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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Verhältnisse dem alten Alliirten entgegenkommt. Namentlich in der Frage, die
gegenwärtig in Betracht kommt, der Zollvereinsfrage, darf Preußen keinen Zoll
breit nachgeben.

Wir hatten im vorigen Heft die Ueberzeugung ausgesprochen, daß Hannover
nach den jetzt bekannt gewordenen geheimen Bedingungen des Septembervertrags
an einen Bruch nicht denken könne. Wir halten anch jetzt diese Ansicht fest, ob¬
gleich die eigenthümliche Form,' in welcher nach dem Schluß der Konferenz der
hannoversche Bevollmächtigte aus Berlin abberufen wurde, dagegen zu sprechen
scheint. Das Alles sind lediglich Nachwehen von der alten Antipathie der deut¬
scheu Staaten gegen Preußen, von dem man voraussetzte, es nehme zwar alle
Augenblicke eine herausfordernde Miene an, aber es gebe augenblicklich nach, so¬
bald man ihm Ernst zeige. Diesem dunkeln Gefühl folgend, hat man, ohne einen
bestimmten, klar ausgesprochenen Zweck, Preußen von allen Seiten in Verlegen¬
heit zu setzen gesucht, und wenn man jetzt überrascht ist, sich in Preußen geirrt
zu haben, so gebraucht man doch Zeit, sich in diese neue Auffassung zu finden.
Man wird aber sich darin finden, wenn Preußen fest bleibt.

Wir dürfen dem Ministerium eine bittere Wahrheit nicht verschweigen. Der
jetzige, wenigstens anscheinende Bruch des Zollvereins geht, Muigstens zum gro¬
ßen Theil, daraus hervor, daß es vor Ollmütz nicht zurückgetreten ist. Wir
wollen die Lage deS preußischen Staats vor der Ollmützer Zusammenkunft hier
nicht näher untersuchen; war aber Ollmütz nöthig, so mußte es einem Ministe¬
rium überlassen bleiben, das uoch intact war, das in der bisherigen politischen
Richtung Preußens keine Verpflichtungen übernommen hatte, das also nicht in
Widerspruch mit sich selbst treten konnte. Denn hätte sich das Vorurtheil der
übrigen deutschen Staaten, mau könne Preußew Alles bieten, nicht in dieser
Ausdehnung festgesetzt, dann hätte man gegnerischer Seits die- Eventualität,
Preußen könne doch einmal Nein sagen, ins Ange gefaßt, und sich danach ein¬
gerichtet, man hätte sich nicht ans alle Fälle die Hände gebunden.

Wie dem aber auch sei, die Vergangenheit lassen wir dahingestellt sein.
Staaten können viele Sünden begehen, ohne daß ihr Untergang die unvermeid¬
liche Folge wäre. Preußen kann auch jetzt uoch seinen Credit wiederherstellen,
wenn es sich in der eben so festen als besonnenen Haltung, die es zuletzt einge¬
nommen, behauptet: kein Nachgeben gegen jene verderbliche Buudeötagspolitik,
welche (denn das ist die Hauptsache im Bestreben der Koalition, nicht etwa Schutz¬
zoll oder Handelsfreiheit) die inneren Angelegenheiten Preußens vor das Forum
des Bundestags ziehen, d. h. Preußen zu Gunsten Oestreichs mediatisiren will;
dagegen offenes und rücksichtsloses Entgegenkommen in der äußern Politik, in der
Oestreich und Preußen jetzt nur ein Interesse haben. Wie Oestreich in Italien,
so ist Preußen ?am Rhein bedroht; das Eine muß für das Andere eintreten.
Wir können die besten Waffenbrüder von der Welt sein, aber in unsren


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Verhältnisse dem alten Alliirten entgegenkommt. Namentlich in der Frage, die
gegenwärtig in Betracht kommt, der Zollvereinsfrage, darf Preußen keinen Zoll
breit nachgeben.

Wir hatten im vorigen Heft die Ueberzeugung ausgesprochen, daß Hannover
nach den jetzt bekannt gewordenen geheimen Bedingungen des Septembervertrags
an einen Bruch nicht denken könne. Wir halten anch jetzt diese Ansicht fest, ob¬
gleich die eigenthümliche Form,' in welcher nach dem Schluß der Konferenz der
hannoversche Bevollmächtigte aus Berlin abberufen wurde, dagegen zu sprechen
scheint. Das Alles sind lediglich Nachwehen von der alten Antipathie der deut¬
scheu Staaten gegen Preußen, von dem man voraussetzte, es nehme zwar alle
Augenblicke eine herausfordernde Miene an, aber es gebe augenblicklich nach, so¬
bald man ihm Ernst zeige. Diesem dunkeln Gefühl folgend, hat man, ohne einen
bestimmten, klar ausgesprochenen Zweck, Preußen von allen Seiten in Verlegen¬
heit zu setzen gesucht, und wenn man jetzt überrascht ist, sich in Preußen geirrt
zu haben, so gebraucht man doch Zeit, sich in diese neue Auffassung zu finden.
Man wird aber sich darin finden, wenn Preußen fest bleibt.

Wir dürfen dem Ministerium eine bittere Wahrheit nicht verschweigen. Der
jetzige, wenigstens anscheinende Bruch des Zollvereins geht, Muigstens zum gro¬
ßen Theil, daraus hervor, daß es vor Ollmütz nicht zurückgetreten ist. Wir
wollen die Lage deS preußischen Staats vor der Ollmützer Zusammenkunft hier
nicht näher untersuchen; war aber Ollmütz nöthig, so mußte es einem Ministe¬
rium überlassen bleiben, das uoch intact war, das in der bisherigen politischen
Richtung Preußens keine Verpflichtungen übernommen hatte, das also nicht in
Widerspruch mit sich selbst treten konnte. Denn hätte sich das Vorurtheil der
übrigen deutschen Staaten, mau könne Preußew Alles bieten, nicht in dieser
Ausdehnung festgesetzt, dann hätte man gegnerischer Seits die- Eventualität,
Preußen könne doch einmal Nein sagen, ins Ange gefaßt, und sich danach ein¬
gerichtet, man hätte sich nicht ans alle Fälle die Hände gebunden.

Wie dem aber auch sei, die Vergangenheit lassen wir dahingestellt sein.
Staaten können viele Sünden begehen, ohne daß ihr Untergang die unvermeid¬
liche Folge wäre. Preußen kann auch jetzt uoch seinen Credit wiederherstellen,
wenn es sich in der eben so festen als besonnenen Haltung, die es zuletzt einge¬
nommen, behauptet: kein Nachgeben gegen jene verderbliche Buudeötagspolitik,
welche (denn das ist die Hauptsache im Bestreben der Koalition, nicht etwa Schutz¬
zoll oder Handelsfreiheit) die inneren Angelegenheiten Preußens vor das Forum
des Bundestags ziehen, d. h. Preußen zu Gunsten Oestreichs mediatisiren will;
dagegen offenes und rücksichtsloses Entgegenkommen in der äußern Politik, in der
Oestreich und Preußen jetzt nur ein Interesse haben. Wie Oestreich in Italien,
so ist Preußen ?am Rhein bedroht; das Eine muß für das Andere eintreten.
Wir können die besten Waffenbrüder von der Welt sein, aber in unsren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/197>, abgerufen am 23.06.2024.