Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

enthält, so haben sich doch die vielfachen Talente seiner College" nicht auf eines
jener Schanessen concentriren lassen, welche weniger durch ihren innern Werth,
als durch ihre großartigen Dimensionen und durch ihre auffällige Gestalt die Be¬
geisterung des großen Haufens erregen. Die Reformvorschläge, die er macht,
sind geeignet, manchem schreienden Mißbrauch abzuhelfen, und manche drückende
Ungleichheit in der Gesetzgebung aufzuheben, aber keines hat den weitgreifenden, die
Phantasie der Massen packenden Charakter, den man von den Maßregeln eines aus
den hervorragendsten staatsmännischen Talenten Englands zusammengesetzten Cabinets
erwarte" sollte. Das liegt zum Theil an dem Coalitionscharakter deS Ministeri¬
ums, dessen einzelne Mitglieder alle eine so ausgeprägte politische Persönlichkeit
haben, daß jeder Einzelne von seinen individuellen Ansichten Viel aufgebe" muß,
um sich mit den übrigen nur zu einer allgemeinen Maßregel vereinigen zu können.
Das lenkt die Thätigkeit des Ministeriums von Hans aus von den großen Prin-
cipienfragen ab, und auf die Bahn der praktischen Reformen - eine bescheidene,
aber gewiß nicht weniger fruchtbare Thätigkeit.

Ein Gesetz über die Reform und Ausdehnung des Wahlrechts wird das
Ministerium in dieser Session nicht vorlegen, und wenn es dasselbe -- wie Lord
I. Russell sich ausdrücklich verpflichtet -- zu Anfang der nächsten Session vorlegt,
so wird es sich nicht sehr von der von Lord I. Russell in der letzten Zeit seines
Ministeriums eingebrachten Bill unterscheiden, d. l). es wird weder geheime Ab¬
stimmung, noch eine Vertheiluug der Repräsentanten nach der Einwohnerzahl der
verschiedene" Wahldistricte vorschlagen, obgleich die radicale Partei diese beiden
Principien zu ihren Schiboleths gemacht hat, und nur das Ministerium unter¬
stützen will, welches sich für ihre Annahme erklärt. Es ist hier nicht der Ort,
über die Borzüge zu sprechen, welche die bestehende Wahleiurichtung über die von
den Radicalen vorgeschlagene hat, aber eine Thatsache müssen wir anführen,
welche die Tendenz der Manchesterreformcr ans das Klarste bezeichnet. Nach der
gegenwärtigen Einrichtung sind, mit einigen, allerdings dringender Abhilfe be¬
dürfenden Ausnahmen, die Vertreter ziemlich gleichmäßig über das ganze Land
vertheilt, und selbst die Ansprüche der dichter bevölkerten Grafschaften auf eine
zahlreichere Vertretung sind nicht ganz unberücksichtigt geblieben. Würde aber die
Einwohnerzahl der einzelnen Districte als alleiniger Maßstab für die Vertheilnng
der Mitglieder genommen, so würden tO Proc. der städtischen und 20 Proc. der
Grafschaftsmitglieder auf die Grafschaften Middlessex, Lancashire ""d Yorkshire
kommen, und diese Mittelpunkte der Fabrikindustrie würden 4S7 Mitglieder von
den 46ü, welche ganz England wählt, in das Parlament schicken. Die
Forderung allgemeiner Gleichheit ist hier nur das Schild der Ansprüche eines
nach Alleinherrschaft strebenden Standesinteresses.

Natürlich wird das Ministerium, von Cobden und dessen Freunden arge An¬
griffe über diese Unterlassungssünde zu erdulden haben, zumal da Cobden ein


enthält, so haben sich doch die vielfachen Talente seiner College» nicht auf eines
jener Schanessen concentriren lassen, welche weniger durch ihren innern Werth,
als durch ihre großartigen Dimensionen und durch ihre auffällige Gestalt die Be¬
geisterung des großen Haufens erregen. Die Reformvorschläge, die er macht,
sind geeignet, manchem schreienden Mißbrauch abzuhelfen, und manche drückende
Ungleichheit in der Gesetzgebung aufzuheben, aber keines hat den weitgreifenden, die
Phantasie der Massen packenden Charakter, den man von den Maßregeln eines aus
den hervorragendsten staatsmännischen Talenten Englands zusammengesetzten Cabinets
erwarte» sollte. Das liegt zum Theil an dem Coalitionscharakter deS Ministeri¬
ums, dessen einzelne Mitglieder alle eine so ausgeprägte politische Persönlichkeit
haben, daß jeder Einzelne von seinen individuellen Ansichten Viel aufgebe» muß,
um sich mit den übrigen nur zu einer allgemeinen Maßregel vereinigen zu können.
Das lenkt die Thätigkeit des Ministeriums von Hans aus von den großen Prin-
cipienfragen ab, und auf die Bahn der praktischen Reformen - eine bescheidene,
aber gewiß nicht weniger fruchtbare Thätigkeit.

Ein Gesetz über die Reform und Ausdehnung des Wahlrechts wird das
Ministerium in dieser Session nicht vorlegen, und wenn es dasselbe — wie Lord
I. Russell sich ausdrücklich verpflichtet — zu Anfang der nächsten Session vorlegt,
so wird es sich nicht sehr von der von Lord I. Russell in der letzten Zeit seines
Ministeriums eingebrachten Bill unterscheiden, d. l). es wird weder geheime Ab¬
stimmung, noch eine Vertheiluug der Repräsentanten nach der Einwohnerzahl der
verschiedene» Wahldistricte vorschlagen, obgleich die radicale Partei diese beiden
Principien zu ihren Schiboleths gemacht hat, und nur das Ministerium unter¬
stützen will, welches sich für ihre Annahme erklärt. Es ist hier nicht der Ort,
über die Borzüge zu sprechen, welche die bestehende Wahleiurichtung über die von
den Radicalen vorgeschlagene hat, aber eine Thatsache müssen wir anführen,
welche die Tendenz der Manchesterreformcr ans das Klarste bezeichnet. Nach der
gegenwärtigen Einrichtung sind, mit einigen, allerdings dringender Abhilfe be¬
dürfenden Ausnahmen, die Vertreter ziemlich gleichmäßig über das ganze Land
vertheilt, und selbst die Ansprüche der dichter bevölkerten Grafschaften auf eine
zahlreichere Vertretung sind nicht ganz unberücksichtigt geblieben. Würde aber die
Einwohnerzahl der einzelnen Districte als alleiniger Maßstab für die Vertheilnng
der Mitglieder genommen, so würden tO Proc. der städtischen und 20 Proc. der
Grafschaftsmitglieder auf die Grafschaften Middlessex, Lancashire »»d Yorkshire
kommen, und diese Mittelpunkte der Fabrikindustrie würden 4S7 Mitglieder von
den 46ü, welche ganz England wählt, in das Parlament schicken. Die
Forderung allgemeiner Gleichheit ist hier nur das Schild der Ansprüche eines
nach Alleinherrschaft strebenden Standesinteresses.

Natürlich wird das Ministerium, von Cobden und dessen Freunden arge An¬
griffe über diese Unterlassungssünde zu erdulden haben, zumal da Cobden ein


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0359" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186235"/>
            <p xml:id="ID_1102" prev="#ID_1101"> enthält, so haben sich doch die vielfachen Talente seiner College» nicht auf eines<lb/>
jener Schanessen concentriren lassen, welche weniger durch ihren innern Werth,<lb/>
als durch ihre großartigen Dimensionen und durch ihre auffällige Gestalt die Be¬<lb/>
geisterung des großen Haufens erregen. Die Reformvorschläge, die er macht,<lb/>
sind geeignet, manchem schreienden Mißbrauch abzuhelfen, und manche drückende<lb/>
Ungleichheit in der Gesetzgebung aufzuheben, aber keines hat den weitgreifenden, die<lb/>
Phantasie der Massen packenden Charakter, den man von den Maßregeln eines aus<lb/>
den hervorragendsten staatsmännischen Talenten Englands zusammengesetzten Cabinets<lb/>
erwarte» sollte. Das liegt zum Theil an dem Coalitionscharakter deS Ministeri¬<lb/>
ums, dessen einzelne Mitglieder alle eine so ausgeprägte politische Persönlichkeit<lb/>
haben, daß jeder Einzelne von seinen individuellen Ansichten Viel aufgebe» muß,<lb/>
um sich mit den übrigen nur zu einer allgemeinen Maßregel vereinigen zu können.<lb/>
Das lenkt die Thätigkeit des Ministeriums von Hans aus von den großen Prin-<lb/>
cipienfragen ab, und auf die Bahn der praktischen Reformen - eine bescheidene,<lb/>
aber gewiß nicht weniger fruchtbare Thätigkeit.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1103"> Ein Gesetz über die Reform und Ausdehnung des Wahlrechts wird das<lb/>
Ministerium in dieser Session nicht vorlegen, und wenn es dasselbe &#x2014; wie Lord<lb/>
I. Russell sich ausdrücklich verpflichtet &#x2014; zu Anfang der nächsten Session vorlegt,<lb/>
so wird es sich nicht sehr von der von Lord I. Russell in der letzten Zeit seines<lb/>
Ministeriums eingebrachten Bill unterscheiden, d. l). es wird weder geheime Ab¬<lb/>
stimmung, noch eine Vertheiluug der Repräsentanten nach der Einwohnerzahl der<lb/>
verschiedene» Wahldistricte vorschlagen, obgleich die radicale Partei diese beiden<lb/>
Principien zu ihren Schiboleths gemacht hat, und nur das Ministerium unter¬<lb/>
stützen will, welches sich für ihre Annahme erklärt. Es ist hier nicht der Ort,<lb/>
über die Borzüge zu sprechen, welche die bestehende Wahleiurichtung über die von<lb/>
den Radicalen vorgeschlagene hat, aber eine Thatsache müssen wir anführen,<lb/>
welche die Tendenz der Manchesterreformcr ans das Klarste bezeichnet. Nach der<lb/>
gegenwärtigen Einrichtung sind, mit einigen, allerdings dringender Abhilfe be¬<lb/>
dürfenden Ausnahmen, die Vertreter ziemlich gleichmäßig über das ganze Land<lb/>
vertheilt, und selbst die Ansprüche der dichter bevölkerten Grafschaften auf eine<lb/>
zahlreichere Vertretung sind nicht ganz unberücksichtigt geblieben. Würde aber die<lb/>
Einwohnerzahl der einzelnen Districte als alleiniger Maßstab für die Vertheilnng<lb/>
der Mitglieder genommen, so würden tO Proc. der städtischen und 20 Proc. der<lb/>
Grafschaftsmitglieder auf die Grafschaften Middlessex, Lancashire »»d Yorkshire<lb/>
kommen, und diese Mittelpunkte der Fabrikindustrie würden 4S7 Mitglieder von<lb/>
den 46ü, welche ganz England wählt, in das Parlament schicken. Die<lb/>
Forderung allgemeiner Gleichheit ist hier nur das Schild der Ansprüche eines<lb/>
nach Alleinherrschaft strebenden Standesinteresses.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1104" next="#ID_1105"> Natürlich wird das Ministerium, von Cobden und dessen Freunden arge An¬<lb/>
griffe über diese Unterlassungssünde zu erdulden haben, zumal da Cobden ein</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0359] enthält, so haben sich doch die vielfachen Talente seiner College» nicht auf eines jener Schanessen concentriren lassen, welche weniger durch ihren innern Werth, als durch ihre großartigen Dimensionen und durch ihre auffällige Gestalt die Be¬ geisterung des großen Haufens erregen. Die Reformvorschläge, die er macht, sind geeignet, manchem schreienden Mißbrauch abzuhelfen, und manche drückende Ungleichheit in der Gesetzgebung aufzuheben, aber keines hat den weitgreifenden, die Phantasie der Massen packenden Charakter, den man von den Maßregeln eines aus den hervorragendsten staatsmännischen Talenten Englands zusammengesetzten Cabinets erwarte» sollte. Das liegt zum Theil an dem Coalitionscharakter deS Ministeri¬ ums, dessen einzelne Mitglieder alle eine so ausgeprägte politische Persönlichkeit haben, daß jeder Einzelne von seinen individuellen Ansichten Viel aufgebe» muß, um sich mit den übrigen nur zu einer allgemeinen Maßregel vereinigen zu können. Das lenkt die Thätigkeit des Ministeriums von Hans aus von den großen Prin- cipienfragen ab, und auf die Bahn der praktischen Reformen - eine bescheidene, aber gewiß nicht weniger fruchtbare Thätigkeit. Ein Gesetz über die Reform und Ausdehnung des Wahlrechts wird das Ministerium in dieser Session nicht vorlegen, und wenn es dasselbe — wie Lord I. Russell sich ausdrücklich verpflichtet — zu Anfang der nächsten Session vorlegt, so wird es sich nicht sehr von der von Lord I. Russell in der letzten Zeit seines Ministeriums eingebrachten Bill unterscheiden, d. l). es wird weder geheime Ab¬ stimmung, noch eine Vertheiluug der Repräsentanten nach der Einwohnerzahl der verschiedene» Wahldistricte vorschlagen, obgleich die radicale Partei diese beiden Principien zu ihren Schiboleths gemacht hat, und nur das Ministerium unter¬ stützen will, welches sich für ihre Annahme erklärt. Es ist hier nicht der Ort, über die Borzüge zu sprechen, welche die bestehende Wahleiurichtung über die von den Radicalen vorgeschlagene hat, aber eine Thatsache müssen wir anführen, welche die Tendenz der Manchesterreformcr ans das Klarste bezeichnet. Nach der gegenwärtigen Einrichtung sind, mit einigen, allerdings dringender Abhilfe be¬ dürfenden Ausnahmen, die Vertreter ziemlich gleichmäßig über das ganze Land vertheilt, und selbst die Ansprüche der dichter bevölkerten Grafschaften auf eine zahlreichere Vertretung sind nicht ganz unberücksichtigt geblieben. Würde aber die Einwohnerzahl der einzelnen Districte als alleiniger Maßstab für die Vertheilnng der Mitglieder genommen, so würden tO Proc. der städtischen und 20 Proc. der Grafschaftsmitglieder auf die Grafschaften Middlessex, Lancashire »»d Yorkshire kommen, und diese Mittelpunkte der Fabrikindustrie würden 4S7 Mitglieder von den 46ü, welche ganz England wählt, in das Parlament schicken. Die Forderung allgemeiner Gleichheit ist hier nur das Schild der Ansprüche eines nach Alleinherrschaft strebenden Standesinteresses. Natürlich wird das Ministerium, von Cobden und dessen Freunden arge An¬ griffe über diese Unterlassungssünde zu erdulden haben, zumal da Cobden ein

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/359
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/359>, abgerufen am 24.07.2024.