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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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sei. Die Gleichgiltigkeit der hiesigen Bevölkerung, die Gleichgiltigkeit selbst der Armee,
gab sich bei den verschiedensten Gelegenheiten kund; es läßt, sich statistisch nach¬
weisen, daß sogar unter den Hunderttausenden von Beamten vielleicht die Majorität,
mindestens die Hälfte, die gegenwärtige Negierung hasse -- woher also diese Duldung
-- woher diese Bereitwilligkeit inmitten der allgemeinen Gleichgiltigkeit? Es ist nicht
zu läugnen, Louis Napoleon hat viele Arbeit oben aufgebracht, er wußte die Emu¬
lation der productiven Reichthümer des Landes zu beleben, seine Anstrengungen in dieser
Beziehung sind verständig und darum auch erfolgreich gewesen. Er hat manchen
geschickten Anlauf genommen, von den Fehlern seiner republikanischen und monarchischen
Vorgänger zu lernen, er hat aber doch keine Partei gewonnen, und man muß nur die
Arbeiter reden hören, die durch seine Regierung seit .vielen Monaten ununterbrochen be¬
schäftigt sind, man muß die Bourgeoisie ausfragen, ja man muß selbst die Börsen-
speculanten vernehmen, um die ganze Größe der Anomalie zu fassen, die zwischen den
Gefühlen und Gesinnungen der Franzosen und dem gegenwärtigen Regime und dessen
Machthaber herrscht. Louis Napoleon hat das ganze Land inne, er herrscht unumschränkt,
wie kein absoluter Monarch, er darf ungestraft, ja ohne Gefahr, sich erlauben, was
Louis XIV. nicht gewagt, rend doch muß man bis jetzt die Frage, ob der Kaiser eine
Partei im Lande habe, verneinen. Das wird Ihnen jenseits des Rheins komisch klingen,
und doch ist eS die reine Wahrheit. Seine Stärke liegt in den Verhältnissen; sein Glück
in der geschickten Benutzung des Zeitpunktes. Weil er Niemand sür sich gehabt und weil
Alles das Schlimmste befürchtete, ist Jedermann überrascht, etwas Gutes in seinem
Sinne geschehen zu sehen. Die Absolutisten, daß der Freiheit auf den Nacken getreten
und der Klerus hochgehalten, die Obscuranten, daß der Presse und dem öffentlichen
Unterrichte aus die Finger gesehen wird; dem Bürger gefällt die Entwöhnung von jeder
politischen Beschäftigung und die Wiederaufnahme der Geschäfte, dem Arbeiter schmeichelt
die Zuvorkommenheit und Rücksicht der Regierung sür socialistische Schlagworte und socia¬
listisch aussehende Verbesserungen u. s. w. Eben weil Louis Napoleon unabhängig gewesen,
kann er sich auch Vieles erlauben, und weil nach jeder Seite hin das Uebertricbcnsie
versucht worden, darf er nach jeder Seite hin Manches wagen. Aber er gewinnt
Niemand entschieden sür sich, man duldet ihn wie das, was er thut; "Freunde und An¬
hänger hat er nicht, und selbst das Gute, das er schafft, findet nicht die Anerkennung
in der öffentlichen Meinung, deren jeder Andere gewiß sein würde. Die Art und
Weise, wie Alles aufgenommen wird, was er ersinnt, um zu beweisen, daß ihm das
Wohl des Landes am Herzen liege, ist eben so merkwürdig, wie der Weg, auf dem er
zur Verwirklichung , seiner Jugendträume gelaugt. Und soll ich es Ihnen sagen, eine
Partei, eine große mächtige Partei, wirkliche Bewunderer, fanatische Anhänger, wird er
erst von dem Moment an haben, wo er beweisen wird, daß es ihm nicht schwerer fällt,
eine GelegcnhcitSrede über den alten Kram zu machen, als seinen im Angesichte der
Nationalversammlung geleisteten Eid. Von dem Augenblick an, wo er England den
Krieg macht, schlagen ihm die Herzen der Franzosen entgegen, dann kann er populair
werden. Dieser Umstand ist eben so betrübend, wie Alles, was bisher geschehen, und
doch ist es wieder nur pure Wahrheit. Es ist kein Compliment weder für unsre Zeit,
noch sür den Geist der Franzosen, aber es M so. Nur wenn England, der Erbfeind,
gedemüthigt ist, wird man den Usurpator vergessen und den Nationalhcldcn vergöttern.
Die Sachen mögen sich auch hinausziehen, so lange sie wollen, das Ende vom Liede
wird immer ein altnavoleonischer Versuch bleiben. Höflinge und Hofnarren kennen
ihre Herren gleich 'gut, und Herr Chapuis, das Ideal der Hofscrvilität, traf im
Herzen des neuen Kaisers die richtige Seite und auf dieser den richtigen Ton, als er
im schmeichelnden Scherz verlangte, sür seinen bonapartistischen Eifer zum Präfecten
von London ernannt zu werden. Ja, Ludwig Napoleon wird die Kriegsfackcl in Europa
anzünden, das ist gewiß. Anfänglich wird er den europäischen Höfen schmeicheln, er
wird suchen mit Hilfe des Absolutismus und auf dem Wege der Diplomatie iMe


sei. Die Gleichgiltigkeit der hiesigen Bevölkerung, die Gleichgiltigkeit selbst der Armee,
gab sich bei den verschiedensten Gelegenheiten kund; es läßt, sich statistisch nach¬
weisen, daß sogar unter den Hunderttausenden von Beamten vielleicht die Majorität,
mindestens die Hälfte, die gegenwärtige Negierung hasse — woher also diese Duldung
— woher diese Bereitwilligkeit inmitten der allgemeinen Gleichgiltigkeit? Es ist nicht
zu läugnen, Louis Napoleon hat viele Arbeit oben aufgebracht, er wußte die Emu¬
lation der productiven Reichthümer des Landes zu beleben, seine Anstrengungen in dieser
Beziehung sind verständig und darum auch erfolgreich gewesen. Er hat manchen
geschickten Anlauf genommen, von den Fehlern seiner republikanischen und monarchischen
Vorgänger zu lernen, er hat aber doch keine Partei gewonnen, und man muß nur die
Arbeiter reden hören, die durch seine Regierung seit .vielen Monaten ununterbrochen be¬
schäftigt sind, man muß die Bourgeoisie ausfragen, ja man muß selbst die Börsen-
speculanten vernehmen, um die ganze Größe der Anomalie zu fassen, die zwischen den
Gefühlen und Gesinnungen der Franzosen und dem gegenwärtigen Regime und dessen
Machthaber herrscht. Louis Napoleon hat das ganze Land inne, er herrscht unumschränkt,
wie kein absoluter Monarch, er darf ungestraft, ja ohne Gefahr, sich erlauben, was
Louis XIV. nicht gewagt, rend doch muß man bis jetzt die Frage, ob der Kaiser eine
Partei im Lande habe, verneinen. Das wird Ihnen jenseits des Rheins komisch klingen,
und doch ist eS die reine Wahrheit. Seine Stärke liegt in den Verhältnissen; sein Glück
in der geschickten Benutzung des Zeitpunktes. Weil er Niemand sür sich gehabt und weil
Alles das Schlimmste befürchtete, ist Jedermann überrascht, etwas Gutes in seinem
Sinne geschehen zu sehen. Die Absolutisten, daß der Freiheit auf den Nacken getreten
und der Klerus hochgehalten, die Obscuranten, daß der Presse und dem öffentlichen
Unterrichte aus die Finger gesehen wird; dem Bürger gefällt die Entwöhnung von jeder
politischen Beschäftigung und die Wiederaufnahme der Geschäfte, dem Arbeiter schmeichelt
die Zuvorkommenheit und Rücksicht der Regierung sür socialistische Schlagworte und socia¬
listisch aussehende Verbesserungen u. s. w. Eben weil Louis Napoleon unabhängig gewesen,
kann er sich auch Vieles erlauben, und weil nach jeder Seite hin das Uebertricbcnsie
versucht worden, darf er nach jeder Seite hin Manches wagen. Aber er gewinnt
Niemand entschieden sür sich, man duldet ihn wie das, was er thut; "Freunde und An¬
hänger hat er nicht, und selbst das Gute, das er schafft, findet nicht die Anerkennung
in der öffentlichen Meinung, deren jeder Andere gewiß sein würde. Die Art und
Weise, wie Alles aufgenommen wird, was er ersinnt, um zu beweisen, daß ihm das
Wohl des Landes am Herzen liege, ist eben so merkwürdig, wie der Weg, auf dem er
zur Verwirklichung , seiner Jugendträume gelaugt. Und soll ich es Ihnen sagen, eine
Partei, eine große mächtige Partei, wirkliche Bewunderer, fanatische Anhänger, wird er
erst von dem Moment an haben, wo er beweisen wird, daß es ihm nicht schwerer fällt,
eine GelegcnhcitSrede über den alten Kram zu machen, als seinen im Angesichte der
Nationalversammlung geleisteten Eid. Von dem Augenblick an, wo er England den
Krieg macht, schlagen ihm die Herzen der Franzosen entgegen, dann kann er populair
werden. Dieser Umstand ist eben so betrübend, wie Alles, was bisher geschehen, und
doch ist es wieder nur pure Wahrheit. Es ist kein Compliment weder für unsre Zeit,
noch sür den Geist der Franzosen, aber es M so. Nur wenn England, der Erbfeind,
gedemüthigt ist, wird man den Usurpator vergessen und den Nationalhcldcn vergöttern.
Die Sachen mögen sich auch hinausziehen, so lange sie wollen, das Ende vom Liede
wird immer ein altnavoleonischer Versuch bleiben. Höflinge und Hofnarren kennen
ihre Herren gleich 'gut, und Herr Chapuis, das Ideal der Hofscrvilität, traf im
Herzen des neuen Kaisers die richtige Seite und auf dieser den richtigen Ton, als er
im schmeichelnden Scherz verlangte, sür seinen bonapartistischen Eifer zum Präfecten
von London ernannt zu werden. Ja, Ludwig Napoleon wird die Kriegsfackcl in Europa
anzünden, das ist gewiß. Anfänglich wird er den europäischen Höfen schmeicheln, er
wird suchen mit Hilfe des Absolutismus und auf dem Wege der Diplomatie iMe


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[0446] sei. Die Gleichgiltigkeit der hiesigen Bevölkerung, die Gleichgiltigkeit selbst der Armee, gab sich bei den verschiedensten Gelegenheiten kund; es läßt, sich statistisch nach¬ weisen, daß sogar unter den Hunderttausenden von Beamten vielleicht die Majorität, mindestens die Hälfte, die gegenwärtige Negierung hasse — woher also diese Duldung — woher diese Bereitwilligkeit inmitten der allgemeinen Gleichgiltigkeit? Es ist nicht zu läugnen, Louis Napoleon hat viele Arbeit oben aufgebracht, er wußte die Emu¬ lation der productiven Reichthümer des Landes zu beleben, seine Anstrengungen in dieser Beziehung sind verständig und darum auch erfolgreich gewesen. Er hat manchen geschickten Anlauf genommen, von den Fehlern seiner republikanischen und monarchischen Vorgänger zu lernen, er hat aber doch keine Partei gewonnen, und man muß nur die Arbeiter reden hören, die durch seine Regierung seit .vielen Monaten ununterbrochen be¬ schäftigt sind, man muß die Bourgeoisie ausfragen, ja man muß selbst die Börsen- speculanten vernehmen, um die ganze Größe der Anomalie zu fassen, die zwischen den Gefühlen und Gesinnungen der Franzosen und dem gegenwärtigen Regime und dessen Machthaber herrscht. Louis Napoleon hat das ganze Land inne, er herrscht unumschränkt, wie kein absoluter Monarch, er darf ungestraft, ja ohne Gefahr, sich erlauben, was Louis XIV. nicht gewagt, rend doch muß man bis jetzt die Frage, ob der Kaiser eine Partei im Lande habe, verneinen. Das wird Ihnen jenseits des Rheins komisch klingen, und doch ist eS die reine Wahrheit. Seine Stärke liegt in den Verhältnissen; sein Glück in der geschickten Benutzung des Zeitpunktes. Weil er Niemand sür sich gehabt und weil Alles das Schlimmste befürchtete, ist Jedermann überrascht, etwas Gutes in seinem Sinne geschehen zu sehen. Die Absolutisten, daß der Freiheit auf den Nacken getreten und der Klerus hochgehalten, die Obscuranten, daß der Presse und dem öffentlichen Unterrichte aus die Finger gesehen wird; dem Bürger gefällt die Entwöhnung von jeder politischen Beschäftigung und die Wiederaufnahme der Geschäfte, dem Arbeiter schmeichelt die Zuvorkommenheit und Rücksicht der Regierung sür socialistische Schlagworte und socia¬ listisch aussehende Verbesserungen u. s. w. Eben weil Louis Napoleon unabhängig gewesen, kann er sich auch Vieles erlauben, und weil nach jeder Seite hin das Uebertricbcnsie versucht worden, darf er nach jeder Seite hin Manches wagen. Aber er gewinnt Niemand entschieden sür sich, man duldet ihn wie das, was er thut; "Freunde und An¬ hänger hat er nicht, und selbst das Gute, das er schafft, findet nicht die Anerkennung in der öffentlichen Meinung, deren jeder Andere gewiß sein würde. Die Art und Weise, wie Alles aufgenommen wird, was er ersinnt, um zu beweisen, daß ihm das Wohl des Landes am Herzen liege, ist eben so merkwürdig, wie der Weg, auf dem er zur Verwirklichung , seiner Jugendträume gelaugt. Und soll ich es Ihnen sagen, eine Partei, eine große mächtige Partei, wirkliche Bewunderer, fanatische Anhänger, wird er erst von dem Moment an haben, wo er beweisen wird, daß es ihm nicht schwerer fällt, eine GelegcnhcitSrede über den alten Kram zu machen, als seinen im Angesichte der Nationalversammlung geleisteten Eid. Von dem Augenblick an, wo er England den Krieg macht, schlagen ihm die Herzen der Franzosen entgegen, dann kann er populair werden. Dieser Umstand ist eben so betrübend, wie Alles, was bisher geschehen, und doch ist es wieder nur pure Wahrheit. Es ist kein Compliment weder für unsre Zeit, noch sür den Geist der Franzosen, aber es M so. Nur wenn England, der Erbfeind, gedemüthigt ist, wird man den Usurpator vergessen und den Nationalhcldcn vergöttern. Die Sachen mögen sich auch hinausziehen, so lange sie wollen, das Ende vom Liede wird immer ein altnavoleonischer Versuch bleiben. Höflinge und Hofnarren kennen ihre Herren gleich 'gut, und Herr Chapuis, das Ideal der Hofscrvilität, traf im Herzen des neuen Kaisers die richtige Seite und auf dieser den richtigen Ton, als er im schmeichelnden Scherz verlangte, sür seinen bonapartistischen Eifer zum Präfecten von London ernannt zu werden. Ja, Ludwig Napoleon wird die Kriegsfackcl in Europa anzünden, das ist gewiß. Anfänglich wird er den europäischen Höfen schmeicheln, er wird suchen mit Hilfe des Absolutismus und auf dem Wege der Diplomatie iMe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/446>, abgerufen am 19.10.2024.