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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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bei Charleroi angegriffen und zurückgedrängt worden war. Erst als die bestimmte
Nachricht ankam, daß Mons nicht bedroht werde, erhielten seine Truppen Befehl,
sich zu versammeln, und rückten die Reserven ans der Straße nach Quatrebras vor
den Wald von Svigne. Daß der Herzog von Wellington ans dem Balle bei der
Herzogin von Richmond von der Nachricht des Ausrückens der Franzosen über¬
rascht worden sei, ist eine reine Fabel. Er war vorher schon von Allem unter¬
richtet, hatte die nöthigen Befehle ertheilt, die Truppen in Bereitschaft zu halten,
und erwartete nnr noch Nachrichten aus Mons, um sie zu concentriren. Blos um
das Publicum nicht unnöthiger Weise zu beunruhigen, begab er sich auf den Ball.

Mit grauenden Morgen am 13. Juni drangen die Franzosen gegen das zur
Beobachtung an der Sambre bei Charleroi aufgestellte Corps Ziethen's vor, wel¬
ches sich fechtend langsam nach Flenrus zurückzog, wo es mit Anbruch der Nacht
ankam. Es hatte seinen Zweck erfüllt, den Marsch der feindlichen Armee um
einen ganzen Tag aufgehalten, und Blücher Zeit gegeben, seine ganze Macht, mit
Ausnahme Bülow's, bei sondres oder Ligny zu versammeln. Wellington da¬
gegen hatte, weil er durchaus erst Nachrichten von seinem rechten Flügel ab-
wartete, erst am 15. Mitternacht die Befehle zum Linksabmarsch ertheilt, und die
weit aus einander gezogene Stellung seines Heeres machte, daß er mit dem Gros
seiner Armee zu spät die Richtung nach Quatrebras einschlug, um Blücher wirk¬
sam Hilfe leisten zu können.

Am 16. Vormittags hatte Blücher mit 73,000 Mann eine Stellung hinter
dem Lignybache ans den Höhen von Se. Amand und Ligny und in den vor
der Fronte gelegenen Dörfern. Die rechte Flanke war Preis gegeben, weil man
auf eine sichere Unterstützung Wellington's mit 40 --50,000 Mann von dieser
Seite rechnete. Letzterer hatte blos 8000 Mann um Quatrebras stehen, die Re¬
serve hielt noch vor dem Wald von Soigne, und traf erst allmählich im Laufe
des Gefechts ein, so daß selbst gegen.Avend nur gegen i0,000 Mann versammelt
waren. Der Herzog selbst kam gegen 11 Uhr in Quatrebras an, recognoscirte
die Stellung des Feindes, und ritt zu Blücher hinüber, um sich mit ihm zu be¬
sprechen; er sagte ihm, in der Voraussetzung, daß die ganze französische Macht
gegen Ligny versammelt stehe, bis um vier Uhr Hilfe zu. Dies befestigte nnr
Blücher in seinem Entschluß, die Schlacht bei Ligny anzunehmen.

Napoleon stand nnr mit 73,000 Mann den 78--80,000 Mann Blücher's
entgegen. Aber die Stellung desselben hatte wesentliche Nachtheile. Die Höhen
von Flenrus, welche die Franzosen besetzt hatten, beherrschten die Abhänge der
preußischen Stellung. Von jenen heruuterrückendc Truppen waren außerdem
von Gehölz und stark durchschnittenem Terrain geschützt; und die von den Preu¬
ßen besetzten Dörfer, wenigstens die am weitesten vorgelegenen, befanden sich mehr
aus der französischen,' als auf ihrer Seite des Thals. Die Höhen von Se. Amand
und Ligny waren dagegen ganz offen und frei. Die selbst aus den höheren Punkten


bei Charleroi angegriffen und zurückgedrängt worden war. Erst als die bestimmte
Nachricht ankam, daß Mons nicht bedroht werde, erhielten seine Truppen Befehl,
sich zu versammeln, und rückten die Reserven ans der Straße nach Quatrebras vor
den Wald von Svigne. Daß der Herzog von Wellington ans dem Balle bei der
Herzogin von Richmond von der Nachricht des Ausrückens der Franzosen über¬
rascht worden sei, ist eine reine Fabel. Er war vorher schon von Allem unter¬
richtet, hatte die nöthigen Befehle ertheilt, die Truppen in Bereitschaft zu halten,
und erwartete nnr noch Nachrichten aus Mons, um sie zu concentriren. Blos um
das Publicum nicht unnöthiger Weise zu beunruhigen, begab er sich auf den Ball.

Mit grauenden Morgen am 13. Juni drangen die Franzosen gegen das zur
Beobachtung an der Sambre bei Charleroi aufgestellte Corps Ziethen's vor, wel¬
ches sich fechtend langsam nach Flenrus zurückzog, wo es mit Anbruch der Nacht
ankam. Es hatte seinen Zweck erfüllt, den Marsch der feindlichen Armee um
einen ganzen Tag aufgehalten, und Blücher Zeit gegeben, seine ganze Macht, mit
Ausnahme Bülow's, bei sondres oder Ligny zu versammeln. Wellington da¬
gegen hatte, weil er durchaus erst Nachrichten von seinem rechten Flügel ab-
wartete, erst am 15. Mitternacht die Befehle zum Linksabmarsch ertheilt, und die
weit aus einander gezogene Stellung seines Heeres machte, daß er mit dem Gros
seiner Armee zu spät die Richtung nach Quatrebras einschlug, um Blücher wirk¬
sam Hilfe leisten zu können.

Am 16. Vormittags hatte Blücher mit 73,000 Mann eine Stellung hinter
dem Lignybache ans den Höhen von Se. Amand und Ligny und in den vor
der Fronte gelegenen Dörfern. Die rechte Flanke war Preis gegeben, weil man
auf eine sichere Unterstützung Wellington's mit 40 —50,000 Mann von dieser
Seite rechnete. Letzterer hatte blos 8000 Mann um Quatrebras stehen, die Re¬
serve hielt noch vor dem Wald von Soigne, und traf erst allmählich im Laufe
des Gefechts ein, so daß selbst gegen.Avend nur gegen i0,000 Mann versammelt
waren. Der Herzog selbst kam gegen 11 Uhr in Quatrebras an, recognoscirte
die Stellung des Feindes, und ritt zu Blücher hinüber, um sich mit ihm zu be¬
sprechen; er sagte ihm, in der Voraussetzung, daß die ganze französische Macht
gegen Ligny versammelt stehe, bis um vier Uhr Hilfe zu. Dies befestigte nnr
Blücher in seinem Entschluß, die Schlacht bei Ligny anzunehmen.

Napoleon stand nnr mit 73,000 Mann den 78—80,000 Mann Blücher's
entgegen. Aber die Stellung desselben hatte wesentliche Nachtheile. Die Höhen
von Flenrus, welche die Franzosen besetzt hatten, beherrschten die Abhänge der
preußischen Stellung. Von jenen heruuterrückendc Truppen waren außerdem
von Gehölz und stark durchschnittenem Terrain geschützt; und die von den Preu¬
ßen besetzten Dörfer, wenigstens die am weitesten vorgelegenen, befanden sich mehr
aus der französischen,' als auf ihrer Seite des Thals. Die Höhen von Se. Amand
und Ligny waren dagegen ganz offen und frei. Die selbst aus den höheren Punkten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/254>, abgerufen am 20.10.2024.