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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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hundertsten Male an ihn gerichtete Frage freundlich und ausführlich zu beantworten,
sondern der auch jedesmal für sämmtliche Anwesende den Führer durch die ganze
Sammlung machte, Schränke ausschloß, alles Gewünschte herausnahm, und wenn
die Gesellschaft aus verschiedenen Nationen zusammengesetzt war, nicht müde
wurde, dieselben Erklärungen Dänisch, Deutsch und Englisch zu wiederholen. Die
dänischen Besucher gehörten großenteils dem Mittelstande und den niederen
Ständen an; es waren Bürgerftauen, Landleute, Soldaten, Mädchen aus Amager,
die an ihrem holländischen Kopfputz zu erkennen sind: kurz ein Publicum, wie
man es in deutschen Museen mir ausnahmsweise steht. Aber freilich wurde ihnen
hier auch anders begegnet. Kein majestätisch aussehender Livreebedienter beobachtete
sie mit mißtrauischen Blicken, ob sie wol etwas Verbotenes berühren würden.
Der Director in eigener Person richtete seine Belehrungen an Alle ohne Aus¬
nahme, hatte stets ein Lob und eine Aufmunterung für Jeden bereit, der ihm
einen Fund vorzeigte, und mitunter auch einen Scherz, der seine Wirkung nicht
verfehlte.- Die letzten Schränke enthalten weiblichen Schmuck, wie er noch heute
in Island, Schweden und Norwegen getragen wird (wovon bei der großen Sta¬
bilität dieser Länder noch katholische Ornamente, namentlich Maria als Himmels¬
königin vorkommen), besonders Alles, was zu einem vollständigen Brautschmuck
gehört. Eine kleine Anschauung von der alterthümlichen Pracht eines solchen
Brautschmnckes giebt das Blatt in Tiedemann's Scenen aus dem norwegischen
Bauernleben, das die Trauung darstellt; überhaupt verdienen diese Kompositionen
mehr Verbreitung, als sie bis jetzt gefunden haben. Ein solcher Brautschmuck
gehört einer ganzen Gemeinde, oder einer reichen Familie, oder dem Pfarrhause,
vererbt sich vou Generation auf Generation, und wird der Branten ihrem Ehren¬
tage nnr geliehen. Mit vieler Mühe hat die Direction des Museums Exemplare
aufgetrieben, die noch bis auf den heutigen Tag in Gebrauch gewesen waren und
das respectable Alter von 200--300 Jahren hatten. Das Hauptstück ist die
Brautkrone, eine von vergoldetem Silber mehr oder minder künstlich gearbeitete
Zackenkrone; beim ersten Anblick glaubte ich hier Zeichen der königlichen Würde
zu sehen, die ans dem Haupte irgend eines Curt oder Erich gelastet hätten. Der
Director erklärte einem alten Engländer die Bestimmung der einzelnen Theile,
Gürtel, Armbänder n. s. w. und fügte hinzu: Ius dest, de> sko^v tru8 nere
a twe dricliz, KM Kaps der not. Er unterließ nicht, diese Bemerkung auf
Dänisch zu wiederholen, und der Jubel, den sie unter den anwesenden Mädchen
hervorbrachte, war ungemein groß.




hundertsten Male an ihn gerichtete Frage freundlich und ausführlich zu beantworten,
sondern der auch jedesmal für sämmtliche Anwesende den Führer durch die ganze
Sammlung machte, Schränke ausschloß, alles Gewünschte herausnahm, und wenn
die Gesellschaft aus verschiedenen Nationen zusammengesetzt war, nicht müde
wurde, dieselben Erklärungen Dänisch, Deutsch und Englisch zu wiederholen. Die
dänischen Besucher gehörten großenteils dem Mittelstande und den niederen
Ständen an; es waren Bürgerftauen, Landleute, Soldaten, Mädchen aus Amager,
die an ihrem holländischen Kopfputz zu erkennen sind: kurz ein Publicum, wie
man es in deutschen Museen mir ausnahmsweise steht. Aber freilich wurde ihnen
hier auch anders begegnet. Kein majestätisch aussehender Livreebedienter beobachtete
sie mit mißtrauischen Blicken, ob sie wol etwas Verbotenes berühren würden.
Der Director in eigener Person richtete seine Belehrungen an Alle ohne Aus¬
nahme, hatte stets ein Lob und eine Aufmunterung für Jeden bereit, der ihm
einen Fund vorzeigte, und mitunter auch einen Scherz, der seine Wirkung nicht
verfehlte.- Die letzten Schränke enthalten weiblichen Schmuck, wie er noch heute
in Island, Schweden und Norwegen getragen wird (wovon bei der großen Sta¬
bilität dieser Länder noch katholische Ornamente, namentlich Maria als Himmels¬
königin vorkommen), besonders Alles, was zu einem vollständigen Brautschmuck
gehört. Eine kleine Anschauung von der alterthümlichen Pracht eines solchen
Brautschmnckes giebt das Blatt in Tiedemann's Scenen aus dem norwegischen
Bauernleben, das die Trauung darstellt; überhaupt verdienen diese Kompositionen
mehr Verbreitung, als sie bis jetzt gefunden haben. Ein solcher Brautschmuck
gehört einer ganzen Gemeinde, oder einer reichen Familie, oder dem Pfarrhause,
vererbt sich vou Generation auf Generation, und wird der Branten ihrem Ehren¬
tage nnr geliehen. Mit vieler Mühe hat die Direction des Museums Exemplare
aufgetrieben, die noch bis auf den heutigen Tag in Gebrauch gewesen waren und
das respectable Alter von 200—300 Jahren hatten. Das Hauptstück ist die
Brautkrone, eine von vergoldetem Silber mehr oder minder künstlich gearbeitete
Zackenkrone; beim ersten Anblick glaubte ich hier Zeichen der königlichen Würde
zu sehen, die ans dem Haupte irgend eines Curt oder Erich gelastet hätten. Der
Director erklärte einem alten Engländer die Bestimmung der einzelnen Theile,
Gürtel, Armbänder n. s. w. und fügte hinzu: Ius dest, de> sko^v tru8 nere
a twe dricliz, KM Kaps der not. Er unterließ nicht, diese Bemerkung auf
Dänisch zu wiederholen, und der Jubel, den sie unter den anwesenden Mädchen
hervorbrachte, war ungemein groß.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/473>, abgerufen am 19.10.2024.