Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

in Vergessenheit gerathen und von ihm erst wieder aufgefunden wäre. Es waren
in dieser Erzählung manche sehr wunderbare Umstände, welche wol zum Verdacht
leiten konnten, wenn nicht das Gemälde selbst diesem Verdacht widerspräche. Es
ist nicht blos bis in die kleinsten Züge, der Pinselführung hinein in der Manier
des Van Dyk gehalten, sondern es würde sich seinem innern Werthe nach an die
besseren Gemälde dieses Meisters reihen. Ist es nicht von Van Dyk, so gehört
der Maler des Bildes zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. Das
Bild könnte wol die Frage bei uns anregen, ob nicht in der alten einfachen
Weise, die wir bei den Künstlern der guten Zeit immer antreffen, etwas lag, was
gerade die Vollendung ihrer Kunst beförderte. Wir wenden jetzt die complicir-
testen Mittel von der Welt an, und der Eindruck wird doch nur in den seltensten
Fällen ein ergreifender und dauernder. Aus diesem Gemälde kann man lernen,
was man Mit einfachen Mitteln, einer klaren Gruppirung und einer breiten Farbe
erreicht. In einem Punkt geht der Künstler ein wenig aus der alten Einfachheit
heraus. Er giebt nämlich der Situation dadurch eine gewisse dramatische Span¬
nung, daß er einen Kerkermeister argwöhnisch durch das kleine Fenster hinein¬
blicken läßt. In ängstlicher, sehr schön ausgedrückter Spannung sucht das junge
Weib die Scene ihrem Verfolger zu verbergen, indem sie ihr Kleid vor dem
Vater ausbreitet. --

Noch eines Bildes müssen wir 'gedenken, welches einen bedeutenden Platz
in der neuern Landschaftsmalerei einnimmt und sich gegenwärtig gleichfalls bei
Del Vecchio befindet: eine Waldlandschaft bei Regenwetter, von Prof. Preller
in Weimar. Namentlich der Baumschlag ist mit einer Virtuosität ausgeführt, die
wir sonst nur bei Calame antreffen, und die Stimmung des Ganzen eine durch¬
aus poetische. --

Bei dieser Gelegenheit machen wir auf ein beachtenswerthes Unternehmen
der Hofbuchhandlung Alexander Duncker in Berlin aufmerksam. Dieselbe wird
nämlich Kaulbach's Wandgemälde im Treppenhause des neuen Museums im
Kupferstich herausgebe"/ Kaulbach selbst wird deu Stich überwachen. Das
Ganze ist auf etwa 2i Blätter berechnet, von denen 18 kleinere den einzelnen
Figuren und dem Fries gewidmet sind, während die sechs größeren die Zerstörung
von Babel, die Blüthe Griechenlands, Zerstörung Jerusalems, die Hunnenschlacht,
die Kreuzzüge und das sechste noch nicht componirte Bild wiedergeben werden.
Die Ausgabe erfolgt in 10 Lieferungen, von denen vier 3 Blätter, sechs 2
Blätter enthalten. Für die ersteren ist der Pränumerationspreis 9'/z Thlr., für
die letzteren -14°/z Thlr. Das Unternehmen ist als ein Nationalwerk zu betrachten
und zu befördern.




Grenzboten. IV, 18S2.

in Vergessenheit gerathen und von ihm erst wieder aufgefunden wäre. Es waren
in dieser Erzählung manche sehr wunderbare Umstände, welche wol zum Verdacht
leiten konnten, wenn nicht das Gemälde selbst diesem Verdacht widerspräche. Es
ist nicht blos bis in die kleinsten Züge, der Pinselführung hinein in der Manier
des Van Dyk gehalten, sondern es würde sich seinem innern Werthe nach an die
besseren Gemälde dieses Meisters reihen. Ist es nicht von Van Dyk, so gehört
der Maler des Bildes zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. Das
Bild könnte wol die Frage bei uns anregen, ob nicht in der alten einfachen
Weise, die wir bei den Künstlern der guten Zeit immer antreffen, etwas lag, was
gerade die Vollendung ihrer Kunst beförderte. Wir wenden jetzt die complicir-
testen Mittel von der Welt an, und der Eindruck wird doch nur in den seltensten
Fällen ein ergreifender und dauernder. Aus diesem Gemälde kann man lernen,
was man Mit einfachen Mitteln, einer klaren Gruppirung und einer breiten Farbe
erreicht. In einem Punkt geht der Künstler ein wenig aus der alten Einfachheit
heraus. Er giebt nämlich der Situation dadurch eine gewisse dramatische Span¬
nung, daß er einen Kerkermeister argwöhnisch durch das kleine Fenster hinein¬
blicken läßt. In ängstlicher, sehr schön ausgedrückter Spannung sucht das junge
Weib die Scene ihrem Verfolger zu verbergen, indem sie ihr Kleid vor dem
Vater ausbreitet. —

Noch eines Bildes müssen wir 'gedenken, welches einen bedeutenden Platz
in der neuern Landschaftsmalerei einnimmt und sich gegenwärtig gleichfalls bei
Del Vecchio befindet: eine Waldlandschaft bei Regenwetter, von Prof. Preller
in Weimar. Namentlich der Baumschlag ist mit einer Virtuosität ausgeführt, die
wir sonst nur bei Calame antreffen, und die Stimmung des Ganzen eine durch¬
aus poetische. —

Bei dieser Gelegenheit machen wir auf ein beachtenswerthes Unternehmen
der Hofbuchhandlung Alexander Duncker in Berlin aufmerksam. Dieselbe wird
nämlich Kaulbach's Wandgemälde im Treppenhause des neuen Museums im
Kupferstich herausgebe»/ Kaulbach selbst wird deu Stich überwachen. Das
Ganze ist auf etwa 2i Blätter berechnet, von denen 18 kleinere den einzelnen
Figuren und dem Fries gewidmet sind, während die sechs größeren die Zerstörung
von Babel, die Blüthe Griechenlands, Zerstörung Jerusalems, die Hunnenschlacht,
die Kreuzzüge und das sechste noch nicht componirte Bild wiedergeben werden.
Die Ausgabe erfolgt in 10 Lieferungen, von denen vier 3 Blätter, sechs 2
Blätter enthalten. Für die ersteren ist der Pränumerationspreis 9'/z Thlr., für
die letzteren -14°/z Thlr. Das Unternehmen ist als ein Nationalwerk zu betrachten
und zu befördern.




Grenzboten. IV, 18S2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0115" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95096"/>
          <p xml:id="ID_287" prev="#ID_286"> in Vergessenheit gerathen und von ihm erst wieder aufgefunden wäre. Es waren<lb/>
in dieser Erzählung manche sehr wunderbare Umstände, welche wol zum Verdacht<lb/>
leiten konnten, wenn nicht das Gemälde selbst diesem Verdacht widerspräche. Es<lb/>
ist nicht blos bis in die kleinsten Züge, der Pinselführung hinein in der Manier<lb/>
des Van Dyk gehalten, sondern es würde sich seinem innern Werthe nach an die<lb/>
besseren Gemälde dieses Meisters reihen. Ist es nicht von Van Dyk, so gehört<lb/>
der Maler des Bildes zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. Das<lb/>
Bild könnte wol die Frage bei uns anregen, ob nicht in der alten einfachen<lb/>
Weise, die wir bei den Künstlern der guten Zeit immer antreffen, etwas lag, was<lb/>
gerade die Vollendung ihrer Kunst beförderte. Wir wenden jetzt die complicir-<lb/>
testen Mittel von der Welt an, und der Eindruck wird doch nur in den seltensten<lb/>
Fällen ein ergreifender und dauernder. Aus diesem Gemälde kann man lernen,<lb/>
was man Mit einfachen Mitteln, einer klaren Gruppirung und einer breiten Farbe<lb/>
erreicht. In einem Punkt geht der Künstler ein wenig aus der alten Einfachheit<lb/>
heraus. Er giebt nämlich der Situation dadurch eine gewisse dramatische Span¬<lb/>
nung, daß er einen Kerkermeister argwöhnisch durch das kleine Fenster hinein¬<lb/>
blicken läßt. In ängstlicher, sehr schön ausgedrückter Spannung sucht das junge<lb/>
Weib die Scene ihrem Verfolger zu verbergen, indem sie ihr Kleid vor dem<lb/>
Vater ausbreitet. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_288"> Noch eines Bildes müssen wir 'gedenken, welches einen bedeutenden Platz<lb/>
in der neuern Landschaftsmalerei einnimmt und sich gegenwärtig gleichfalls bei<lb/>
Del Vecchio befindet: eine Waldlandschaft bei Regenwetter, von Prof. Preller<lb/>
in Weimar. Namentlich der Baumschlag ist mit einer Virtuosität ausgeführt, die<lb/>
wir sonst nur bei Calame antreffen, und die Stimmung des Ganzen eine durch¬<lb/>
aus poetische. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_289"> Bei dieser Gelegenheit machen wir auf ein beachtenswerthes Unternehmen<lb/>
der Hofbuchhandlung Alexander Duncker in Berlin aufmerksam. Dieselbe wird<lb/>
nämlich Kaulbach's Wandgemälde im Treppenhause des neuen Museums im<lb/>
Kupferstich herausgebe»/ Kaulbach selbst wird deu Stich überwachen. Das<lb/>
Ganze ist auf etwa 2i Blätter berechnet, von denen 18 kleinere den einzelnen<lb/>
Figuren und dem Fries gewidmet sind, während die sechs größeren die Zerstörung<lb/>
von Babel, die Blüthe Griechenlands, Zerstörung Jerusalems, die Hunnenschlacht,<lb/>
die Kreuzzüge und das sechste noch nicht componirte Bild wiedergeben werden.<lb/>
Die Ausgabe erfolgt in 10 Lieferungen, von denen vier 3 Blätter, sechs 2<lb/>
Blätter enthalten. Für die ersteren ist der Pränumerationspreis 9'/z Thlr., für<lb/>
die letzteren -14°/z Thlr. Das Unternehmen ist als ein Nationalwerk zu betrachten<lb/>
und zu befördern.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV, 18S2.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0115] in Vergessenheit gerathen und von ihm erst wieder aufgefunden wäre. Es waren in dieser Erzählung manche sehr wunderbare Umstände, welche wol zum Verdacht leiten konnten, wenn nicht das Gemälde selbst diesem Verdacht widerspräche. Es ist nicht blos bis in die kleinsten Züge, der Pinselführung hinein in der Manier des Van Dyk gehalten, sondern es würde sich seinem innern Werthe nach an die besseren Gemälde dieses Meisters reihen. Ist es nicht von Van Dyk, so gehört der Maler des Bildes zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. Das Bild könnte wol die Frage bei uns anregen, ob nicht in der alten einfachen Weise, die wir bei den Künstlern der guten Zeit immer antreffen, etwas lag, was gerade die Vollendung ihrer Kunst beförderte. Wir wenden jetzt die complicir- testen Mittel von der Welt an, und der Eindruck wird doch nur in den seltensten Fällen ein ergreifender und dauernder. Aus diesem Gemälde kann man lernen, was man Mit einfachen Mitteln, einer klaren Gruppirung und einer breiten Farbe erreicht. In einem Punkt geht der Künstler ein wenig aus der alten Einfachheit heraus. Er giebt nämlich der Situation dadurch eine gewisse dramatische Span¬ nung, daß er einen Kerkermeister argwöhnisch durch das kleine Fenster hinein¬ blicken läßt. In ängstlicher, sehr schön ausgedrückter Spannung sucht das junge Weib die Scene ihrem Verfolger zu verbergen, indem sie ihr Kleid vor dem Vater ausbreitet. — Noch eines Bildes müssen wir 'gedenken, welches einen bedeutenden Platz in der neuern Landschaftsmalerei einnimmt und sich gegenwärtig gleichfalls bei Del Vecchio befindet: eine Waldlandschaft bei Regenwetter, von Prof. Preller in Weimar. Namentlich der Baumschlag ist mit einer Virtuosität ausgeführt, die wir sonst nur bei Calame antreffen, und die Stimmung des Ganzen eine durch¬ aus poetische. — Bei dieser Gelegenheit machen wir auf ein beachtenswerthes Unternehmen der Hofbuchhandlung Alexander Duncker in Berlin aufmerksam. Dieselbe wird nämlich Kaulbach's Wandgemälde im Treppenhause des neuen Museums im Kupferstich herausgebe»/ Kaulbach selbst wird deu Stich überwachen. Das Ganze ist auf etwa 2i Blätter berechnet, von denen 18 kleinere den einzelnen Figuren und dem Fries gewidmet sind, während die sechs größeren die Zerstörung von Babel, die Blüthe Griechenlands, Zerstörung Jerusalems, die Hunnenschlacht, die Kreuzzüge und das sechste noch nicht componirte Bild wiedergeben werden. Die Ausgabe erfolgt in 10 Lieferungen, von denen vier 3 Blätter, sechs 2 Blätter enthalten. Für die ersteren ist der Pränumerationspreis 9'/z Thlr., für die letzteren -14°/z Thlr. Das Unternehmen ist als ein Nationalwerk zu betrachten und zu befördern. Grenzboten. IV, 18S2.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/115
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/115>, abgerufen am 23.06.2024.