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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Wir geben heute einige Proben von der Art und Weise, wie der Dichter sich gegen
die Kirche verhielt.


Wir klagen all "ut Wissens nicht, was Noth bereitet,
Weil u"S der Pabst selbst, unser Vater, hat verleitet.
Er geht voran mit väterlichem Beispiel nur:
Wir folgen ihm und nie kommt unser Fuß aus seiner Spur. ,
Nun merke, Welt, was mir daran so sehr mißsalle:
Geizet er, so geizen mit ihm alle;
Lüget er, sie lügen mit 'ihm alle seineu Lug,
Und trüget er , sie trügen mit ihm seinen Trug.
Habt Acht, wers übel mir nimmt ohne Fug,
Bringt mit dem Alten dort den jungen Judas in die Falle.

Der Stuhl zu Rom ist jetzt erst recht gar schön gefahren,
Schlimmer als beim Zaubrer Gerbert einst vor langen Jahren:
Derselbe gab dem Teufel doch sich hin allein,
Doch dieser will sich und die Christenheit der Holle weihn.
Alle Zungen mußten Gott auftehn zu strafen
Und rufen ihm, wie lang er wolle schlafen?
Sie wirken wider seine Werk und fälschen all sein Wort,
Sein Kämmerer der stiehlt ihm seinen Himmelshort.
Sein Richter mordet hier und raubet dort,
Sein Hirt ist ihm zum Wolf geworden unter seinen Schaafen.

Juchheisa! mag der Pabst ins Fäustchen christlich lachen,
Wenn er zu seinen Wälschen sagt: "was kann ich Alle" machen!"
Was er da sagt, das hätt er besser nie gedacht.
Er prahlt: "zwei Deutsche hab ich unter eine Krone gebracht,
Daß sie das Reich zerreißen nun mit Kriegslasten!
Unterdessen füllen wir die Kasten.
Hab sie zum Opferstock gedrängt, ihr Gut ist alles mein,
Ihr deutsches Silber sährt in meinen wälschen Schrein,
Ihr Pfaffen esset Hühner, trinket Wein,
Und laßt für euch die Deutschen beten, singen, fasten."

Von neuen Gedichtsammlungen erwähnen wir: G edi este von Karl Binzer
(Kopenhagen, Schwarz). Gemüthlich naiv und im Ganzen ansprechend. Ferner: Welt
und Herz. Von Willfried von der Nenn. (Dresden, Schvnfeld.) Die Gedichte sind
zu einem wohlthätigen Zweck bestimmt und sind in ihrer Anspruchslosigkeit zum Theil
ganz gut. > Ferner: Drei Bücher Epigramme, von Kühn. (Berlin, Alexander
Duncker.) Als kleine epische Darstellungen nennen wir: Nur Jehan, von Her¬
mann Naumann (Breslau, Trewendt und Graner) und: Die Brüder, von Paul
Heyse (Berlin W. Hertz). -- Beide behandeln ausländische Stoffe, das erste eine
persische, das zweite eine chinesische Sage. Die Geschichten sind in beiden interessant
genug, in Beziehung auf die Ausführung geben wir "dem zweiten entschieden den. Vor¬
zug. Schon der fünffüßige ungereimte Trochäus, den er für sein Werk- gewählt hat,,
se viel zweckmäßiger, als die pomphafte Ottavcrime des' erster". Jenes trochäische
Versmaß wird sich für ähnliche Dichtungen wol immer mehr bei uns Bahn
brechen, während die Stanze, wie- alle übrigen italienischen Versmaße, sich blos
auf das Gebiet der kleinen Lyrik beschränken wird. -- Ferner gehört in dieses Gebiet


Wir geben heute einige Proben von der Art und Weise, wie der Dichter sich gegen
die Kirche verhielt.


Wir klagen all »ut Wissens nicht, was Noth bereitet,
Weil u»S der Pabst selbst, unser Vater, hat verleitet.
Er geht voran mit väterlichem Beispiel nur:
Wir folgen ihm und nie kommt unser Fuß aus seiner Spur. ,
Nun merke, Welt, was mir daran so sehr mißsalle:
Geizet er, so geizen mit ihm alle;
Lüget er, sie lügen mit 'ihm alle seineu Lug,
Und trüget er , sie trügen mit ihm seinen Trug.
Habt Acht, wers übel mir nimmt ohne Fug,
Bringt mit dem Alten dort den jungen Judas in die Falle.

Der Stuhl zu Rom ist jetzt erst recht gar schön gefahren,
Schlimmer als beim Zaubrer Gerbert einst vor langen Jahren:
Derselbe gab dem Teufel doch sich hin allein,
Doch dieser will sich und die Christenheit der Holle weihn.
Alle Zungen mußten Gott auftehn zu strafen
Und rufen ihm, wie lang er wolle schlafen?
Sie wirken wider seine Werk und fälschen all sein Wort,
Sein Kämmerer der stiehlt ihm seinen Himmelshort.
Sein Richter mordet hier und raubet dort,
Sein Hirt ist ihm zum Wolf geworden unter seinen Schaafen.

Juchheisa! mag der Pabst ins Fäustchen christlich lachen,
Wenn er zu seinen Wälschen sagt: „was kann ich Alle» machen!"
Was er da sagt, das hätt er besser nie gedacht.
Er prahlt: „zwei Deutsche hab ich unter eine Krone gebracht,
Daß sie das Reich zerreißen nun mit Kriegslasten!
Unterdessen füllen wir die Kasten.
Hab sie zum Opferstock gedrängt, ihr Gut ist alles mein,
Ihr deutsches Silber sährt in meinen wälschen Schrein,
Ihr Pfaffen esset Hühner, trinket Wein,
Und laßt für euch die Deutschen beten, singen, fasten."

Von neuen Gedichtsammlungen erwähnen wir: G edi este von Karl Binzer
(Kopenhagen, Schwarz). Gemüthlich naiv und im Ganzen ansprechend. Ferner: Welt
und Herz. Von Willfried von der Nenn. (Dresden, Schvnfeld.) Die Gedichte sind
zu einem wohlthätigen Zweck bestimmt und sind in ihrer Anspruchslosigkeit zum Theil
ganz gut. > Ferner: Drei Bücher Epigramme, von Kühn. (Berlin, Alexander
Duncker.) Als kleine epische Darstellungen nennen wir: Nur Jehan, von Her¬
mann Naumann (Breslau, Trewendt und Graner) und: Die Brüder, von Paul
Heyse (Berlin W. Hertz). — Beide behandeln ausländische Stoffe, das erste eine
persische, das zweite eine chinesische Sage. Die Geschichten sind in beiden interessant
genug, in Beziehung auf die Ausführung geben wir «dem zweiten entschieden den. Vor¬
zug. Schon der fünffüßige ungereimte Trochäus, den er für sein Werk- gewählt hat,,
se viel zweckmäßiger, als die pomphafte Ottavcrime des' erster». Jenes trochäische
Versmaß wird sich für ähnliche Dichtungen wol immer mehr bei uns Bahn
brechen, während die Stanze, wie- alle übrigen italienischen Versmaße, sich blos
auf das Gebiet der kleinen Lyrik beschränken wird. — Ferner gehört in dieses Gebiet


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[0201] Wir geben heute einige Proben von der Art und Weise, wie der Dichter sich gegen die Kirche verhielt. Wir klagen all »ut Wissens nicht, was Noth bereitet, Weil u»S der Pabst selbst, unser Vater, hat verleitet. Er geht voran mit väterlichem Beispiel nur: Wir folgen ihm und nie kommt unser Fuß aus seiner Spur. , Nun merke, Welt, was mir daran so sehr mißsalle: Geizet er, so geizen mit ihm alle; Lüget er, sie lügen mit 'ihm alle seineu Lug, Und trüget er , sie trügen mit ihm seinen Trug. Habt Acht, wers übel mir nimmt ohne Fug, Bringt mit dem Alten dort den jungen Judas in die Falle. Der Stuhl zu Rom ist jetzt erst recht gar schön gefahren, Schlimmer als beim Zaubrer Gerbert einst vor langen Jahren: Derselbe gab dem Teufel doch sich hin allein, Doch dieser will sich und die Christenheit der Holle weihn. Alle Zungen mußten Gott auftehn zu strafen Und rufen ihm, wie lang er wolle schlafen? Sie wirken wider seine Werk und fälschen all sein Wort, Sein Kämmerer der stiehlt ihm seinen Himmelshort. Sein Richter mordet hier und raubet dort, Sein Hirt ist ihm zum Wolf geworden unter seinen Schaafen. Juchheisa! mag der Pabst ins Fäustchen christlich lachen, Wenn er zu seinen Wälschen sagt: „was kann ich Alle» machen!" Was er da sagt, das hätt er besser nie gedacht. Er prahlt: „zwei Deutsche hab ich unter eine Krone gebracht, Daß sie das Reich zerreißen nun mit Kriegslasten! Unterdessen füllen wir die Kasten. Hab sie zum Opferstock gedrängt, ihr Gut ist alles mein, Ihr deutsches Silber sährt in meinen wälschen Schrein, Ihr Pfaffen esset Hühner, trinket Wein, Und laßt für euch die Deutschen beten, singen, fasten." Von neuen Gedichtsammlungen erwähnen wir: G edi este von Karl Binzer (Kopenhagen, Schwarz). Gemüthlich naiv und im Ganzen ansprechend. Ferner: Welt und Herz. Von Willfried von der Nenn. (Dresden, Schvnfeld.) Die Gedichte sind zu einem wohlthätigen Zweck bestimmt und sind in ihrer Anspruchslosigkeit zum Theil ganz gut. > Ferner: Drei Bücher Epigramme, von Kühn. (Berlin, Alexander Duncker.) Als kleine epische Darstellungen nennen wir: Nur Jehan, von Her¬ mann Naumann (Breslau, Trewendt und Graner) und: Die Brüder, von Paul Heyse (Berlin W. Hertz). — Beide behandeln ausländische Stoffe, das erste eine persische, das zweite eine chinesische Sage. Die Geschichten sind in beiden interessant genug, in Beziehung auf die Ausführung geben wir «dem zweiten entschieden den. Vor¬ zug. Schon der fünffüßige ungereimte Trochäus, den er für sein Werk- gewählt hat,, se viel zweckmäßiger, als die pomphafte Ottavcrime des' erster». Jenes trochäische Versmaß wird sich für ähnliche Dichtungen wol immer mehr bei uns Bahn brechen, während die Stanze, wie- alle übrigen italienischen Versmaße, sich blos auf das Gebiet der kleinen Lyrik beschränken wird. — Ferner gehört in dieses Gebiet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/201>, abgerufen am 23.06.2024.