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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Freunde es vielleicht vermutheten, und vielleicht in einer gewissen Verstimmung darüber
wirst er sich jetzt in ganz gewöhnliche Effccthascherci. Dabei kann ihn das veränderte
Genre keineswegs entschuldigen, denn das Lustspiel verlangt eben so viel Styl und
künstlerische Methode, als die Tragödie. Möge er bei einem neuen Versuch wieder die
alte künstlerische Gewissenhaftigkeit entwickeln. Ein ernstes, ehrliches Streben dringt
doch durch, und was die Hauptsache ist, sein eigenes Talent kann sich mir dann ent¬
falten, wenn er überall der Wahrheit nachgeht.--Ein anderes Lustspiel von
Eduard Boas: "Liebcsintrigncn", gehört in die Gattung der Reproductionen früherer
Stücke, die wir absolut Verwerfen müssen. Herr Boas hat eine Li.cbesgeschichtc des
Shakespeare darstellen wollen, ungefähr wie es Tieck in der Novelle: "Der Dichter und
sein Freund", gethan; dieser Intrigue selbst hat er aber wenig Raum gegeben und statt
dessen eine Menge komischer Personen aus Shakespeare's Stücken, namentlich aus:
"Was Ihr wollt" eingeführt, die nicht im geringsten Zusammenhang mit einander
stehen, und die an sich Viel schwächer find, als diejenigen, die wir bereits in Shake¬
speare haben. Außerdem läßt er, um den Ton der Shakespeare'schen Zeit zu treffen,
sämmtliche Personen, namentlich aber den Dichter, sich in beständigen Wortwitzen unter-
halten, die schon in den betreffende" Stellen Shakespeare'S ziemlich langweilig sind,, die
aber hier, wo sie gar kein Ende nehmen, geradezu unerträglich werden. Die Pointe
des Stücks ist, daß Shakespeare erklärt, er werde über die Erlebnisse des Abends ein
Lustspiel schreiben, welches den Titel führen soll: "Was Ihr wollt." Nun hat das
Shakespeare in der That gethan, und wenn er aus dem albernen Stoff, wie ihn uus
das gegenwärtige Slück potraitirt, wirklich ein so allerliebstes Lustspiel coniponirt hat,
wie: 5,Was Ihr wollt", so ist das sehr anerkennenswert!); aber diese Betrachtung
kommt Herrn Boas nicht zu Gute.--Sehr vortheilhaft gegen diese Stücke stach
das bekannte Lustspiel Von Alb in i ab: "Die gefährliche Tante", ans den ersten dreißiger
Jahren. Nicht als ob es irgendwie bedeutend wäre, aber der Dichter hat sich doch
die Mühe gegeben, bestimmte Figuren in scharfen Umrissen zu zeichnen und dem Schau¬
spieler Gelegenheit zu geben, sich natürlich zu bewegen. Freilich haben wir aus der
Ausführung' mit Schrecken gesehen, wie selbst im Vergleich mit jener Zeit das Theater
verwildert--Dagegen gab die Aufführung der Mozart'schen Oper: "Belmont
und Constanze", ein sehr 'befriedigendes Resultat und läßt uns wünschen, daß unsre
Theater sich ans diese reizende ältere Musik, die den feinsten Humor mit künstlerischem
Idealismus auf das Glücklichste vereinigt, ernsthafter wieder werfen möchten. -- --

Wir hatten von dem berühmten Mohren oder Mulatten Jra Aldridg c eine Charak¬
teristik gegeben, so weit wir sie aus dem Eindruck, den die Vorstellung des "Othello"
aus uns gemacht, entnehmen konnten. Die Vorstellung des "Macbeth" hat an unsrem
Urtheil nichts geändert, nur war sie in jeder Beziehung schwächer, als die des Othello.
Dagegen hat er in der kleinen, für ihn eingerichteten Posse: "Das Vorhängeschloß"
gezeigt, worin eigentlich seine Stärke liegt. Er macht hier einen faulen trunksüchtigen
Negersclaven, der zur größern Hälfte Bestie ist und nur sehr schwach an ein menschliches
Wesen erinnert. Zwar ging die Naturtreue dieser Darstellung weit über die Schönheits-
linie hinaus und einzelne Scenen waren bis zum Ekel widerwärtig; aber er entwickelt
doch eine außerordentliche Kraft, das wirkliche Leben nachzuahmen. Nehmen wir noch
dazu sein Talent, Leidenschaften von etwas grober und wilder Art, so wie weiche
Gefühle darzustellen, so dürste das von den neueren Franzosen mit großer Virtuosität
ausgebildete Genre der rührend tragischen Possen, worin Frvdcric Lemaitre der berühm¬
teste Virtuose ist, und wovon wir in Deutschland im "Bajazzo" und dem "Lumpen¬
sammler" bemerkenswerthe Beispiele gesehen haben, dasjenige sein, in dem er seine Art
Talent am unbefangensten entfaltet, und zu dem er eigentlich bestimmt ist.

Neulich bot uns das Theater den seltenen Genuß, die große Arie der Agathe aus
dem "Freischütz" von einem Mamsellchen zu hören, das Höschen und lange Zöpfe trug,
und mit einer Bekleidung, welche sonst nur in Palleten angewendet wird. Wenn wir für


Freunde es vielleicht vermutheten, und vielleicht in einer gewissen Verstimmung darüber
wirst er sich jetzt in ganz gewöhnliche Effccthascherci. Dabei kann ihn das veränderte
Genre keineswegs entschuldigen, denn das Lustspiel verlangt eben so viel Styl und
künstlerische Methode, als die Tragödie. Möge er bei einem neuen Versuch wieder die
alte künstlerische Gewissenhaftigkeit entwickeln. Ein ernstes, ehrliches Streben dringt
doch durch, und was die Hauptsache ist, sein eigenes Talent kann sich mir dann ent¬
falten, wenn er überall der Wahrheit nachgeht.--Ein anderes Lustspiel von
Eduard Boas: „Liebcsintrigncn", gehört in die Gattung der Reproductionen früherer
Stücke, die wir absolut Verwerfen müssen. Herr Boas hat eine Li.cbesgeschichtc des
Shakespeare darstellen wollen, ungefähr wie es Tieck in der Novelle: „Der Dichter und
sein Freund", gethan; dieser Intrigue selbst hat er aber wenig Raum gegeben und statt
dessen eine Menge komischer Personen aus Shakespeare's Stücken, namentlich aus:
„Was Ihr wollt" eingeführt, die nicht im geringsten Zusammenhang mit einander
stehen, und die an sich Viel schwächer find, als diejenigen, die wir bereits in Shake¬
speare haben. Außerdem läßt er, um den Ton der Shakespeare'schen Zeit zu treffen,
sämmtliche Personen, namentlich aber den Dichter, sich in beständigen Wortwitzen unter-
halten, die schon in den betreffende» Stellen Shakespeare'S ziemlich langweilig sind,, die
aber hier, wo sie gar kein Ende nehmen, geradezu unerträglich werden. Die Pointe
des Stücks ist, daß Shakespeare erklärt, er werde über die Erlebnisse des Abends ein
Lustspiel schreiben, welches den Titel führen soll: „Was Ihr wollt." Nun hat das
Shakespeare in der That gethan, und wenn er aus dem albernen Stoff, wie ihn uus
das gegenwärtige Slück potraitirt, wirklich ein so allerliebstes Lustspiel coniponirt hat,
wie: 5,Was Ihr wollt", so ist das sehr anerkennenswert!); aber diese Betrachtung
kommt Herrn Boas nicht zu Gute.--Sehr vortheilhaft gegen diese Stücke stach
das bekannte Lustspiel Von Alb in i ab: „Die gefährliche Tante", ans den ersten dreißiger
Jahren. Nicht als ob es irgendwie bedeutend wäre, aber der Dichter hat sich doch
die Mühe gegeben, bestimmte Figuren in scharfen Umrissen zu zeichnen und dem Schau¬
spieler Gelegenheit zu geben, sich natürlich zu bewegen. Freilich haben wir aus der
Ausführung' mit Schrecken gesehen, wie selbst im Vergleich mit jener Zeit das Theater
verwildert--Dagegen gab die Aufführung der Mozart'schen Oper: „Belmont
und Constanze", ein sehr 'befriedigendes Resultat und läßt uns wünschen, daß unsre
Theater sich ans diese reizende ältere Musik, die den feinsten Humor mit künstlerischem
Idealismus auf das Glücklichste vereinigt, ernsthafter wieder werfen möchten. — —

Wir hatten von dem berühmten Mohren oder Mulatten Jra Aldridg c eine Charak¬
teristik gegeben, so weit wir sie aus dem Eindruck, den die Vorstellung des „Othello"
aus uns gemacht, entnehmen konnten. Die Vorstellung des „Macbeth" hat an unsrem
Urtheil nichts geändert, nur war sie in jeder Beziehung schwächer, als die des Othello.
Dagegen hat er in der kleinen, für ihn eingerichteten Posse: „Das Vorhängeschloß"
gezeigt, worin eigentlich seine Stärke liegt. Er macht hier einen faulen trunksüchtigen
Negersclaven, der zur größern Hälfte Bestie ist und nur sehr schwach an ein menschliches
Wesen erinnert. Zwar ging die Naturtreue dieser Darstellung weit über die Schönheits-
linie hinaus und einzelne Scenen waren bis zum Ekel widerwärtig; aber er entwickelt
doch eine außerordentliche Kraft, das wirkliche Leben nachzuahmen. Nehmen wir noch
dazu sein Talent, Leidenschaften von etwas grober und wilder Art, so wie weiche
Gefühle darzustellen, so dürste das von den neueren Franzosen mit großer Virtuosität
ausgebildete Genre der rührend tragischen Possen, worin Frvdcric Lemaitre der berühm¬
teste Virtuose ist, und wovon wir in Deutschland im „Bajazzo" und dem „Lumpen¬
sammler" bemerkenswerthe Beispiele gesehen haben, dasjenige sein, in dem er seine Art
Talent am unbefangensten entfaltet, und zu dem er eigentlich bestimmt ist.

Neulich bot uns das Theater den seltenen Genuß, die große Arie der Agathe aus
dem „Freischütz" von einem Mamsellchen zu hören, das Höschen und lange Zöpfe trug,
und mit einer Bekleidung, welche sonst nur in Palleten angewendet wird. Wenn wir für


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[0529] Freunde es vielleicht vermutheten, und vielleicht in einer gewissen Verstimmung darüber wirst er sich jetzt in ganz gewöhnliche Effccthascherci. Dabei kann ihn das veränderte Genre keineswegs entschuldigen, denn das Lustspiel verlangt eben so viel Styl und künstlerische Methode, als die Tragödie. Möge er bei einem neuen Versuch wieder die alte künstlerische Gewissenhaftigkeit entwickeln. Ein ernstes, ehrliches Streben dringt doch durch, und was die Hauptsache ist, sein eigenes Talent kann sich mir dann ent¬ falten, wenn er überall der Wahrheit nachgeht.--Ein anderes Lustspiel von Eduard Boas: „Liebcsintrigncn", gehört in die Gattung der Reproductionen früherer Stücke, die wir absolut Verwerfen müssen. Herr Boas hat eine Li.cbesgeschichtc des Shakespeare darstellen wollen, ungefähr wie es Tieck in der Novelle: „Der Dichter und sein Freund", gethan; dieser Intrigue selbst hat er aber wenig Raum gegeben und statt dessen eine Menge komischer Personen aus Shakespeare's Stücken, namentlich aus: „Was Ihr wollt" eingeführt, die nicht im geringsten Zusammenhang mit einander stehen, und die an sich Viel schwächer find, als diejenigen, die wir bereits in Shake¬ speare haben. Außerdem läßt er, um den Ton der Shakespeare'schen Zeit zu treffen, sämmtliche Personen, namentlich aber den Dichter, sich in beständigen Wortwitzen unter- halten, die schon in den betreffende» Stellen Shakespeare'S ziemlich langweilig sind,, die aber hier, wo sie gar kein Ende nehmen, geradezu unerträglich werden. Die Pointe des Stücks ist, daß Shakespeare erklärt, er werde über die Erlebnisse des Abends ein Lustspiel schreiben, welches den Titel führen soll: „Was Ihr wollt." Nun hat das Shakespeare in der That gethan, und wenn er aus dem albernen Stoff, wie ihn uus das gegenwärtige Slück potraitirt, wirklich ein so allerliebstes Lustspiel coniponirt hat, wie: 5,Was Ihr wollt", so ist das sehr anerkennenswert!); aber diese Betrachtung kommt Herrn Boas nicht zu Gute.--Sehr vortheilhaft gegen diese Stücke stach das bekannte Lustspiel Von Alb in i ab: „Die gefährliche Tante", ans den ersten dreißiger Jahren. Nicht als ob es irgendwie bedeutend wäre, aber der Dichter hat sich doch die Mühe gegeben, bestimmte Figuren in scharfen Umrissen zu zeichnen und dem Schau¬ spieler Gelegenheit zu geben, sich natürlich zu bewegen. Freilich haben wir aus der Ausführung' mit Schrecken gesehen, wie selbst im Vergleich mit jener Zeit das Theater verwildert--Dagegen gab die Aufführung der Mozart'schen Oper: „Belmont und Constanze", ein sehr 'befriedigendes Resultat und läßt uns wünschen, daß unsre Theater sich ans diese reizende ältere Musik, die den feinsten Humor mit künstlerischem Idealismus auf das Glücklichste vereinigt, ernsthafter wieder werfen möchten. — — Wir hatten von dem berühmten Mohren oder Mulatten Jra Aldridg c eine Charak¬ teristik gegeben, so weit wir sie aus dem Eindruck, den die Vorstellung des „Othello" aus uns gemacht, entnehmen konnten. Die Vorstellung des „Macbeth" hat an unsrem Urtheil nichts geändert, nur war sie in jeder Beziehung schwächer, als die des Othello. Dagegen hat er in der kleinen, für ihn eingerichteten Posse: „Das Vorhängeschloß" gezeigt, worin eigentlich seine Stärke liegt. Er macht hier einen faulen trunksüchtigen Negersclaven, der zur größern Hälfte Bestie ist und nur sehr schwach an ein menschliches Wesen erinnert. Zwar ging die Naturtreue dieser Darstellung weit über die Schönheits- linie hinaus und einzelne Scenen waren bis zum Ekel widerwärtig; aber er entwickelt doch eine außerordentliche Kraft, das wirkliche Leben nachzuahmen. Nehmen wir noch dazu sein Talent, Leidenschaften von etwas grober und wilder Art, so wie weiche Gefühle darzustellen, so dürste das von den neueren Franzosen mit großer Virtuosität ausgebildete Genre der rührend tragischen Possen, worin Frvdcric Lemaitre der berühm¬ teste Virtuose ist, und wovon wir in Deutschland im „Bajazzo" und dem „Lumpen¬ sammler" bemerkenswerthe Beispiele gesehen haben, dasjenige sein, in dem er seine Art Talent am unbefangensten entfaltet, und zu dem er eigentlich bestimmt ist. Neulich bot uns das Theater den seltenen Genuß, die große Arie der Agathe aus dem „Freischütz" von einem Mamsellchen zu hören, das Höschen und lange Zöpfe trug, und mit einer Bekleidung, welche sonst nur in Palleten angewendet wird. Wenn wir für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/529>, abgerufen am 19.10.2024.