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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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dessen Stelle. Dem Gebot der Kirche ist vollauf Genüge geleistet, der Ungebun¬
denste darf bei den warmblütigen Italienern sich wieder regen.

Graner und farbloser werden allmählich die Mauern und Thürme, dunkler
die unteren Berge, während ihre oberen Gipfel von den letzten Strahlen der
Sonne beleuchtet noch im rosigen Lichte schimmern. Allmählich wird es auch im
Hafen leerer und leerer, eine Barke nach der andern rudert dem Molo zu, dort
ihre frohen Gäste, die das Nachtmahl uoch einnehmen wollen, anzulanden. Auch
auf den Schiffen wird es still, der Gesang der Matrosen verstummt, schläfrig
suchen sie ihre Cojen, um nach der harten Arbeit des Tages sich für die nicht
minderschwere des morgenden zu stärken. Von dem Wachtschiff donnert jetzt der
Signalschuß' zum Zeichen, daß alle Feuer und Lichter am Bord der Schiffe ge¬
löscht sein müssen, und in vollem Echo ertönt derselbe wieder von den Felsen und
den Mauern der Paläste zurück.

Allmählich tritt der Mond mit voller Scheibe hinter dem Berge von "San-
Noccv" hervor. Silbermatt erglänzt der Spiegel des Meeres, von der leichten
Landbrise, die gegen Abend sich stets zu erhebe" pflegt, gekräuselt. Lauge dunkle
Schatten werfen die Mauern des Molo auf dieser hellen Fläche, und die Umrisse
einzelner Fahrzeuge, die gerade eine besondere Beleuchtung haben, zeichnen sich
in stark vergrößertem Maßstabe ans derselben so scharf und rein ab, wie bei der
besten Latcrna magica mit ihren Figuren aus der weißen Kalkwand. Von tief¬
blauer vollgesättigter Farbe ist dabei der Himmel, und kein leises Wölkchen trübt
dessen Reinheit, während unzählige Sternbilder mit ihrem Hellem Lichte schwach
durch das mattere des Mondes hindurchschimmern. Voller süßer Wohlgerüche
von den vielen Rosen-, Jasmin- und Granathecken, die überall in deu weitläufigen
Gärten am Lande stehen, duftet der sanft kühlende Landwind und 'zeigt uns die
Milde italienischer Sommernächte. Kleine Barken, größtentheils nur mit einigen
Personen, kreuzen noch auf den Wellen, langsam in lang eingehaltenen Ruder-
schlägen von ihren Führern fortbewegt. Häufig sind liebende Paare in denselben,
denn die einsame Barke, in der man unbeobachtet von lästigen Spähern dem
Drange der Herzen folgen kann, ist ein beliebter Ort für dergleichen Zusammen¬
künfte. Die Treue und Verschwiegenheit der Barkführer in dergleichen Fällen
ist in Genua sprichwörtlich geworden. Häufig scheinen diese Paare den höheren
Ständen anzugehören. Viele Mäntel von dunkler Seide wurden, um die Form
des Körpers zu verhülle", von den Damen nmgenommen, ein schwarzer dichter
Schleier rasch über das Gesicht gezogen, wenn zufällig unsre Barke auf Augen¬
blicke in zu'große Nähe kam. Oft ertönte von solchem einsamen Schifflein ein
voller honorer Gesang aus Manneskehle, dann fiel in einzelnen Pausen eine zar¬
tere Frauenstimme mit ein,' oder die Klänge der Mandoline begleiteten denselben.
Weit ab im Meere, oft nur kleinen glühenden Punkten gleich, leuchteten die Feuer
vieler Fischerboote. Eine Art größerer Seefisch wird vornehmlich in der Art


dessen Stelle. Dem Gebot der Kirche ist vollauf Genüge geleistet, der Ungebun¬
denste darf bei den warmblütigen Italienern sich wieder regen.

Graner und farbloser werden allmählich die Mauern und Thürme, dunkler
die unteren Berge, während ihre oberen Gipfel von den letzten Strahlen der
Sonne beleuchtet noch im rosigen Lichte schimmern. Allmählich wird es auch im
Hafen leerer und leerer, eine Barke nach der andern rudert dem Molo zu, dort
ihre frohen Gäste, die das Nachtmahl uoch einnehmen wollen, anzulanden. Auch
auf den Schiffen wird es still, der Gesang der Matrosen verstummt, schläfrig
suchen sie ihre Cojen, um nach der harten Arbeit des Tages sich für die nicht
minderschwere des morgenden zu stärken. Von dem Wachtschiff donnert jetzt der
Signalschuß' zum Zeichen, daß alle Feuer und Lichter am Bord der Schiffe ge¬
löscht sein müssen, und in vollem Echo ertönt derselbe wieder von den Felsen und
den Mauern der Paläste zurück.

Allmählich tritt der Mond mit voller Scheibe hinter dem Berge von „San-
Noccv" hervor. Silbermatt erglänzt der Spiegel des Meeres, von der leichten
Landbrise, die gegen Abend sich stets zu erhebe» pflegt, gekräuselt. Lauge dunkle
Schatten werfen die Mauern des Molo auf dieser hellen Fläche, und die Umrisse
einzelner Fahrzeuge, die gerade eine besondere Beleuchtung haben, zeichnen sich
in stark vergrößertem Maßstabe ans derselben so scharf und rein ab, wie bei der
besten Latcrna magica mit ihren Figuren aus der weißen Kalkwand. Von tief¬
blauer vollgesättigter Farbe ist dabei der Himmel, und kein leises Wölkchen trübt
dessen Reinheit, während unzählige Sternbilder mit ihrem Hellem Lichte schwach
durch das mattere des Mondes hindurchschimmern. Voller süßer Wohlgerüche
von den vielen Rosen-, Jasmin- und Granathecken, die überall in deu weitläufigen
Gärten am Lande stehen, duftet der sanft kühlende Landwind und 'zeigt uns die
Milde italienischer Sommernächte. Kleine Barken, größtentheils nur mit einigen
Personen, kreuzen noch auf den Wellen, langsam in lang eingehaltenen Ruder-
schlägen von ihren Führern fortbewegt. Häufig sind liebende Paare in denselben,
denn die einsame Barke, in der man unbeobachtet von lästigen Spähern dem
Drange der Herzen folgen kann, ist ein beliebter Ort für dergleichen Zusammen¬
künfte. Die Treue und Verschwiegenheit der Barkführer in dergleichen Fällen
ist in Genua sprichwörtlich geworden. Häufig scheinen diese Paare den höheren
Ständen anzugehören. Viele Mäntel von dunkler Seide wurden, um die Form
des Körpers zu verhülle», von den Damen nmgenommen, ein schwarzer dichter
Schleier rasch über das Gesicht gezogen, wenn zufällig unsre Barke auf Augen¬
blicke in zu'große Nähe kam. Oft ertönte von solchem einsamen Schifflein ein
voller honorer Gesang aus Manneskehle, dann fiel in einzelnen Pausen eine zar¬
tere Frauenstimme mit ein,' oder die Klänge der Mandoline begleiteten denselben.
Weit ab im Meere, oft nur kleinen glühenden Punkten gleich, leuchteten die Feuer
vieler Fischerboote. Eine Art größerer Seefisch wird vornehmlich in der Art


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/20>, abgerufen am 19.10.2024.