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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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die Wahrheit sein oder nicht, so viel kann als gewiß angenommen werden, der
Kaiser hatte schon längst Absichten auf das Herz von Fräulein Moutijo, und es
mag wol mehr die Schuld seiner Umgebung sein, als die eigene, wenn er nicht
immer dieselben Absichten gehegt.

Bisher hat sich die Kaiserin mit Takt benommen; sie hat für die allgemeine
Amnestie gearbeitet und auch im Interesse einer Modification der Decrete über
die Orleans'schen Familiengüter Fürbitte eingelegt, und obgleich sich ihr Einfluß
noch nicht als wirksam erwiesen, weiß man doch ihre Bemühungen, und das
kann ihr eben nicht geschadet haben. Oeffentlich in der Gesellschaft hat sie sich
seit ihrer Hochzeit noch nicht gezeigt, und sie wird erst übermorgen auf dem Balle
des Senats ihren feierlichen Einzug in die Hofwelt machen. Wir wollen sehen,
wie man ihr Auftreten beurtheilen wird, denn, wenn es ihr auch nicht an Höf¬
lingen und officiellen Anbetern fehlen kann, wird auch die boshafte Kritik und
der Argus weiblicher Eisersucht uicht daheim bleiben. Bisher haben sich die Hul¬
digungen, welche die junge Kaiserin empfangen, blos auf die Ergebenheits-
bezeigungen des engeren Hofzirkels beschränkt und auf die bezahlten poetischen
Schmeicheleien des Dampsversificators Möry; auch sein poetischer Zwillingsbruder
Barthelemy hat einige Reime dargebracht, und die "Nemesis", welche Ludwig
Philipp so viel trübe Stunden gemacht, liegt also der neuen Negierung ganz zu
Füßen. Die republikanische Poesie dieser Herren ist gut kaiserlich geworden, hinkt
den ekelhaften Machwerken von Ludwig XIV. Hof- und Leibpoeten -- wir sollten
sagen Leibbedienten -- nach. Herr M6ry hat sür seine Begeisterung fünftausend
Franken vom Kaiser und eine mit Diamanten besetzte Uhr erhalten, und Barthe-
lemy vielleicht ein Paar kurze Hosen, um bei Hofe erscheinen zu können. Auch
Erard hat der .Kaiserin seine Aufwartung gemacht und ihr das prachtvolle Piano
dargebracht, das in London so viel Aufsehen gemacht. Der Kaiser hat ihm huld¬
reichst erklärt, daß er es behalten wolle, und diese musikalische Aufmerksamkeit
wird mit 40,000 Franken wol kaum zu schlecht bezahlt sein. Nun werden auch
die anderen Fabrikanten an die Reihe kommen, denn so wie die Tuilerien ein¬
mal offen siud, richtet die Speculation aller Erfinder und Verbesserer ihr Auge
nach diesem Punkte. Dem Balle des Senats wird ein kleiner intimer Hofball
folgen, um den boeuk zu feiern, und diesem mehre Hoffeste und Concerte.
Auch die Armee wird nicht vergessen bleiben, und man erzählt sich bereits, die
Kaiserin werde zur Revue an der Seite ihres Gemahls zu" Pferde erscheinen.
Wenn das keine bloße Erfindung müßiger Hofschwätzer ist, folgt die junge Mo¬
narchin Frankreichs keiner guten Eingebung, denn man würde ihr diese Phantasie
allgemein übel nehmen. Daß sie mit dem Großkreuze der Ehrenlegion geschmückt
erscheinen werde, kann ich noch weniger glauben; das sind eben Canard's, wie
man sie nnr in Paris zu fabriciren versteht.

Der Fasching geht ans die Neige, und ziemlich unzufrieden mit seinen sonst


die Wahrheit sein oder nicht, so viel kann als gewiß angenommen werden, der
Kaiser hatte schon längst Absichten auf das Herz von Fräulein Moutijo, und es
mag wol mehr die Schuld seiner Umgebung sein, als die eigene, wenn er nicht
immer dieselben Absichten gehegt.

Bisher hat sich die Kaiserin mit Takt benommen; sie hat für die allgemeine
Amnestie gearbeitet und auch im Interesse einer Modification der Decrete über
die Orleans'schen Familiengüter Fürbitte eingelegt, und obgleich sich ihr Einfluß
noch nicht als wirksam erwiesen, weiß man doch ihre Bemühungen, und das
kann ihr eben nicht geschadet haben. Oeffentlich in der Gesellschaft hat sie sich
seit ihrer Hochzeit noch nicht gezeigt, und sie wird erst übermorgen auf dem Balle
des Senats ihren feierlichen Einzug in die Hofwelt machen. Wir wollen sehen,
wie man ihr Auftreten beurtheilen wird, denn, wenn es ihr auch nicht an Höf¬
lingen und officiellen Anbetern fehlen kann, wird auch die boshafte Kritik und
der Argus weiblicher Eisersucht uicht daheim bleiben. Bisher haben sich die Hul¬
digungen, welche die junge Kaiserin empfangen, blos auf die Ergebenheits-
bezeigungen des engeren Hofzirkels beschränkt und auf die bezahlten poetischen
Schmeicheleien des Dampsversificators Möry; auch sein poetischer Zwillingsbruder
Barthelemy hat einige Reime dargebracht, und die „Nemesis", welche Ludwig
Philipp so viel trübe Stunden gemacht, liegt also der neuen Negierung ganz zu
Füßen. Die republikanische Poesie dieser Herren ist gut kaiserlich geworden, hinkt
den ekelhaften Machwerken von Ludwig XIV. Hof- und Leibpoeten — wir sollten
sagen Leibbedienten — nach. Herr M6ry hat sür seine Begeisterung fünftausend
Franken vom Kaiser und eine mit Diamanten besetzte Uhr erhalten, und Barthe-
lemy vielleicht ein Paar kurze Hosen, um bei Hofe erscheinen zu können. Auch
Erard hat der .Kaiserin seine Aufwartung gemacht und ihr das prachtvolle Piano
dargebracht, das in London so viel Aufsehen gemacht. Der Kaiser hat ihm huld¬
reichst erklärt, daß er es behalten wolle, und diese musikalische Aufmerksamkeit
wird mit 40,000 Franken wol kaum zu schlecht bezahlt sein. Nun werden auch
die anderen Fabrikanten an die Reihe kommen, denn so wie die Tuilerien ein¬
mal offen siud, richtet die Speculation aller Erfinder und Verbesserer ihr Auge
nach diesem Punkte. Dem Balle des Senats wird ein kleiner intimer Hofball
folgen, um den boeuk zu feiern, und diesem mehre Hoffeste und Concerte.
Auch die Armee wird nicht vergessen bleiben, und man erzählt sich bereits, die
Kaiserin werde zur Revue an der Seite ihres Gemahls zu» Pferde erscheinen.
Wenn das keine bloße Erfindung müßiger Hofschwätzer ist, folgt die junge Mo¬
narchin Frankreichs keiner guten Eingebung, denn man würde ihr diese Phantasie
allgemein übel nehmen. Daß sie mit dem Großkreuze der Ehrenlegion geschmückt
erscheinen werde, kann ich noch weniger glauben; das sind eben Canard's, wie
man sie nnr in Paris zu fabriciren versteht.

Der Fasching geht ans die Neige, und ziemlich unzufrieden mit seinen sonst


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[0319] die Wahrheit sein oder nicht, so viel kann als gewiß angenommen werden, der Kaiser hatte schon längst Absichten auf das Herz von Fräulein Moutijo, und es mag wol mehr die Schuld seiner Umgebung sein, als die eigene, wenn er nicht immer dieselben Absichten gehegt. Bisher hat sich die Kaiserin mit Takt benommen; sie hat für die allgemeine Amnestie gearbeitet und auch im Interesse einer Modification der Decrete über die Orleans'schen Familiengüter Fürbitte eingelegt, und obgleich sich ihr Einfluß noch nicht als wirksam erwiesen, weiß man doch ihre Bemühungen, und das kann ihr eben nicht geschadet haben. Oeffentlich in der Gesellschaft hat sie sich seit ihrer Hochzeit noch nicht gezeigt, und sie wird erst übermorgen auf dem Balle des Senats ihren feierlichen Einzug in die Hofwelt machen. Wir wollen sehen, wie man ihr Auftreten beurtheilen wird, denn, wenn es ihr auch nicht an Höf¬ lingen und officiellen Anbetern fehlen kann, wird auch die boshafte Kritik und der Argus weiblicher Eisersucht uicht daheim bleiben. Bisher haben sich die Hul¬ digungen, welche die junge Kaiserin empfangen, blos auf die Ergebenheits- bezeigungen des engeren Hofzirkels beschränkt und auf die bezahlten poetischen Schmeicheleien des Dampsversificators Möry; auch sein poetischer Zwillingsbruder Barthelemy hat einige Reime dargebracht, und die „Nemesis", welche Ludwig Philipp so viel trübe Stunden gemacht, liegt also der neuen Negierung ganz zu Füßen. Die republikanische Poesie dieser Herren ist gut kaiserlich geworden, hinkt den ekelhaften Machwerken von Ludwig XIV. Hof- und Leibpoeten — wir sollten sagen Leibbedienten — nach. Herr M6ry hat sür seine Begeisterung fünftausend Franken vom Kaiser und eine mit Diamanten besetzte Uhr erhalten, und Barthe- lemy vielleicht ein Paar kurze Hosen, um bei Hofe erscheinen zu können. Auch Erard hat der .Kaiserin seine Aufwartung gemacht und ihr das prachtvolle Piano dargebracht, das in London so viel Aufsehen gemacht. Der Kaiser hat ihm huld¬ reichst erklärt, daß er es behalten wolle, und diese musikalische Aufmerksamkeit wird mit 40,000 Franken wol kaum zu schlecht bezahlt sein. Nun werden auch die anderen Fabrikanten an die Reihe kommen, denn so wie die Tuilerien ein¬ mal offen siud, richtet die Speculation aller Erfinder und Verbesserer ihr Auge nach diesem Punkte. Dem Balle des Senats wird ein kleiner intimer Hofball folgen, um den boeuk zu feiern, und diesem mehre Hoffeste und Concerte. Auch die Armee wird nicht vergessen bleiben, und man erzählt sich bereits, die Kaiserin werde zur Revue an der Seite ihres Gemahls zu» Pferde erscheinen. Wenn das keine bloße Erfindung müßiger Hofschwätzer ist, folgt die junge Mo¬ narchin Frankreichs keiner guten Eingebung, denn man würde ihr diese Phantasie allgemein übel nehmen. Daß sie mit dem Großkreuze der Ehrenlegion geschmückt erscheinen werde, kann ich noch weniger glauben; das sind eben Canard's, wie man sie nnr in Paris zu fabriciren versteht. Der Fasching geht ans die Neige, und ziemlich unzufrieden mit seinen sonst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/319>, abgerufen am 27.12.2024.