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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Syrakus bis Palermo, und konnten deutlich alle Städte, Flecken und Dörfer, ja
sogar die Kirchen und Klöster auf der Insel zählen, weiter östlich das dnrch die
Meerenge gleichwie durch einen Silberfaden abgetrennte Calabrien, nördlich die
Gruppe der Liparen, und westlich diejenige der Aegaden, ringsum drei Meere,
das Ionische, Tyrrhenische und Mittelländische, im fernen Westen Malta als
kleiner schwarzer Punkt, und im Süden einen grauen Nebelstreif, die Küste Afrikas;
das Alles sahen wir von unsrem erhabenen Standpunkte aus, über welchen sich
der reinste südliche Himmel wölbte. Kann man sich Größeres, Schöneres denken,
und ist es zu verwundern, wenn der Mensch, von seinen Gefühlen fortgerissen, an
solchen Orten auf die Knie sinkt und die Hände zu dem unerforschlichen Wesen
erhebt, das Alles so herrlich gemacht hat?

Obgleich der Aetna niedriger ist als der Mont Blanc -- er erhebt sich be¬
kanntlich nnr 12,L00 Fuß über die Meeresfläche -- so ist die Aussicht von seinem
Gipfel aus doch eine weit umfassende, weil sie dnrch keine anderen Berge gehindert
wird ,, wie dies in der Schweiz der Fall ist.

Den Krater des Feuerberges betrachteten wir, um nicht schwindlich zu werden,
auf dem Bauche liegend. Seine Wände fallen senkrecht ab und bilden einen
Abgrund, dessen Boden man mit dem Auge nicht erreichen kann. Da die Sonne
noch ziemlich tief stand, so lag der grauliche Schlund noch vollkommen im Dunkel,
und wir konnten deshalb deutlich Tausende von blauen Manchen wahrnehmen,
welche aus den Sparreu der Wände heransznngelten. Außer den beiden Kuppen
eines, wie es scheint gespaltenen Felsens, der mitten aus dem Abgrund hervorragt,
einem weit'.geringern Rauche, als wie er dem Vesuv entströmt, und einem bald
stärkern, bald schwächern Getöse, konnten wir nichts wahrnehmen, was um Suber den
innern Bau des Vulcans hätte einigen Aufschluß geben können. Hier will, scheint
es, die- Natur über ihr Schaffen das Geheimnis; bewahren.

Nach einem Aufenthalt von anderthalb Stunden traten wir den Rückweg an,
erreichten um 7 Uhr früh die Casa Juglese, wo wir frühstückten, um 10 Uhr die
Casa del Bosco, woselbst wir unsre Thiere bestiegen, und um 1 Uhr Nicolvsi,
wo die Wagen uns erwarteten. Sechs Stunden später trafen wir in Katania ein,
und hatten viel Ruhe und Schlaf nöthig, um wieder zu Kräften zu kommen.
Es ist wahr, das Unternehmen, den Aetna zu besteigen, war ein großes und mit
unsäglichen Mühen verknüpftes, aber der Lohn dafür auch ein herrlicher; die Erinne¬
rung an das, was mein Auge erschaut hat, wird mir ewig frisch bleiben, und
manchen Augenblick meines Lebens verschönern.




Syrakus bis Palermo, und konnten deutlich alle Städte, Flecken und Dörfer, ja
sogar die Kirchen und Klöster auf der Insel zählen, weiter östlich das dnrch die
Meerenge gleichwie durch einen Silberfaden abgetrennte Calabrien, nördlich die
Gruppe der Liparen, und westlich diejenige der Aegaden, ringsum drei Meere,
das Ionische, Tyrrhenische und Mittelländische, im fernen Westen Malta als
kleiner schwarzer Punkt, und im Süden einen grauen Nebelstreif, die Küste Afrikas;
das Alles sahen wir von unsrem erhabenen Standpunkte aus, über welchen sich
der reinste südliche Himmel wölbte. Kann man sich Größeres, Schöneres denken,
und ist es zu verwundern, wenn der Mensch, von seinen Gefühlen fortgerissen, an
solchen Orten auf die Knie sinkt und die Hände zu dem unerforschlichen Wesen
erhebt, das Alles so herrlich gemacht hat?

Obgleich der Aetna niedriger ist als der Mont Blanc — er erhebt sich be¬
kanntlich nnr 12,L00 Fuß über die Meeresfläche — so ist die Aussicht von seinem
Gipfel aus doch eine weit umfassende, weil sie dnrch keine anderen Berge gehindert
wird ,, wie dies in der Schweiz der Fall ist.

Den Krater des Feuerberges betrachteten wir, um nicht schwindlich zu werden,
auf dem Bauche liegend. Seine Wände fallen senkrecht ab und bilden einen
Abgrund, dessen Boden man mit dem Auge nicht erreichen kann. Da die Sonne
noch ziemlich tief stand, so lag der grauliche Schlund noch vollkommen im Dunkel,
und wir konnten deshalb deutlich Tausende von blauen Manchen wahrnehmen,
welche aus den Sparreu der Wände heransznngelten. Außer den beiden Kuppen
eines, wie es scheint gespaltenen Felsens, der mitten aus dem Abgrund hervorragt,
einem weit'.geringern Rauche, als wie er dem Vesuv entströmt, und einem bald
stärkern, bald schwächern Getöse, konnten wir nichts wahrnehmen, was um Suber den
innern Bau des Vulcans hätte einigen Aufschluß geben können. Hier will, scheint
es, die- Natur über ihr Schaffen das Geheimnis; bewahren.

Nach einem Aufenthalt von anderthalb Stunden traten wir den Rückweg an,
erreichten um 7 Uhr früh die Casa Juglese, wo wir frühstückten, um 10 Uhr die
Casa del Bosco, woselbst wir unsre Thiere bestiegen, und um 1 Uhr Nicolvsi,
wo die Wagen uns erwarteten. Sechs Stunden später trafen wir in Katania ein,
und hatten viel Ruhe und Schlaf nöthig, um wieder zu Kräften zu kommen.
Es ist wahr, das Unternehmen, den Aetna zu besteigen, war ein großes und mit
unsäglichen Mühen verknüpftes, aber der Lohn dafür auch ein herrlicher; die Erinne¬
rung an das, was mein Auge erschaut hat, wird mir ewig frisch bleiben, und
manchen Augenblick meines Lebens verschönern.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/87>, abgerufen am 19.10.2024.