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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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eiligst und mit großem Verlust nach Corunna zurückziehen und dort einschiffen
mußte. Der Schluß des Jahres -18-10 sah die Franzose" wieder im unbestrittenen
Besitz der pyrenäischen Halbinsel mit Ausnahme Andalusiens und Portugals,
welches letztere noch 10,000 Engländer besetzt hielten, zu deren Vertreibung Soult
bereits bis Oporto vorgerückt war.

In England hatte sich die anfängliche Begeisterung des Volks für den spa¬
nischen Krieg in Folge der allgemeinen Niederlage der Patrioten und des zwar
ehren-, aber anch vcrlnstvollen Rückzugs der Engländer nach Corunna bedeutend
abgekühlt ; aber das Ministerium hatte endlich erkannt, daß hier die schwächste
Stelle von Napoleon's Macht sei, und war entschlossen, England von nun an als
Hauptmacht im spanischen Kriege auftreten zu lassen. Dazu konnten jedoch nicht
mehr als höchstens 60,000 Mann englische Truppen verwendet werden, während
Napoleon 300,000 seiner besten Krieger in Spanien lassen konnte, ohne anderswo
übermäßig geschwächt zu sein. Außerdem wurde die Kraft der englischen Negie¬
rung in diesem Kriege gelähmt durch eine nicht immer gewissenhafte Opposition
im Parlament, die mit Geld nud Mannschaften knickerte, und von der voraus¬
zusehen war, daß sie jeden kleinen Nachtheil im Kriege, selbst wenn er mir vor¬
übergehend war, gegen die allgemeine Politik des Cabinets benutzen würde.

Ein General von so vorsichtigem und zugleich so kühnem Charakter, wie Sir
Arthur Wellesley, war ganz der Mann für solche Verhältnisse, und es war daher nur
natürlich, daß man ihn zum Befehlshaber in dem nenzneröffnenden Feldzuge in Spa¬
nien wählte. Er selbst-zweifelte nicht im mindesten an seinem endlichen Erfolge. Er
kannte die ganze Stärke der strategischen Lage Portugals, das er abermals zum Aus¬
gangspunkt seiner Operationen zu machen gedachte, und hoffte in den gelehrigen und
fügsamen Portugiesen besseres Material zu einer nnter englischen Officieren zu organi-
sirenden Armee zu finden, als in den nnlenksamen und gegen Fremde mißtrauischen
Spaniern. Diese Hoffnung täuschte ihn nicht; denn es gelang seinem Geschick
und .seiner Ausdauer, in nicht sehr langer Zeit ein portugiesisches Corps von
1ö,000 Mann zu organisiren, das ihm stets eine sehr nützliche Hilfe war.

Die Sachen standen mißlich bei Sir Arthur's Ankunft im Tajo. Die eng¬
lischen Truppen waren entmuthigt und die Portugiesen mißtrauisch geworden;
Soult stand in Oporto mit 24,000 Mann, und Victor und Lapisse drohten mit
30,000 von Estremadura und Leon ans. Dieser Macht sollte WelleSlcy mit
20,000 Engländern und -is,000 Portugiesen die Spitze bieten. Rasch entschlossen
zieht er mit 2i,000 Mann zuerst gegen den gefährlichsten Gegner, gegen Soult,
der in sicherer Stellung hinter der starken Duervlinie seiner wartete. Angesichts
des Feindes geht der englische Feldherr über den Fluß, erzwingt durch das kühne
Manöver die Räumung der für fast unüberwindlich gehaltenen Stellung, und setzt sich
Abends in Oporto zum Diner nieder, das der feindliche Marschall für sich hatte be¬
reiten lassen. Nur nach großen Verlusten gelingt es Soult, sich mit Ney zu vereinigen.


eiligst und mit großem Verlust nach Corunna zurückziehen und dort einschiffen
mußte. Der Schluß des Jahres -18-10 sah die Franzose» wieder im unbestrittenen
Besitz der pyrenäischen Halbinsel mit Ausnahme Andalusiens und Portugals,
welches letztere noch 10,000 Engländer besetzt hielten, zu deren Vertreibung Soult
bereits bis Oporto vorgerückt war.

In England hatte sich die anfängliche Begeisterung des Volks für den spa¬
nischen Krieg in Folge der allgemeinen Niederlage der Patrioten und des zwar
ehren-, aber anch vcrlnstvollen Rückzugs der Engländer nach Corunna bedeutend
abgekühlt ; aber das Ministerium hatte endlich erkannt, daß hier die schwächste
Stelle von Napoleon's Macht sei, und war entschlossen, England von nun an als
Hauptmacht im spanischen Kriege auftreten zu lassen. Dazu konnten jedoch nicht
mehr als höchstens 60,000 Mann englische Truppen verwendet werden, während
Napoleon 300,000 seiner besten Krieger in Spanien lassen konnte, ohne anderswo
übermäßig geschwächt zu sein. Außerdem wurde die Kraft der englischen Negie¬
rung in diesem Kriege gelähmt durch eine nicht immer gewissenhafte Opposition
im Parlament, die mit Geld nud Mannschaften knickerte, und von der voraus¬
zusehen war, daß sie jeden kleinen Nachtheil im Kriege, selbst wenn er mir vor¬
übergehend war, gegen die allgemeine Politik des Cabinets benutzen würde.

Ein General von so vorsichtigem und zugleich so kühnem Charakter, wie Sir
Arthur Wellesley, war ganz der Mann für solche Verhältnisse, und es war daher nur
natürlich, daß man ihn zum Befehlshaber in dem nenzneröffnenden Feldzuge in Spa¬
nien wählte. Er selbst-zweifelte nicht im mindesten an seinem endlichen Erfolge. Er
kannte die ganze Stärke der strategischen Lage Portugals, das er abermals zum Aus¬
gangspunkt seiner Operationen zu machen gedachte, und hoffte in den gelehrigen und
fügsamen Portugiesen besseres Material zu einer nnter englischen Officieren zu organi-
sirenden Armee zu finden, als in den nnlenksamen und gegen Fremde mißtrauischen
Spaniern. Diese Hoffnung täuschte ihn nicht; denn es gelang seinem Geschick
und .seiner Ausdauer, in nicht sehr langer Zeit ein portugiesisches Corps von
1ö,000 Mann zu organisiren, das ihm stets eine sehr nützliche Hilfe war.

Die Sachen standen mißlich bei Sir Arthur's Ankunft im Tajo. Die eng¬
lischen Truppen waren entmuthigt und die Portugiesen mißtrauisch geworden;
Soult stand in Oporto mit 24,000 Mann, und Victor und Lapisse drohten mit
30,000 von Estremadura und Leon ans. Dieser Macht sollte WelleSlcy mit
20,000 Engländern und -is,000 Portugiesen die Spitze bieten. Rasch entschlossen
zieht er mit 2i,000 Mann zuerst gegen den gefährlichsten Gegner, gegen Soult,
der in sicherer Stellung hinter der starken Duervlinie seiner wartete. Angesichts
des Feindes geht der englische Feldherr über den Fluß, erzwingt durch das kühne
Manöver die Räumung der für fast unüberwindlich gehaltenen Stellung, und setzt sich
Abends in Oporto zum Diner nieder, das der feindliche Marschall für sich hatte be¬
reiten lassen. Nur nach großen Verlusten gelingt es Soult, sich mit Ney zu vereinigen.


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[0174] eiligst und mit großem Verlust nach Corunna zurückziehen und dort einschiffen mußte. Der Schluß des Jahres -18-10 sah die Franzose» wieder im unbestrittenen Besitz der pyrenäischen Halbinsel mit Ausnahme Andalusiens und Portugals, welches letztere noch 10,000 Engländer besetzt hielten, zu deren Vertreibung Soult bereits bis Oporto vorgerückt war. In England hatte sich die anfängliche Begeisterung des Volks für den spa¬ nischen Krieg in Folge der allgemeinen Niederlage der Patrioten und des zwar ehren-, aber anch vcrlnstvollen Rückzugs der Engländer nach Corunna bedeutend abgekühlt ; aber das Ministerium hatte endlich erkannt, daß hier die schwächste Stelle von Napoleon's Macht sei, und war entschlossen, England von nun an als Hauptmacht im spanischen Kriege auftreten zu lassen. Dazu konnten jedoch nicht mehr als höchstens 60,000 Mann englische Truppen verwendet werden, während Napoleon 300,000 seiner besten Krieger in Spanien lassen konnte, ohne anderswo übermäßig geschwächt zu sein. Außerdem wurde die Kraft der englischen Negie¬ rung in diesem Kriege gelähmt durch eine nicht immer gewissenhafte Opposition im Parlament, die mit Geld nud Mannschaften knickerte, und von der voraus¬ zusehen war, daß sie jeden kleinen Nachtheil im Kriege, selbst wenn er mir vor¬ übergehend war, gegen die allgemeine Politik des Cabinets benutzen würde. Ein General von so vorsichtigem und zugleich so kühnem Charakter, wie Sir Arthur Wellesley, war ganz der Mann für solche Verhältnisse, und es war daher nur natürlich, daß man ihn zum Befehlshaber in dem nenzneröffnenden Feldzuge in Spa¬ nien wählte. Er selbst-zweifelte nicht im mindesten an seinem endlichen Erfolge. Er kannte die ganze Stärke der strategischen Lage Portugals, das er abermals zum Aus¬ gangspunkt seiner Operationen zu machen gedachte, und hoffte in den gelehrigen und fügsamen Portugiesen besseres Material zu einer nnter englischen Officieren zu organi- sirenden Armee zu finden, als in den nnlenksamen und gegen Fremde mißtrauischen Spaniern. Diese Hoffnung täuschte ihn nicht; denn es gelang seinem Geschick und .seiner Ausdauer, in nicht sehr langer Zeit ein portugiesisches Corps von 1ö,000 Mann zu organisiren, das ihm stets eine sehr nützliche Hilfe war. Die Sachen standen mißlich bei Sir Arthur's Ankunft im Tajo. Die eng¬ lischen Truppen waren entmuthigt und die Portugiesen mißtrauisch geworden; Soult stand in Oporto mit 24,000 Mann, und Victor und Lapisse drohten mit 30,000 von Estremadura und Leon ans. Dieser Macht sollte WelleSlcy mit 20,000 Engländern und -is,000 Portugiesen die Spitze bieten. Rasch entschlossen zieht er mit 2i,000 Mann zuerst gegen den gefährlichsten Gegner, gegen Soult, der in sicherer Stellung hinter der starken Duervlinie seiner wartete. Angesichts des Feindes geht der englische Feldherr über den Fluß, erzwingt durch das kühne Manöver die Räumung der für fast unüberwindlich gehaltenen Stellung, und setzt sich Abends in Oporto zum Diner nieder, das der feindliche Marschall für sich hatte be¬ reiten lassen. Nur nach großen Verlusten gelingt es Soult, sich mit Ney zu vereinigen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/174>, abgerufen am 20.06.2024.