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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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phirt, und das fortwährende Steigen der Fonds an der Madrider Börse beweist,
daß die Spekulanten an ein derartiges Resultat glauben.

Etwas Anderes ist es freilich, ob eine Mehrheit, welche die Amtsführung der
Herren Noucali, Llorente, Benavidcs n. f. w. begünstigt, die denselben vom vorigen
Cabinet überkommenen Nevisionöpläne auszuführen geneigt sein dürste. Bis jetzt hat
sich die Regierung noch nicht darüber ausgesprochen, was sie davon zu adoptiren, was
aufzugeben entschlossen sei. Augenscheinlich will sie erst das Ergebniß der Wahlen
abwarten, um danach den Umfang ihrer Ncvisionsfvrdcrungen zu bemessen. Sehr
viel wird es bei der Entscheidung darüber, falls die stritte Oppositionspartei die
Mehrheit nicht gewinnt, ans das Verhalten und die Stärke jener Mittelfraction
der ModcradoS ankommen, die unter Sartorius, Grafen v. San Luis, von dem
moderirten WahlconM zurücktrat, und zu der anch Martinez de la Rosa ge¬
rechnet werden muß. Der Letztere, der seinen Posten als Vicepräfident des
königlichen Rathes, den er in den letzten Tagen der Verwaltung Murillo'S
niederlegte, von dem gegenwärtigen Cabinet wieder erhalten und angenommen
hat, hielt vor kurzem in seinem Madrider Wahlbezirk vor einer Versammlung
von Wählern eine Rede, in der er sein treues Beharren an der Constitution,
seinen unbeugsamen Widerstand gegen den Absolutismus versicherte und
außerdem erklärte, keinerlei Verflichtnngen gegen das Ministerium eingegangen zu
sein. Gleichwol brachte auch er die Phrase aus dem Circnlar Llorente's vor,
"mau müsse deu Glanz des Thrones erhöhen, ohne die nationalen Freiheiten
herabzudrücken," eine Formel, nnter der sich entweder Nichts, oder bedenkliche
Angriffe auf die Verfassung verbergen. Die Versammlung nahm ihn mit Accla-
mation zu ihrem Candidaten an (er hat den Bezirk schon in den drei letzten Le¬
gislaturen vertreten), die progressistische Presse indeß greift die Unklarheit seiner
Rede scharf an, und fügt hinzu, er werde sicherlich die Stimmen ihrer Partei¬
genossen nicht erhalten. Man kann bei alledem nicht annehmen, daß Männer wie
Martinez de la Rosa und Sartorius sich an Attentaten gegen die Konsti¬
tution betheiligen werden, die ihr jüngstes Verhalten völlig Lügen strafen würden.

Narvaez hat dem ungnädigen Befehl Jsabella's, nach Wien zu gehen, den
Vorwand entgegengesetzt, daß seine Gesundheit vorläufig die Reise nicht gestatte,
und ist auf seinem Beobachtungsposten bei Bayonne geblieben. Der Telegraph
brachte die kaum glaublich klingende Nachricht, die Königin habe ihren Befehl
erneuert mit der Drohung, im fortgesetzten Weigerungsfalle den Herzog von
Valencia als "Rebellen" zu betrachten. Directe Nachrichten aus Madrid vom
Datum der telegraphischen Depesche haben nichts Näheres hierüber gebracht,
weshalb es erlaubt ist, einen Act zu bezweifeln, für den man, als ausgegangen
von einer Svnveraiuin gegen einen Unterthan, dem sie die Erhaltung ihrer
Krone verdankt, schwer einen passenden Namen finden dürfte.


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phirt, und das fortwährende Steigen der Fonds an der Madrider Börse beweist,
daß die Spekulanten an ein derartiges Resultat glauben.

Etwas Anderes ist es freilich, ob eine Mehrheit, welche die Amtsführung der
Herren Noucali, Llorente, Benavidcs n. f. w. begünstigt, die denselben vom vorigen
Cabinet überkommenen Nevisionöpläne auszuführen geneigt sein dürste. Bis jetzt hat
sich die Regierung noch nicht darüber ausgesprochen, was sie davon zu adoptiren, was
aufzugeben entschlossen sei. Augenscheinlich will sie erst das Ergebniß der Wahlen
abwarten, um danach den Umfang ihrer Ncvisionsfvrdcrungen zu bemessen. Sehr
viel wird es bei der Entscheidung darüber, falls die stritte Oppositionspartei die
Mehrheit nicht gewinnt, ans das Verhalten und die Stärke jener Mittelfraction
der ModcradoS ankommen, die unter Sartorius, Grafen v. San Luis, von dem
moderirten WahlconM zurücktrat, und zu der anch Martinez de la Rosa ge¬
rechnet werden muß. Der Letztere, der seinen Posten als Vicepräfident des
königlichen Rathes, den er in den letzten Tagen der Verwaltung Murillo'S
niederlegte, von dem gegenwärtigen Cabinet wieder erhalten und angenommen
hat, hielt vor kurzem in seinem Madrider Wahlbezirk vor einer Versammlung
von Wählern eine Rede, in der er sein treues Beharren an der Constitution,
seinen unbeugsamen Widerstand gegen den Absolutismus versicherte und
außerdem erklärte, keinerlei Verflichtnngen gegen das Ministerium eingegangen zu
sein. Gleichwol brachte auch er die Phrase aus dem Circnlar Llorente's vor,
„mau müsse deu Glanz des Thrones erhöhen, ohne die nationalen Freiheiten
herabzudrücken," eine Formel, nnter der sich entweder Nichts, oder bedenkliche
Angriffe auf die Verfassung verbergen. Die Versammlung nahm ihn mit Accla-
mation zu ihrem Candidaten an (er hat den Bezirk schon in den drei letzten Le¬
gislaturen vertreten), die progressistische Presse indeß greift die Unklarheit seiner
Rede scharf an, und fügt hinzu, er werde sicherlich die Stimmen ihrer Partei¬
genossen nicht erhalten. Man kann bei alledem nicht annehmen, daß Männer wie
Martinez de la Rosa und Sartorius sich an Attentaten gegen die Konsti¬
tution betheiligen werden, die ihr jüngstes Verhalten völlig Lügen strafen würden.

Narvaez hat dem ungnädigen Befehl Jsabella's, nach Wien zu gehen, den
Vorwand entgegengesetzt, daß seine Gesundheit vorläufig die Reise nicht gestatte,
und ist auf seinem Beobachtungsposten bei Bayonne geblieben. Der Telegraph
brachte die kaum glaublich klingende Nachricht, die Königin habe ihren Befehl
erneuert mit der Drohung, im fortgesetzten Weigerungsfalle den Herzog von
Valencia als „Rebellen" zu betrachten. Directe Nachrichten aus Madrid vom
Datum der telegraphischen Depesche haben nichts Näheres hierüber gebracht,
weshalb es erlaubt ist, einen Act zu bezweifeln, für den man, als ausgegangen
von einer Svnveraiuin gegen einen Unterthan, dem sie die Erhaltung ihrer
Krone verdankt, schwer einen passenden Namen finden dürfte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/315>, abgerufen am 27.12.2024.