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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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nirgends die echte Genialität des letztem Meisters und sein kühnes schwungvolles
Wesen an sich trägt, dessen glücklicher Inspiration man überall selbst bedeutende
Fehler verzeiht. Daß die Glyptothek im griechischen, die Pinakothek im neu-
römischen Style gebant ist, kann als ihrem Inhalt angemessen bezeichnet werden.
Ein weiterer Umstand, der ihnen vor vielen andern Münchner Gebäuden zu
Gunsten kommt, ist der, daß sie ihr Material offen zeigen, anstatt es durch einen
Kalküberwnrf zu entstellen, was als etwas Unechtes immer mangelhaft aussieht.--
Viel weniger glücklich sind der Königsbau und die Festsaalgcbäude desselben
Meisters; der erste eine Copie des Palazzo Pitti ohne deu geringsten ersichtlichen
Grund zur Nachahmung eines finstern, festungsartigcn Gebäudes, wie es in
einer so unruhigen Zeit, als die damalige Florcutinische allerdings motivirt war,
dabei von nichts weniger als einer glücklichen Construction im Innern; das zweite
in der Fac/.abe schwerfällig und plump statt großartig, ohne eine besonders neue
oder glückliche architektonische Idee, feine oder reizende Erfindung zu zeigen.
Man müßte denn die Loggia in der Mitte dafür nehmen wollen, die weder für
unsern Schnee, noch für unser Regenwetter wohl passen will. Das Innere ist
entsprechender, obwol man bei diesen Sälen anch weder an die des Dogenpalastes,
noch an die von Versailles z. B. denken darf, wenn sie einem noch irgend ge¬
fallen sollen. Gegen jene sehen sie aus wie grobe Fabrikarbeit. --

Den neurömische" Styl hatte man nnn satt, man sehnte sich nach Abwechse¬
lung, und Gärtner verfiel ans den byzantinischen, indem er die Hofcapelle und
die Ludwigskirche baute, erstere nach dem Muster der innern Markuskirche in
Venedig, deren Schönheit bekanntlich sogroß ist, daß anch eine matte Nachbil¬
dung nie ganz unglücklich werden kann; bei der zweiten, die mehr dem Meister
allein angehört, gelang dies um so besser, ihre seltene Langweiligkeit wird blos
von der Unzweckmäßigst übertroffen, in der sie ihren Hauptschatz, die herrlichen
Compositionen des Cornelius, mit möglichst unpassenden Verzierungen umgiebt und
möglichst unruhig beleuchtet.

Die übrige" zahlreichen Werke dieses Künstlers, alle im byzantinischen oder
florentinischen Styl, sind nicht viel glücklicher, selbst die Universität, die gewöhn¬
lich für die Krone seiner Leistungen ausgegeben wird, macht einen so mönchisch-
finstern einförmigen Eindruck, ist so ungeschlacht groß, daß durch einige
schöne Details, ein gutes Treppenhaus n. s. w, der Ton finsterer Langweiligkeit, der
auf diesem, wie ans allen andern seiner Gebäude lastet, nicht gehoben werden
kann. Diese ist am ärgsten bei dem Wittelsbacher Palast, angeblich im
Tudor-Gothischen Geschmack, wie Vielen aber scheint in gar keinem. Die von
ihm der b'Im'gntin^ ,>-oMA alvi I.un?.i genau nachgebildete Feldherreirhalle zeigt
am Auffallendsten, wohin man mit der unmäßigen Vergrößerung der Proportio¬
nen kommt, wenn man dies nicht schon von der römischen Peterskirche her wüßte.
Sie wurde etwa um die Hälfte großer gemacht als das Original und wurde


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nirgends die echte Genialität des letztem Meisters und sein kühnes schwungvolles
Wesen an sich trägt, dessen glücklicher Inspiration man überall selbst bedeutende
Fehler verzeiht. Daß die Glyptothek im griechischen, die Pinakothek im neu-
römischen Style gebant ist, kann als ihrem Inhalt angemessen bezeichnet werden.
Ein weiterer Umstand, der ihnen vor vielen andern Münchner Gebäuden zu
Gunsten kommt, ist der, daß sie ihr Material offen zeigen, anstatt es durch einen
Kalküberwnrf zu entstellen, was als etwas Unechtes immer mangelhaft aussieht.—
Viel weniger glücklich sind der Königsbau und die Festsaalgcbäude desselben
Meisters; der erste eine Copie des Palazzo Pitti ohne deu geringsten ersichtlichen
Grund zur Nachahmung eines finstern, festungsartigcn Gebäudes, wie es in
einer so unruhigen Zeit, als die damalige Florcutinische allerdings motivirt war,
dabei von nichts weniger als einer glücklichen Construction im Innern; das zweite
in der Fac/.abe schwerfällig und plump statt großartig, ohne eine besonders neue
oder glückliche architektonische Idee, feine oder reizende Erfindung zu zeigen.
Man müßte denn die Loggia in der Mitte dafür nehmen wollen, die weder für
unsern Schnee, noch für unser Regenwetter wohl passen will. Das Innere ist
entsprechender, obwol man bei diesen Sälen anch weder an die des Dogenpalastes,
noch an die von Versailles z. B. denken darf, wenn sie einem noch irgend ge¬
fallen sollen. Gegen jene sehen sie aus wie grobe Fabrikarbeit. —

Den neurömische» Styl hatte man nnn satt, man sehnte sich nach Abwechse¬
lung, und Gärtner verfiel ans den byzantinischen, indem er die Hofcapelle und
die Ludwigskirche baute, erstere nach dem Muster der innern Markuskirche in
Venedig, deren Schönheit bekanntlich sogroß ist, daß anch eine matte Nachbil¬
dung nie ganz unglücklich werden kann; bei der zweiten, die mehr dem Meister
allein angehört, gelang dies um so besser, ihre seltene Langweiligkeit wird blos
von der Unzweckmäßigst übertroffen, in der sie ihren Hauptschatz, die herrlichen
Compositionen des Cornelius, mit möglichst unpassenden Verzierungen umgiebt und
möglichst unruhig beleuchtet.

Die übrige» zahlreichen Werke dieses Künstlers, alle im byzantinischen oder
florentinischen Styl, sind nicht viel glücklicher, selbst die Universität, die gewöhn¬
lich für die Krone seiner Leistungen ausgegeben wird, macht einen so mönchisch-
finstern einförmigen Eindruck, ist so ungeschlacht groß, daß durch einige
schöne Details, ein gutes Treppenhaus n. s. w, der Ton finsterer Langweiligkeit, der
auf diesem, wie ans allen andern seiner Gebäude lastet, nicht gehoben werden
kann. Diese ist am ärgsten bei dem Wittelsbacher Palast, angeblich im
Tudor-Gothischen Geschmack, wie Vielen aber scheint in gar keinem. Die von
ihm der b'Im'gntin^ ,>-oMA alvi I.un?.i genau nachgebildete Feldherreirhalle zeigt
am Auffallendsten, wohin man mit der unmäßigen Vergrößerung der Proportio¬
nen kommt, wenn man dies nicht schon von der römischen Peterskirche her wüßte.
Sie wurde etwa um die Hälfte großer gemacht als das Original und wurde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/331>, abgerufen am 01.07.2024.