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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Häuptlinge die Maske fallen ließen, und noch länger, ehe man ihre Truppen zum
Stehen brachte. Endlich am 23. Sptbr. stieß Wellesley bei dem Dorfe Assaye
auf das ganze Heer der Mahratten des Deccan, 60,000 Streiter mit 100
Kanonen. Wellesley hatte nur 4S00 Mann bei sich, aber ohne seine andere
unter Oberst Stevenson zur Umgehung des Lagers dctachirte Division abzuwarten,
begann er sofort die Schlacht, die er allein mit dem Bayonnet gewann. Dieser
herrliche Sieg über eine gut discipliuirte, von europäischen Offtcicren befehligte,
und mit einer bedeutenden Artillerie versehene Uebermacht stellte das Ueber¬
gewicht Englands in Ostindien ans immer fest. Eine zweite Schlacht von Arganm
gegen den Radschah von Berar beendigte den ersten Mahrattenkrieg, ans dem
Wellesley mit unverwelklichen Lorbeeren gekrönt zurückkehrte.




Ein Brief aus Algerien.

--Unsere Campagne ist durch ein heißes Gefecht an der Grenze von
Marokko beendet worden. Am 13. Juni verließen wir Bel Abbes und am 23.
lagerten wir am Flusse Onad-Nhiss, einige Kilometer von der Stadt Argbal, in
deren Umgegend in unzugänglichen Bergschluchten viele Tausende von Arabern
schwärmten. Unser Zweck war, diese" Stämmen die Ernte wegzunehmen, da sie
für ihren Empörungsversuch eine exemplarische Züchtigung verdienten. Wir bildeten
eine Colonne von 3000 Mann, geführt von General Montauban. Am 24. i Uhr
Morgens begannen L00 Arbeiter das Korn und die Gerste zu schneiden, hinter
ihnen zu Pferde befanden sich 6 Escadronen Chasseurs d'Afrique, ein wenig weiter
das Gewehr beim Fuß, unser braves Regiment. Kaum hatte das Sicheln be¬
gonnen, so bedeckten sich die umgebenden Höhen mit Feinden, die vollständig
nackt, ihre Flinten schwingend, ein gräßliches Geheul ausstießen und Kugeln in
die Reihen der Arbeiter sendeten. Der General ließ die Chasseurs vorrücken,
und diese trieben die Araber in heftiger Verfolgung bis Argbal; die Araber ließen
ungefähr 200 Mann ans dem Schlachtfelde, während die Chasseurs nur geringen
Verlust hatten. Aber' unglücklicher Weise war dies nur der Beginn des Tages.
Als der General um 8 Uhr die Chasseurs noch nicht zurückkehren sah, gab er
unsrem Bataillon (in der Stärke von 300 Mann) Befehl, zu ihrer Unterstützung
nachzurücken. Um 9 Uhr erklommen wir felsige Anhöhen, hin und wieder mit
Stachelicher Gebüschen und Palmbäumen bewachsen, und stießen ans die Araber,
die wol 8--10,000 Mann stark die 600 Chasseurs umzingelt hatten. Diese, bereits
ohne Munition, kämpften mit dem Säbel in der Faust, ihre Pferde am Zügel


Grenzboten. IV. 4 19

Häuptlinge die Maske fallen ließen, und noch länger, ehe man ihre Truppen zum
Stehen brachte. Endlich am 23. Sptbr. stieß Wellesley bei dem Dorfe Assaye
auf das ganze Heer der Mahratten des Deccan, 60,000 Streiter mit 100
Kanonen. Wellesley hatte nur 4S00 Mann bei sich, aber ohne seine andere
unter Oberst Stevenson zur Umgehung des Lagers dctachirte Division abzuwarten,
begann er sofort die Schlacht, die er allein mit dem Bayonnet gewann. Dieser
herrliche Sieg über eine gut discipliuirte, von europäischen Offtcicren befehligte,
und mit einer bedeutenden Artillerie versehene Uebermacht stellte das Ueber¬
gewicht Englands in Ostindien ans immer fest. Eine zweite Schlacht von Arganm
gegen den Radschah von Berar beendigte den ersten Mahrattenkrieg, ans dem
Wellesley mit unverwelklichen Lorbeeren gekrönt zurückkehrte.




Ein Brief aus Algerien.

--Unsere Campagne ist durch ein heißes Gefecht an der Grenze von
Marokko beendet worden. Am 13. Juni verließen wir Bel Abbes und am 23.
lagerten wir am Flusse Onad-Nhiss, einige Kilometer von der Stadt Argbal, in
deren Umgegend in unzugänglichen Bergschluchten viele Tausende von Arabern
schwärmten. Unser Zweck war, diese» Stämmen die Ernte wegzunehmen, da sie
für ihren Empörungsversuch eine exemplarische Züchtigung verdienten. Wir bildeten
eine Colonne von 3000 Mann, geführt von General Montauban. Am 24. i Uhr
Morgens begannen L00 Arbeiter das Korn und die Gerste zu schneiden, hinter
ihnen zu Pferde befanden sich 6 Escadronen Chasseurs d'Afrique, ein wenig weiter
das Gewehr beim Fuß, unser braves Regiment. Kaum hatte das Sicheln be¬
gonnen, so bedeckten sich die umgebenden Höhen mit Feinden, die vollständig
nackt, ihre Flinten schwingend, ein gräßliches Geheul ausstießen und Kugeln in
die Reihen der Arbeiter sendeten. Der General ließ die Chasseurs vorrücken,
und diese trieben die Araber in heftiger Verfolgung bis Argbal; die Araber ließen
ungefähr 200 Mann ans dem Schlachtfelde, während die Chasseurs nur geringen
Verlust hatten. Aber' unglücklicher Weise war dies nur der Beginn des Tages.
Als der General um 8 Uhr die Chasseurs noch nicht zurückkehren sah, gab er
unsrem Bataillon (in der Stärke von 300 Mann) Befehl, zu ihrer Unterstützung
nachzurücken. Um 9 Uhr erklommen wir felsige Anhöhen, hin und wieder mit
Stachelicher Gebüschen und Palmbäumen bewachsen, und stießen ans die Araber,
die wol 8—10,000 Mann stark die 600 Chasseurs umzingelt hatten. Diese, bereits
ohne Munition, kämpften mit dem Säbel in der Faust, ihre Pferde am Zügel


Grenzboten. IV. 4 19
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/155>, abgerufen am 20.06.2024.