Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.als allgemeines Lastthier und Sündenbock der ganzen Gesellschaft, unsren Winter¬ Nicolosi ist, wie bereits erwähnt, der letzte bewohnte Punkt am untern Gürtel Bei unsrem Abzug aus Nicolosi gelangten wir nicht unmittelbar in die Wald¬ Dieser Wald muß, meiner Ansicht nach, besonders für den Naturforscher als allgemeines Lastthier und Sündenbock der ganzen Gesellschaft, unsren Winter¬ Nicolosi ist, wie bereits erwähnt, der letzte bewohnte Punkt am untern Gürtel Bei unsrem Abzug aus Nicolosi gelangten wir nicht unmittelbar in die Wald¬ Dieser Wald muß, meiner Ansicht nach, besonders für den Naturforscher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95061"/> <p xml:id="ID_167" prev="#ID_166"> als allgemeines Lastthier und Sündenbock der ganzen Gesellschaft, unsren Winter¬<lb/> staat, die sogenannte Robe, so wie die in Katania eingekauften Lebensmittel.<lb/> Obgleich die Temperatur schon bedeutend niedriger war, als in Katania, so hatten<lb/> wir doch immer noch bedeutende Hitze und begannen deshalb unsren Marsch in<lb/> leichten Reisehemden.</p><lb/> <p xml:id="ID_168"> Nicolosi ist, wie bereits erwähnt, der letzte bewohnte Punkt am untern Gürtel<lb/> des Aetna; weiter hinauf hatten wir also keine menschliche Wohnung zu hoffen.<lb/> — Der Raum zwischen Katania und dem Gipfel des Vulcans wird allgemein in<lb/> drei Theile oder sogenannte Regionen eingetheilt; der erste, noch gut bebaut und<lb/> bewohnt, erstreckt sich bis Nicolosi, der zweite, die Waldregion, bis zur Casa de<lb/> Bosco oder Casa del Neve (dem Walde oder Schneehaus); der dritte endlich,<lb/> die Schneeregion, reicht bis zur Casa Jnglese, dem englischen Hause, das am<lb/> Fuße des Aschenkegels steht. Von hier aus noch weiter hinauf gelangt man zum<lb/> Krater, aus welchem fortwährend Rauch in die Höhe steigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_169"> Bei unsrem Abzug aus Nicolosi gelangten wir nicht unmittelbar in die Wald¬<lb/> region, sondern mußten erst eine wol eine halbe Meile lange Steppe durchschreiten,<lb/> welche mit einem rothen Sande, oder vielmehr mit der Asche einer verbrannten<lb/> metallischen Schlacke bedeckt war, welche 1669 der Monte Rosso ausgeworfen,<lb/> und davon auch den Namen bekommen hatte. Erst als wir diese öde Fläche<lb/> hinter uns hatten, betraten wir den Kastanienwald, welcher den Aetna gleich einem<lb/> Gürtel rings umgiebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_170" next="#ID_171"> Dieser Wald muß, meiner Ansicht nach, besonders für den Naturforscher<lb/> vom größten Interesse sein. Auf dem Boden, den er bedeckt, erblickt man auch<lb/> nicht eine Spur von Erde, aus der nur ein Grashälmchen, geschweige denn ein<lb/> so ungeheurer Wald emporwachsen konnte, sondern er besteht aus nacktem, kahlem<lb/> Stein. Die Ursache davon mag vielleicht sein, daß in dieser Hohe der Atmo¬<lb/> sphäre schon die Kraft mangelt, die Lava zu zersetzen, vielleicht auch, daß der<lb/> Feuerstrom, der hier Halt machte, aus Theilen besteht, die jedem klimatischen<lb/> Einflüsse trotzen. In diesem Boden nun wurzelt der Wald, dem man es'auf<lb/> den ersten Blick ansieht, er müsse ein urweltlicher und wol so alt, wie der Aetna<lb/> selbst sein. Er scheint sich durchaus nicht zu erneuern, denn außer den himmel¬<lb/> hohen Bäumen sieht man durchaus keinen jungen Nachwuchs. Jeder Stamm in<lb/> dem ungeheuern Forste ist ein Riese, der von oben bis unten mit Moos und<lb/> weißlich-braunem Schwamm überzogen ist, die Gestalt desselben fast durchgängig<lb/> eine abenteuerliche, phantastische, die von dem schweren Kampfe zeigt, mit welchem<lb/> die Natur hier geschaffen haben muß. Nirgends schießt er gerade in die Höhe,<lb/> wie in anderen Wäldern, sondern von der Erde an windet er sich in den mannich-<lb/> faltigsten Krümmungen, und bildet fortwährend Knorren und Knoten, gerade so,<lb/> als ob eine Gewalt im Innern der Erde ihn mühevoll und langsam heraus¬<lb/> gepreßt hätte. Die Wurzeln der Bäume liegen meist auf der Erde, und haben</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
als allgemeines Lastthier und Sündenbock der ganzen Gesellschaft, unsren Winter¬
staat, die sogenannte Robe, so wie die in Katania eingekauften Lebensmittel.
Obgleich die Temperatur schon bedeutend niedriger war, als in Katania, so hatten
wir doch immer noch bedeutende Hitze und begannen deshalb unsren Marsch in
leichten Reisehemden.
Nicolosi ist, wie bereits erwähnt, der letzte bewohnte Punkt am untern Gürtel
des Aetna; weiter hinauf hatten wir also keine menschliche Wohnung zu hoffen.
— Der Raum zwischen Katania und dem Gipfel des Vulcans wird allgemein in
drei Theile oder sogenannte Regionen eingetheilt; der erste, noch gut bebaut und
bewohnt, erstreckt sich bis Nicolosi, der zweite, die Waldregion, bis zur Casa de
Bosco oder Casa del Neve (dem Walde oder Schneehaus); der dritte endlich,
die Schneeregion, reicht bis zur Casa Jnglese, dem englischen Hause, das am
Fuße des Aschenkegels steht. Von hier aus noch weiter hinauf gelangt man zum
Krater, aus welchem fortwährend Rauch in die Höhe steigt.
Bei unsrem Abzug aus Nicolosi gelangten wir nicht unmittelbar in die Wald¬
region, sondern mußten erst eine wol eine halbe Meile lange Steppe durchschreiten,
welche mit einem rothen Sande, oder vielmehr mit der Asche einer verbrannten
metallischen Schlacke bedeckt war, welche 1669 der Monte Rosso ausgeworfen,
und davon auch den Namen bekommen hatte. Erst als wir diese öde Fläche
hinter uns hatten, betraten wir den Kastanienwald, welcher den Aetna gleich einem
Gürtel rings umgiebt.
Dieser Wald muß, meiner Ansicht nach, besonders für den Naturforscher
vom größten Interesse sein. Auf dem Boden, den er bedeckt, erblickt man auch
nicht eine Spur von Erde, aus der nur ein Grashälmchen, geschweige denn ein
so ungeheurer Wald emporwachsen konnte, sondern er besteht aus nacktem, kahlem
Stein. Die Ursache davon mag vielleicht sein, daß in dieser Hohe der Atmo¬
sphäre schon die Kraft mangelt, die Lava zu zersetzen, vielleicht auch, daß der
Feuerstrom, der hier Halt machte, aus Theilen besteht, die jedem klimatischen
Einflüsse trotzen. In diesem Boden nun wurzelt der Wald, dem man es'auf
den ersten Blick ansieht, er müsse ein urweltlicher und wol so alt, wie der Aetna
selbst sein. Er scheint sich durchaus nicht zu erneuern, denn außer den himmel¬
hohen Bäumen sieht man durchaus keinen jungen Nachwuchs. Jeder Stamm in
dem ungeheuern Forste ist ein Riese, der von oben bis unten mit Moos und
weißlich-braunem Schwamm überzogen ist, die Gestalt desselben fast durchgängig
eine abenteuerliche, phantastische, die von dem schweren Kampfe zeigt, mit welchem
die Natur hier geschaffen haben muß. Nirgends schießt er gerade in die Höhe,
wie in anderen Wäldern, sondern von der Erde an windet er sich in den mannich-
faltigsten Krümmungen, und bildet fortwährend Knorren und Knoten, gerade so,
als ob eine Gewalt im Innern der Erde ihn mühevoll und langsam heraus¬
gepreßt hätte. Die Wurzeln der Bäume liegen meist auf der Erde, und haben
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