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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Ueberzeugung, daß seiue Beredsamkeit Allem steuern, Allem genügen werde, in
Frankreich und in Europa, in der Nationalversammlung und auf offenem Markte,
haben seinen jähen Sturz veranlaßt, so wie sie früher seine schnelle Erhebung
begünstigten. Da sein Stern in unvergleichlichen Glänze am Himmel strahlte,
da er dem Sturme zu gebieten schien, welcher seine Segel schwellte, den wüthenden
Wogen zu befehlen, welche zu seinen Füßen starben, ließ er seine zerstreute Hand
auf dem Nuder ruhen, ohne es zu lenken. Sein Genie und sein gutes Glück
bewahrten ihn vor Klippen, aber statt an dem Ufer, an dem er landen wollte, er¬
wachte er eines Morgens auf einer Oede aus dem schönsten der Träume, allem,
verlassen und fast vergessen.

Es ist traurig, aber noch interessanter und lehrreicher zu scheu, durch welche
übelberatheue Mittel Herr von Lamartine es versuchte, die öffentliche Meinung
wieder zurück zu erobern und jenen abwesenden, stummen, räthselhaften Feind zu
besiegen, welchen ihm die Revolution durch eines ihrer nncrwartestcn Spiele ent¬
gegenstellte.

So dachte er zunächst, es wäre von unfehlbarer Wirkung, im Schooße des
Volkes selbst eine der bonapartistischen entgegengesetzte Bewegung zu veranlassen.
In dieser Absicht ließ er mehrere Abgeordnete des Luxembourg und andere Cor-
poratiouöchefS zu sich kommeu. Er suchte sie durch das Gemälde der Gefahren
zu erschüttern, welche die Republik bedrohen, er bot ihnen Capitalien, die Arbeiter-
associationcn zu unterstüjzen, und forderte sie endlich ans, eine Kundgebung
gegen die Rückkehr deö neuerwählten zu veranstalten.

Aber Herr von Lamartine sah sich mit außerordentlicher Kälte aufgenommen.
Ans den Fall Louis Blanc's hatten die Delegirten des Luxembourg für Louis
Bonaparte gestimmt. Sie waren übrigens voll Mißtrauen gegen die Worte und
Versprechungen, die sie seit dem 2i. Februar hörten. Herr von Lamartine konnte
sich überzeugen, daß er keinen Einfluß mehr ans die Männer des Volkes übte,
und er beschloß, ohne länger zu zaudern, seine Gewalt über die Nationalversamm¬
lung zu versuchen.

Die Bewegung, welche Louis Napoleon's Name in Paris hervorgerufen,
hatte auch schon auf der Rednerbühne ihren Wiederhall gefunden. Am 10. Juni
interpellitte der Volksvertreter Heckeren, wahrscheinlich um die Beschaffenheit der
Gemüther zu prüfen, den Kriegsminister über ein Gerücht, das sich verbreitet
hatte. Diesem Gerüchte zufolge hätte ein Regiment, das nach Troyes geschickt
und von.der Nationalversammlung mit dem Rufe: Es lebe die Republik! em¬
pfangen worden, durch den Ruf: Es lebe der Kaiser! geantwortet. Auf diese
Jnterpellation, die ihm eine Schmähung der Armee däucht, antwortet General
Cavaignac, daß er nichts Dergleichen erfahren habe, und den Gefühlen, die ihn
bestürmen, freien Lauf lassend, fügt er in einem Anlaufe von Beredsamkeit, die
seltsam mit seiner gewöhnlichen Zurückhaltung contrastirte, hinzu: "fern sei es von


Ueberzeugung, daß seiue Beredsamkeit Allem steuern, Allem genügen werde, in
Frankreich und in Europa, in der Nationalversammlung und auf offenem Markte,
haben seinen jähen Sturz veranlaßt, so wie sie früher seine schnelle Erhebung
begünstigten. Da sein Stern in unvergleichlichen Glänze am Himmel strahlte,
da er dem Sturme zu gebieten schien, welcher seine Segel schwellte, den wüthenden
Wogen zu befehlen, welche zu seinen Füßen starben, ließ er seine zerstreute Hand
auf dem Nuder ruhen, ohne es zu lenken. Sein Genie und sein gutes Glück
bewahrten ihn vor Klippen, aber statt an dem Ufer, an dem er landen wollte, er¬
wachte er eines Morgens auf einer Oede aus dem schönsten der Träume, allem,
verlassen und fast vergessen.

Es ist traurig, aber noch interessanter und lehrreicher zu scheu, durch welche
übelberatheue Mittel Herr von Lamartine es versuchte, die öffentliche Meinung
wieder zurück zu erobern und jenen abwesenden, stummen, räthselhaften Feind zu
besiegen, welchen ihm die Revolution durch eines ihrer nncrwartestcn Spiele ent¬
gegenstellte.

So dachte er zunächst, es wäre von unfehlbarer Wirkung, im Schooße des
Volkes selbst eine der bonapartistischen entgegengesetzte Bewegung zu veranlassen.
In dieser Absicht ließ er mehrere Abgeordnete des Luxembourg und andere Cor-
poratiouöchefS zu sich kommeu. Er suchte sie durch das Gemälde der Gefahren
zu erschüttern, welche die Republik bedrohen, er bot ihnen Capitalien, die Arbeiter-
associationcn zu unterstüjzen, und forderte sie endlich ans, eine Kundgebung
gegen die Rückkehr deö neuerwählten zu veranstalten.

Aber Herr von Lamartine sah sich mit außerordentlicher Kälte aufgenommen.
Ans den Fall Louis Blanc's hatten die Delegirten des Luxembourg für Louis
Bonaparte gestimmt. Sie waren übrigens voll Mißtrauen gegen die Worte und
Versprechungen, die sie seit dem 2i. Februar hörten. Herr von Lamartine konnte
sich überzeugen, daß er keinen Einfluß mehr ans die Männer des Volkes übte,
und er beschloß, ohne länger zu zaudern, seine Gewalt über die Nationalversamm¬
lung zu versuchen.

Die Bewegung, welche Louis Napoleon's Name in Paris hervorgerufen,
hatte auch schon auf der Rednerbühne ihren Wiederhall gefunden. Am 10. Juni
interpellitte der Volksvertreter Heckeren, wahrscheinlich um die Beschaffenheit der
Gemüther zu prüfen, den Kriegsminister über ein Gerücht, das sich verbreitet
hatte. Diesem Gerüchte zufolge hätte ein Regiment, das nach Troyes geschickt
und von.der Nationalversammlung mit dem Rufe: Es lebe die Republik! em¬
pfangen worden, durch den Ruf: Es lebe der Kaiser! geantwortet. Auf diese
Jnterpellation, die ihm eine Schmähung der Armee däucht, antwortet General
Cavaignac, daß er nichts Dergleichen erfahren habe, und den Gefühlen, die ihn
bestürmen, freien Lauf lassend, fügt er in einem Anlaufe von Beredsamkeit, die
seltsam mit seiner gewöhnlichen Zurückhaltung contrastirte, hinzu: „fern sei es von


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[0389] Ueberzeugung, daß seiue Beredsamkeit Allem steuern, Allem genügen werde, in Frankreich und in Europa, in der Nationalversammlung und auf offenem Markte, haben seinen jähen Sturz veranlaßt, so wie sie früher seine schnelle Erhebung begünstigten. Da sein Stern in unvergleichlichen Glänze am Himmel strahlte, da er dem Sturme zu gebieten schien, welcher seine Segel schwellte, den wüthenden Wogen zu befehlen, welche zu seinen Füßen starben, ließ er seine zerstreute Hand auf dem Nuder ruhen, ohne es zu lenken. Sein Genie und sein gutes Glück bewahrten ihn vor Klippen, aber statt an dem Ufer, an dem er landen wollte, er¬ wachte er eines Morgens auf einer Oede aus dem schönsten der Träume, allem, verlassen und fast vergessen. Es ist traurig, aber noch interessanter und lehrreicher zu scheu, durch welche übelberatheue Mittel Herr von Lamartine es versuchte, die öffentliche Meinung wieder zurück zu erobern und jenen abwesenden, stummen, räthselhaften Feind zu besiegen, welchen ihm die Revolution durch eines ihrer nncrwartestcn Spiele ent¬ gegenstellte. So dachte er zunächst, es wäre von unfehlbarer Wirkung, im Schooße des Volkes selbst eine der bonapartistischen entgegengesetzte Bewegung zu veranlassen. In dieser Absicht ließ er mehrere Abgeordnete des Luxembourg und andere Cor- poratiouöchefS zu sich kommeu. Er suchte sie durch das Gemälde der Gefahren zu erschüttern, welche die Republik bedrohen, er bot ihnen Capitalien, die Arbeiter- associationcn zu unterstüjzen, und forderte sie endlich ans, eine Kundgebung gegen die Rückkehr deö neuerwählten zu veranstalten. Aber Herr von Lamartine sah sich mit außerordentlicher Kälte aufgenommen. Ans den Fall Louis Blanc's hatten die Delegirten des Luxembourg für Louis Bonaparte gestimmt. Sie waren übrigens voll Mißtrauen gegen die Worte und Versprechungen, die sie seit dem 2i. Februar hörten. Herr von Lamartine konnte sich überzeugen, daß er keinen Einfluß mehr ans die Männer des Volkes übte, und er beschloß, ohne länger zu zaudern, seine Gewalt über die Nationalversamm¬ lung zu versuchen. Die Bewegung, welche Louis Napoleon's Name in Paris hervorgerufen, hatte auch schon auf der Rednerbühne ihren Wiederhall gefunden. Am 10. Juni interpellitte der Volksvertreter Heckeren, wahrscheinlich um die Beschaffenheit der Gemüther zu prüfen, den Kriegsminister über ein Gerücht, das sich verbreitet hatte. Diesem Gerüchte zufolge hätte ein Regiment, das nach Troyes geschickt und von.der Nationalversammlung mit dem Rufe: Es lebe die Republik! em¬ pfangen worden, durch den Ruf: Es lebe der Kaiser! geantwortet. Auf diese Jnterpellation, die ihm eine Schmähung der Armee däucht, antwortet General Cavaignac, daß er nichts Dergleichen erfahren habe, und den Gefühlen, die ihn bestürmen, freien Lauf lassend, fügt er in einem Anlaufe von Beredsamkeit, die seltsam mit seiner gewöhnlichen Zurückhaltung contrastirte, hinzu: „fern sei es von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/389>, abgerufen am 27.12.2024.