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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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fischfahrer und zum Zwecke der Wissenschaft ausgerüstete Expeditionen Veran¬
lassung finden, diese hohen Breiten zu besuchen. Deshalb ist uns von der antarkti¬
schen Region viel weniger bekannt, als von der arktischen, aber selbst dieses Wenige
giebt einen sehr wesentlichen Beitrag zu der Losung einiger der wichtigsten physi¬
kalischen und naturhistorischen Fragen, und genügt uns, den Südpol mit einem
von dem Nordpol ganz verschiedenen Charakter zu bekleiden. Während letzteren, wie
man aus der Richtung der Strömungen und verschiedenen anderen Erscheinungen
fast mit absoluter Gewißheit schließen kann, ein großes Bassin von 2i00 geogr.
Meilen im Durchmesser umgiebt, dessen Grenzen den nördlichen Rand der drei
Continente, Amerika, Asien und Europa bilden, steigt im Süden schon unter
dem L7. Breitengrade eine unübersteigliche Mauer vulkanischer Massen empor, die
allem Anschein nach der Rand eines den ganzen Südpol umgebenden Kon¬
tinents ist.

Schon im vorigen Jahrhundert glaubte man diesen neuen Kontinent gesunden
zu haben, als im Jahre 1772 ein französischer Schiffslieutenant Kerguelen die nach
ihm benannte Insel entdeckte, doch Cook klärte den Irrthum auf. Aber
obgleich diese Insel noch weit von dem Südpolarkreis liegt, und nicht ein¬
mal den 8V. Breitengrad erreicht, sind ihr doch schon die beiden hervorstehen¬
den Charakterzüge des antarktischen Continents aufgeprägt: die rein vulkanische
Bildung und die ausnehmend dürftige Entwickelung alles organischen Lebens.
Während man ans der Melvilleinsel unter dem 78." n. Br. und ans Spitzbergen
unter dem 80." resp. 67 und is Arten Phanerogamen findet, kann Kergueleuiusel
nur 18 ausweisen, die mehr als zur Hälfte der niedern Form der Gräser ange¬
hören. Bänme oder Sträucher fehlen ganz, und die größte vorkommende Pflanze
ist eine autiscvrbutische Umbellifere. Größere Landthiere sind ebenfalls nicht vor¬
handen, nnr das Meer wimmelt von Walisischen, Seeelephauten und verschiede¬
nen Arten Fischen, und die Strandfelsen von Möven, Pinguinen, Sturmvögeln
n. s. w. Auch hier hat die nördliche Hemisphäre den Vorzug, denn das Renn-
thier und der Bisamochse kommen bis zum 78. Breitengrade vor, ans der Melville¬
insel wächst noch die Zwergweide, und auf Spitzbergen findet noch das Nennthier
üppige Weide.

Auf derselben Fahrt (1778), wo Cook die Entdeckung Kergnelens berichtigte,
fand er selbst 10 Breitengrade südlicher, aber unter dem 28. Grad w. L. das
Sandwichland, eine Inselgruppe. Erst 1819 machte man in dieser Region neue
Fortschritte, indem Capit. Smith von der Brig William die Gruppe Nensüdschetland
entdeckte. Damit schien der Eifer der Seefahrer neu belebt zu werden. Der Russe
Bellinghausen entdeckte 1821 die PcterSinscl unter dem 89." w. L. und "9."
s. B., ferner etwas nördlicher die Küste Alexander I,, die sich später als eine
Insel herausgestellt hat, hinter der jedoch Biseoe 1832 etwas weiter nach Osten
einen Küstenstrich erblickte, welche" er Grahamöland nannte, und der sich ununter-


fischfahrer und zum Zwecke der Wissenschaft ausgerüstete Expeditionen Veran¬
lassung finden, diese hohen Breiten zu besuchen. Deshalb ist uns von der antarkti¬
schen Region viel weniger bekannt, als von der arktischen, aber selbst dieses Wenige
giebt einen sehr wesentlichen Beitrag zu der Losung einiger der wichtigsten physi¬
kalischen und naturhistorischen Fragen, und genügt uns, den Südpol mit einem
von dem Nordpol ganz verschiedenen Charakter zu bekleiden. Während letzteren, wie
man aus der Richtung der Strömungen und verschiedenen anderen Erscheinungen
fast mit absoluter Gewißheit schließen kann, ein großes Bassin von 2i00 geogr.
Meilen im Durchmesser umgiebt, dessen Grenzen den nördlichen Rand der drei
Continente, Amerika, Asien und Europa bilden, steigt im Süden schon unter
dem L7. Breitengrade eine unübersteigliche Mauer vulkanischer Massen empor, die
allem Anschein nach der Rand eines den ganzen Südpol umgebenden Kon¬
tinents ist.

Schon im vorigen Jahrhundert glaubte man diesen neuen Kontinent gesunden
zu haben, als im Jahre 1772 ein französischer Schiffslieutenant Kerguelen die nach
ihm benannte Insel entdeckte, doch Cook klärte den Irrthum auf. Aber
obgleich diese Insel noch weit von dem Südpolarkreis liegt, und nicht ein¬
mal den 8V. Breitengrad erreicht, sind ihr doch schon die beiden hervorstehen¬
den Charakterzüge des antarktischen Continents aufgeprägt: die rein vulkanische
Bildung und die ausnehmend dürftige Entwickelung alles organischen Lebens.
Während man ans der Melvilleinsel unter dem 78." n. Br. und ans Spitzbergen
unter dem 80." resp. 67 und is Arten Phanerogamen findet, kann Kergueleuiusel
nur 18 ausweisen, die mehr als zur Hälfte der niedern Form der Gräser ange¬
hören. Bänme oder Sträucher fehlen ganz, und die größte vorkommende Pflanze
ist eine autiscvrbutische Umbellifere. Größere Landthiere sind ebenfalls nicht vor¬
handen, nnr das Meer wimmelt von Walisischen, Seeelephauten und verschiede¬
nen Arten Fischen, und die Strandfelsen von Möven, Pinguinen, Sturmvögeln
n. s. w. Auch hier hat die nördliche Hemisphäre den Vorzug, denn das Renn-
thier und der Bisamochse kommen bis zum 78. Breitengrade vor, ans der Melville¬
insel wächst noch die Zwergweide, und auf Spitzbergen findet noch das Nennthier
üppige Weide.

Auf derselben Fahrt (1778), wo Cook die Entdeckung Kergnelens berichtigte,
fand er selbst 10 Breitengrade südlicher, aber unter dem 28. Grad w. L. das
Sandwichland, eine Inselgruppe. Erst 1819 machte man in dieser Region neue
Fortschritte, indem Capit. Smith von der Brig William die Gruppe Nensüdschetland
entdeckte. Damit schien der Eifer der Seefahrer neu belebt zu werden. Der Russe
Bellinghausen entdeckte 1821 die PcterSinscl unter dem 89." w. L. und «9."
s. B., ferner etwas nördlicher die Küste Alexander I,, die sich später als eine
Insel herausgestellt hat, hinter der jedoch Biseoe 1832 etwas weiter nach Osten
einen Küstenstrich erblickte, welche» er Grahamöland nannte, und der sich ununter-


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[0266] fischfahrer und zum Zwecke der Wissenschaft ausgerüstete Expeditionen Veran¬ lassung finden, diese hohen Breiten zu besuchen. Deshalb ist uns von der antarkti¬ schen Region viel weniger bekannt, als von der arktischen, aber selbst dieses Wenige giebt einen sehr wesentlichen Beitrag zu der Losung einiger der wichtigsten physi¬ kalischen und naturhistorischen Fragen, und genügt uns, den Südpol mit einem von dem Nordpol ganz verschiedenen Charakter zu bekleiden. Während letzteren, wie man aus der Richtung der Strömungen und verschiedenen anderen Erscheinungen fast mit absoluter Gewißheit schließen kann, ein großes Bassin von 2i00 geogr. Meilen im Durchmesser umgiebt, dessen Grenzen den nördlichen Rand der drei Continente, Amerika, Asien und Europa bilden, steigt im Süden schon unter dem L7. Breitengrade eine unübersteigliche Mauer vulkanischer Massen empor, die allem Anschein nach der Rand eines den ganzen Südpol umgebenden Kon¬ tinents ist. Schon im vorigen Jahrhundert glaubte man diesen neuen Kontinent gesunden zu haben, als im Jahre 1772 ein französischer Schiffslieutenant Kerguelen die nach ihm benannte Insel entdeckte, doch Cook klärte den Irrthum auf. Aber obgleich diese Insel noch weit von dem Südpolarkreis liegt, und nicht ein¬ mal den 8V. Breitengrad erreicht, sind ihr doch schon die beiden hervorstehen¬ den Charakterzüge des antarktischen Continents aufgeprägt: die rein vulkanische Bildung und die ausnehmend dürftige Entwickelung alles organischen Lebens. Während man ans der Melvilleinsel unter dem 78." n. Br. und ans Spitzbergen unter dem 80." resp. 67 und is Arten Phanerogamen findet, kann Kergueleuiusel nur 18 ausweisen, die mehr als zur Hälfte der niedern Form der Gräser ange¬ hören. Bänme oder Sträucher fehlen ganz, und die größte vorkommende Pflanze ist eine autiscvrbutische Umbellifere. Größere Landthiere sind ebenfalls nicht vor¬ handen, nnr das Meer wimmelt von Walisischen, Seeelephauten und verschiede¬ nen Arten Fischen, und die Strandfelsen von Möven, Pinguinen, Sturmvögeln n. s. w. Auch hier hat die nördliche Hemisphäre den Vorzug, denn das Renn- thier und der Bisamochse kommen bis zum 78. Breitengrade vor, ans der Melville¬ insel wächst noch die Zwergweide, und auf Spitzbergen findet noch das Nennthier üppige Weide. Auf derselben Fahrt (1778), wo Cook die Entdeckung Kergnelens berichtigte, fand er selbst 10 Breitengrade südlicher, aber unter dem 28. Grad w. L. das Sandwichland, eine Inselgruppe. Erst 1819 machte man in dieser Region neue Fortschritte, indem Capit. Smith von der Brig William die Gruppe Nensüdschetland entdeckte. Damit schien der Eifer der Seefahrer neu belebt zu werden. Der Russe Bellinghausen entdeckte 1821 die PcterSinscl unter dem 89." w. L. und «9." s. B., ferner etwas nördlicher die Küste Alexander I,, die sich später als eine Insel herausgestellt hat, hinter der jedoch Biseoe 1832 etwas weiter nach Osten einen Küstenstrich erblickte, welche» er Grahamöland nannte, und der sich ununter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/266>, abgerufen am 04.07.2024.