Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.rechtlich beseitigen sollen, kann die Zeit nicht mehr erwarten und will schon vor Die Majorität wurde durch die Polen verstärkt, welche den jetzt im Mini¬ Die Minorität bestand aus den Fractionen Helgoland und Bethmann- Nachdem so die Debatte über die einzelnen Paragraphen der Regie¬ rechtlich beseitigen sollen, kann die Zeit nicht mehr erwarten und will schon vor Die Majorität wurde durch die Polen verstärkt, welche den jetzt im Mini¬ Die Minorität bestand aus den Fractionen Helgoland und Bethmann- Nachdem so die Debatte über die einzelnen Paragraphen der Regie¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186184"/> <p xml:id="ID_948" prev="#ID_947"> rechtlich beseitigen sollen, kann die Zeit nicht mehr erwarten und will schon vor<lb/> Feststellung des neuen Gesetzes dem bereits zu Tode gehetzten Gegner fallstaffartig, wie<lb/> Herr v. Bethmann-Hollweg richtig bemerkte, einen letzten Gnadenstoß beibringen.<lb/> Sie will sich die absonderliche Freude uicht versagen, die „revolutionairen" Gesetze<lb/> von 1830 in einem besondern feierlichen Autodafü zu verbrennen, damit sie nicht<lb/> klanglos, sondern nnter dem Hohngelächter der Sieger zu den Todten entwichen;<lb/> und Herr v> Gerlach hat schon erklärt, daß er, obschon sonst kein Freund poli¬<lb/> tischer Gedenktage, diesen Tag der Freude einer Erinnerungsfeier für werth<lb/> erachten würde. Solcher Stimmung gegenüber war es vergebens, daß v. Vincke,<lb/> Graf v. d. Goltz und Riedel mit aller Kraft der Beredsamkeit aus die heillosen<lb/> Folgen des Unterfangens hinwiesen, eine rechtskräftige Gesetzgebung vor Fest¬<lb/> stellung des Neuen mit einem Schlage zu beseitigen: die rechte Seite wollte ihr<lb/> Opfer haben. Durch eine Majorität von 13 Stimmen wurde der Antrag, die<lb/> Beseitigung der Gesetzgebung vou 18ö0 bis zur Feststellung der neuen Entwürfe<lb/> auszusetzen, abgelehnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_949"> Die Majorität wurde durch die Polen verstärkt, welche den jetzt im Mini¬<lb/> sterium maßgebenden Tendenzen, die provinziellen ^Gegensätze zu schärfen, mit<lb/> unverhohlener Freude zuschauen, weil sie von ihnen die Forderung eines polni¬<lb/> schen Sonderlebens im Großherzogthum Posen erwarten. Graf Cieskowski hatte<lb/> diese Ansichten offen ausgesprochen, in einer Weise, die unserer Meinung nach<lb/> geeignet war, jeden Preußen gegen die Beseitigung der Gesetze von 18ö0<lb/> bedenklich zu macheu. In der That wies Graf v. d. Goltz, mit Bezugnahme<lb/> ans jene Rede, auf die Gefahren hin, die ans einer Forderung des provinziellen<lb/> Particularismus z. B. in der Provinz Posen hervorgehen konnten; aber der<lb/> Herr Minister des Innern schüttelte diese bedeutende Hinweisung kurzweg durch<lb/> die uicht sehr trostreiche Bemerkung ab, daß die Provinziallandtage schon seit<lb/> iA Jahren rcactivirt wären, ohne die Provinz Posen zum Aufruhr verleitet zu<lb/> haben. Das war nun freilich die Meinung des Grafen Goltz nicht, daß un¬<lb/> mittelbar nach der ständischen Neactivirung Mord und Todschlag eintreten müßten.</p><lb/> <p xml:id="ID_950"> Die Minorität bestand aus den Fractionen Helgoland und Bethmann-<lb/> Hollweg, und dem größern Theil der katholischen Fraction. Zu ihnen hatten<lb/> sich mehrere Mitglieder der Rechten gesellt, wie die Abg. Asch, Blömer, Breit-<lb/> haupt, v. Bouin (Wolmirstädt), Burdach (Mitglied der Fraction Keller-Nöldechen),<lb/> Gellern, Gcras, Holzapfel, Jacobs, Rost, v. Nichthofeu und — Nyno Quedl.<lb/> Daß dieser Name bei dieser Angelegenheit aus der Stimmliste der Opposition<lb/> erscheint, giebt zu sehr interessanten Betrachtungen Veranlassung. Sie bleiben<lb/> ndeß besser ungedruckt.</p><lb/> <p xml:id="ID_951" next="#ID_952"> Nachdem so die Debatte über die einzelnen Paragraphen der Regie¬<lb/> rungsvorlage eröffnet ist, bricht in der Kammer ein wahres «auve qui peut ein.<lb/> Jeder sucht von der Gesetzgebung v. 18ü0 durch Amendements zu retten, und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0308]
rechtlich beseitigen sollen, kann die Zeit nicht mehr erwarten und will schon vor
Feststellung des neuen Gesetzes dem bereits zu Tode gehetzten Gegner fallstaffartig, wie
Herr v. Bethmann-Hollweg richtig bemerkte, einen letzten Gnadenstoß beibringen.
Sie will sich die absonderliche Freude uicht versagen, die „revolutionairen" Gesetze
von 1830 in einem besondern feierlichen Autodafü zu verbrennen, damit sie nicht
klanglos, sondern nnter dem Hohngelächter der Sieger zu den Todten entwichen;
und Herr v> Gerlach hat schon erklärt, daß er, obschon sonst kein Freund poli¬
tischer Gedenktage, diesen Tag der Freude einer Erinnerungsfeier für werth
erachten würde. Solcher Stimmung gegenüber war es vergebens, daß v. Vincke,
Graf v. d. Goltz und Riedel mit aller Kraft der Beredsamkeit aus die heillosen
Folgen des Unterfangens hinwiesen, eine rechtskräftige Gesetzgebung vor Fest¬
stellung des Neuen mit einem Schlage zu beseitigen: die rechte Seite wollte ihr
Opfer haben. Durch eine Majorität von 13 Stimmen wurde der Antrag, die
Beseitigung der Gesetzgebung vou 18ö0 bis zur Feststellung der neuen Entwürfe
auszusetzen, abgelehnt.
Die Majorität wurde durch die Polen verstärkt, welche den jetzt im Mini¬
sterium maßgebenden Tendenzen, die provinziellen ^Gegensätze zu schärfen, mit
unverhohlener Freude zuschauen, weil sie von ihnen die Forderung eines polni¬
schen Sonderlebens im Großherzogthum Posen erwarten. Graf Cieskowski hatte
diese Ansichten offen ausgesprochen, in einer Weise, die unserer Meinung nach
geeignet war, jeden Preußen gegen die Beseitigung der Gesetze von 18ö0
bedenklich zu macheu. In der That wies Graf v. d. Goltz, mit Bezugnahme
ans jene Rede, auf die Gefahren hin, die ans einer Forderung des provinziellen
Particularismus z. B. in der Provinz Posen hervorgehen konnten; aber der
Herr Minister des Innern schüttelte diese bedeutende Hinweisung kurzweg durch
die uicht sehr trostreiche Bemerkung ab, daß die Provinziallandtage schon seit
iA Jahren rcactivirt wären, ohne die Provinz Posen zum Aufruhr verleitet zu
haben. Das war nun freilich die Meinung des Grafen Goltz nicht, daß un¬
mittelbar nach der ständischen Neactivirung Mord und Todschlag eintreten müßten.
Die Minorität bestand aus den Fractionen Helgoland und Bethmann-
Hollweg, und dem größern Theil der katholischen Fraction. Zu ihnen hatten
sich mehrere Mitglieder der Rechten gesellt, wie die Abg. Asch, Blömer, Breit-
haupt, v. Bouin (Wolmirstädt), Burdach (Mitglied der Fraction Keller-Nöldechen),
Gellern, Gcras, Holzapfel, Jacobs, Rost, v. Nichthofeu und — Nyno Quedl.
Daß dieser Name bei dieser Angelegenheit aus der Stimmliste der Opposition
erscheint, giebt zu sehr interessanten Betrachtungen Veranlassung. Sie bleiben
ndeß besser ungedruckt.
Nachdem so die Debatte über die einzelnen Paragraphen der Regie¬
rungsvorlage eröffnet ist, bricht in der Kammer ein wahres «auve qui peut ein.
Jeder sucht von der Gesetzgebung v. 18ü0 durch Amendements zu retten, und
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