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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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gut gefällt, und deshalb häufig wiederholt wird, beträgt sie von Wien und
Berlin wohl mehr als das, was alle übrige" Theater zusammen zahlen. Die
übrigen Hoftheater und größeren Stadttheater haben meist feste Sätze, welche
hier aufzuzählen doch gar zu indiscret wäre, der Dichter muß sie von einem
erfahrenen Kollegen zu erhalten suchen, sie werdeu häufig in Gold gezahlt und
betragen jede Summe zwischen etwa 1ö bis etwa 3 Friedrichsd'or. Die kleinen
festen Stadttheater zahlen in der Regel noch weniger und die halbsesteu Wander¬
truppen am liebsten gar nichts.

Wenn der junge Dramatiker gut thut, sein Stück an etwa 13 bis 20 grö¬
ßere oder gut renvmirte Theater selbst zu versenden, so ist doch vortheilhaft,
daß er die große Masse der kleinen Theater einem Geschästöbureau, welches weite
Verbindungen hat, übergiebt. Mit diesem macht er einen Contract, durch den
er sich den Verkehr mit jenen bestimmten größeren Bühnen vorbehält u. s. w.
Dagegen übergiebt er dem Commissionair eine bestimmte Anzahl Exemplare und
stipulirt bestimmte Termine der Abrechnung. Hat er dies Alles gethan, so wird
er bei günstigem Erfolge seines Stückes bald durch eine ziemlich umfangreiche
Correspondenz in die Geheimnisse des Theaterlcbens eingeweiht werden. Es
wird vortheilhaft sein, wenn er geschäftsmäßig Buch führt über seine Korrespon¬
denz und seine Theaterrevennen. Ueber letztere mache er sich keine Illusionen.
Es ist in Deutschland möglich, von einzelnen Stücken, welche ausgezeichneten Er¬
folg haben, eine Einnahme zu erhalte", welche über das zweite Tausend hinaus¬
geht, das aber sind sehr seltene Fälle. Wer in seinen Stücken große Ansprüche
an die Kunst der Darsteller macht, der wird nur bescheidene Ansprüche an die
Geldmassen der Erde machen dürfen.

Und zuletzt, wenn der junge Bühnendichter in solcher Art das Kind seiner
Träume in die Welt geschickt hat, wird er hinreichend Gelegenheit haben, noch
etwas Anderes an sich herauszubilden als Bühnenkenntuiß. Es wird seine Pflicht
sein,' glänzende Erfolge zu ertragen, ohne übermüthig und eingebildet zu werden,
und melancholische Niederlagen, ohne den Muth zu verlieren. Er wird viele Ge¬
legenheit haben, sein Selbstgefühl zu prüfen und zu bilden, und wird auch in dem
luftigen Reich der Bühne, gegenüber den Darstellern, den Tagesschriftstellern und
dem Publicum noch etwas aus sich macheu können, was nach der Meinung eini¬
ger alter Souffleure mehr werth ist, als ein gewandter und geistreicher Büh¬
nenschriftsteller, einen festen Mann, der das Edle nicht nur in seinen Träumen
empfindet, sondern anch dnrch sein eigenes Leben darzustellen redlich und unab-
läßig bemüht sein soll.




gut gefällt, und deshalb häufig wiederholt wird, beträgt sie von Wien und
Berlin wohl mehr als das, was alle übrige» Theater zusammen zahlen. Die
übrigen Hoftheater und größeren Stadttheater haben meist feste Sätze, welche
hier aufzuzählen doch gar zu indiscret wäre, der Dichter muß sie von einem
erfahrenen Kollegen zu erhalten suchen, sie werdeu häufig in Gold gezahlt und
betragen jede Summe zwischen etwa 1ö bis etwa 3 Friedrichsd'or. Die kleinen
festen Stadttheater zahlen in der Regel noch weniger und die halbsesteu Wander¬
truppen am liebsten gar nichts.

Wenn der junge Dramatiker gut thut, sein Stück an etwa 13 bis 20 grö¬
ßere oder gut renvmirte Theater selbst zu versenden, so ist doch vortheilhaft,
daß er die große Masse der kleinen Theater einem Geschästöbureau, welches weite
Verbindungen hat, übergiebt. Mit diesem macht er einen Contract, durch den
er sich den Verkehr mit jenen bestimmten größeren Bühnen vorbehält u. s. w.
Dagegen übergiebt er dem Commissionair eine bestimmte Anzahl Exemplare und
stipulirt bestimmte Termine der Abrechnung. Hat er dies Alles gethan, so wird
er bei günstigem Erfolge seines Stückes bald durch eine ziemlich umfangreiche
Correspondenz in die Geheimnisse des Theaterlcbens eingeweiht werden. Es
wird vortheilhaft sein, wenn er geschäftsmäßig Buch führt über seine Korrespon¬
denz und seine Theaterrevennen. Ueber letztere mache er sich keine Illusionen.
Es ist in Deutschland möglich, von einzelnen Stücken, welche ausgezeichneten Er¬
folg haben, eine Einnahme zu erhalte», welche über das zweite Tausend hinaus¬
geht, das aber sind sehr seltene Fälle. Wer in seinen Stücken große Ansprüche
an die Kunst der Darsteller macht, der wird nur bescheidene Ansprüche an die
Geldmassen der Erde machen dürfen.

Und zuletzt, wenn der junge Bühnendichter in solcher Art das Kind seiner
Träume in die Welt geschickt hat, wird er hinreichend Gelegenheit haben, noch
etwas Anderes an sich herauszubilden als Bühnenkenntuiß. Es wird seine Pflicht
sein,' glänzende Erfolge zu ertragen, ohne übermüthig und eingebildet zu werden,
und melancholische Niederlagen, ohne den Muth zu verlieren. Er wird viele Ge¬
legenheit haben, sein Selbstgefühl zu prüfen und zu bilden, und wird auch in dem
luftigen Reich der Bühne, gegenüber den Darstellern, den Tagesschriftstellern und
dem Publicum noch etwas aus sich macheu können, was nach der Meinung eini¬
ger alter Souffleure mehr werth ist, als ein gewandter und geistreicher Büh¬
nenschriftsteller, einen festen Mann, der das Edle nicht nur in seinen Träumen
empfindet, sondern anch dnrch sein eigenes Leben darzustellen redlich und unab-
läßig bemüht sein soll.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/293>, abgerufen am 24.07.2024.