch einen Mann nicht unabhängig, indem
man ihn zum erblichen Gesetzgeber ernennt, sondern man macht einen unabhängige»
Gesetzgeber, wenn man eine» Mann, der Eigenthümer eines großen feste» Be¬
sitzes ist, mit dieser erbliche» Function bekleidet. Die Herrenkurie des vereinig-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/392>, abgerufen am 24.07.2024.