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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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nun entweder durch seinen krummen Buckel und seine bescheidene Miene, oder durch
die Versprechungen zu imponiren, die er zu geben im Stande ist. Hat der
Mäcen eine Brauerei auf seinem Rittergute, so verspricht er ihm eine tadellose
Malzdarre aufzustellen mit quittirter Rechnung. Ist er ein Tuchfabrikant, so ver¬
spricht er die schönsten Tuchtapeten und so fort. Der Mensch hat ja stets
seine Bedürfnisse und Wünsche.

Mit den Deutschen verhandeln übrigens die hohen russischen Herren in solchen
Angelegenheiten nicht gern. Die Germanen find zu verzagt, zu täppisch, zu wenig
dummdreist und pfiffig. Der Jude ist ihnen viel lieber. Daher kommt es anch, daß
die Entreprisen gewöhnlich in die Hände der Juden fallen. Der Jude geht seinen
Weg niemals über die Menge Stufen der Chargenleiter empor, sondern er wendet
sich an den Kammerdiener oder die Maitresse des Herrn Generals., Es kommt
ihm gar nicht darauf an, fünf, sechs Tage nach einander von früh bis Abend
vor der Thür des Johann oder der Dirne zu stehen, wenn er sie endlich nur
sängt. Er kommt schneller und mit geringerem Kostenaufwand? vor den Gesuchten.

Der stolze Russe behandelt den Juden, wie es ihm am gemüthlichsten ist,
Menschen zu behandeln, nämlich als einen großen Lump, als einen Wicht, der
durchaus keine Rücksicht verlangen kann.,

"Was bringst Du, Lappe?"

"Wohl mir, der Herr fällt gar gratias. Groißmächtichster, aller gnädichster
Harr Hauptgeneral, jich bin getummelt -- groißmächtichster, aller gnädichster Harr,
jich bin ein sehr aihrlicher Mann und trog den Kaiser, mairen groißen Harm, in
main Harz -- jich -- jich -- main lieber Harr Hauptgeneral, großmächtich;
Harr". . . so geht es fort. Der General lächelt. Der listige Abraham, der
jede Miene mit Falkenaugen bewacht, bemerkt das und wird min noch um Vieles
possierlicher. Endlich hat sich der General zur Genüge an dem Narren gesättigt
und frägt herablassend in guter Laune: "Was willst Du also, Halunke?" (Der
Russe jeden Standes hat einen gewissen nationalen Trieb, seine Freundlichkeit
durch kräftige Worte zu beweisen. Koths-la (Lump), 8a,K,pe,x (Hundesohn),
Mut dort mirl und ähnliche Worte sind bei ihm eben sowol Liebkosungen, als
Schmähungen, je nach dem Ausdruck.)

Der Jude bringt jetzt mit kurzem Wort und einem Gedankenstrich sein An¬
liegen heraus. "Liebster Groißmächticher; die Entreprise -- "

"Ach, die Entreprise willst Dn haben!"

"Allergroßmächtichster Harr Obergeneral, ich bin am Mann von gutem Ruf,
mache seit füfzehn Juhr maire Geschäfte als ain getraier Berger ohne Schmooch
(Betrug), diene aifrich und aihrlich maire Kaiser und --" "Hast dn Geld,
Lump?" -- "Lieber Harr, jich biete Alles auf und noch darüber." -- "Du hast
eine Kaution als Unterpfand für die Erfüllung der Verpflichtungen zu stellen--"
"Lieber Harr, das soll geschehen, jich werde Credite haben hai maire Freunde."


nun entweder durch seinen krummen Buckel und seine bescheidene Miene, oder durch
die Versprechungen zu imponiren, die er zu geben im Stande ist. Hat der
Mäcen eine Brauerei auf seinem Rittergute, so verspricht er ihm eine tadellose
Malzdarre aufzustellen mit quittirter Rechnung. Ist er ein Tuchfabrikant, so ver¬
spricht er die schönsten Tuchtapeten und so fort. Der Mensch hat ja stets
seine Bedürfnisse und Wünsche.

Mit den Deutschen verhandeln übrigens die hohen russischen Herren in solchen
Angelegenheiten nicht gern. Die Germanen find zu verzagt, zu täppisch, zu wenig
dummdreist und pfiffig. Der Jude ist ihnen viel lieber. Daher kommt es anch, daß
die Entreprisen gewöhnlich in die Hände der Juden fallen. Der Jude geht seinen
Weg niemals über die Menge Stufen der Chargenleiter empor, sondern er wendet
sich an den Kammerdiener oder die Maitresse des Herrn Generals., Es kommt
ihm gar nicht darauf an, fünf, sechs Tage nach einander von früh bis Abend
vor der Thür des Johann oder der Dirne zu stehen, wenn er sie endlich nur
sängt. Er kommt schneller und mit geringerem Kostenaufwand? vor den Gesuchten.

Der stolze Russe behandelt den Juden, wie es ihm am gemüthlichsten ist,
Menschen zu behandeln, nämlich als einen großen Lump, als einen Wicht, der
durchaus keine Rücksicht verlangen kann.,

„Was bringst Du, Lappe?"

„Wohl mir, der Herr fällt gar gratias. Groißmächtichster, aller gnädichster
Harr Hauptgeneral, jich bin getummelt — groißmächtichster, aller gnädichster Harr,
jich bin ein sehr aihrlicher Mann und trog den Kaiser, mairen groißen Harm, in
main Harz — jich — jich — main lieber Harr Hauptgeneral, großmächtich;
Harr". . . so geht es fort. Der General lächelt. Der listige Abraham, der
jede Miene mit Falkenaugen bewacht, bemerkt das und wird min noch um Vieles
possierlicher. Endlich hat sich der General zur Genüge an dem Narren gesättigt
und frägt herablassend in guter Laune: „Was willst Du also, Halunke?" (Der
Russe jeden Standes hat einen gewissen nationalen Trieb, seine Freundlichkeit
durch kräftige Worte zu beweisen. Koths-la (Lump), 8a,K,pe,x (Hundesohn),
Mut dort mirl und ähnliche Worte sind bei ihm eben sowol Liebkosungen, als
Schmähungen, je nach dem Ausdruck.)

Der Jude bringt jetzt mit kurzem Wort und einem Gedankenstrich sein An¬
liegen heraus. „Liebster Groißmächticher; die Entreprise — "

„Ach, die Entreprise willst Dn haben!"

„Allergroßmächtichster Harr Obergeneral, ich bin am Mann von gutem Ruf,
mache seit füfzehn Juhr maire Geschäfte als ain getraier Berger ohne Schmooch
(Betrug), diene aifrich und aihrlich maire Kaiser und —" „Hast dn Geld,
Lump?" — „Lieber Harr, jich biete Alles auf und noch darüber." — „Du hast
eine Kaution als Unterpfand für die Erfüllung der Verpflichtungen zu stellen—"
„Lieber Harr, das soll geschehen, jich werde Credite haben hai maire Freunde."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/263>, abgerufen am 20.10.2024.