Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Culturwelt mit ihren Keulen niederschlugen, waren nicht etwa hohe Engel aus dem
Paradiese, auch unter ihnen grassirtcn Laster, Bluthunde und Greuel aller Art, aber sie
waren der frische Abdruck des gigantischen Menschengeschlechts .... Wir stimmen
darin, wenn Sie in der Verbrecherwelt nur einen andern Abklatsch der höheren Stände
erblicken, so zergliedere, arrangire sie mir, ich finde Erklärung für Vieles, was
oben im Lichte geschieht, in meinem Schattenreich .... Die Zerlassenheit, das laxe
Wesen, die Maximen, Principien dringen von oben nach unten durch wie eine ätzende
Säure ze." -- Manches in diesen Bemerkungen ist wol ganz treffend, aber in der Haupt¬
sache ist doch ein Irrthum. Abgesehen von den gewöhnlichen Criminalfällen, Diebstahl,
Todtschlag aus Leidenschaft oder aus Habsucht, wie sie im Kreise der niederen Stände
vorkommen, und die doch im Ganzen wenig Interesse darbieten, ist das Verbrechen
keineswegs ein Ausdruck der Naturkraft, nicht einmal ein Ausdruck von den Schwächen
der wirklichen Gesellschaft. Das Verbrechen ist immer eine Anomalie. Nicht die Ge¬
waltsamkeit, oder die Bosheit macht seine Natur aus; sondern ganz einfach der bewußte
Conflict mit der Criminaljustiz. Wo so etwas in den höheren Ständen vorkommt, bei
denen das Zuchthaus, der Pranger, der Galgen doch auch einen ästhetischen Eindruck
hervorbringen, da liegt eine so große Anomalie in der Seele (wir meinen damit keines¬
wegs eine crimi na listisch rechtfertigende Krankheit), daß sie eigentlich nicht in den Kreis
der Dichtung gehört. Die criminalistische Poesie der neuesten Zeit ist eine Verirrung
des Geschmacks. Der Dichter soll uns in seinen Individuen Typen von allgemein
menschlicher Gültigkeit geben. Verbrechen, in welchen die Mittel im Verhältniß zum
Zweck stehen, wie die eines Macbeth und Richard III., können die Seele bewegen und
erschüttern, aber wenn die Geheimeräthin Ursinus den Kindern ihres Bruders, ja
selbst ihrem Bedienten, Rattenpulver eingiebt, theils weil sie sie nicht leiden kann, theils
aber auch blos ans einem verrückten Gelüst, so ist das eine bloße abscheuliche Kuriosität,
die in unsren Gefühlen auf keine verwandte Seite trifft. W. Alexis hat mit dem
größten Scharfsinn, einer wahrhaft bewunderungswürdigen Feinheit die Seele dieses miß-
geschaffencn Scheusals zu analysiren gesucht. Wir lassen ihm die vollste Anerkennung
zu Theil werden, aber wir werden doch durch die übel verschwendete Müde verstimmt.
Viel schwächer ist der zweite Giftmischer, eine hochromantische mystische Figur im Hoff-
mann'schen Geschmack. Hier sehen wir mir die seltsamsten Sprünge des Gedankens und
der Empfindung, den Leitfaden mögen wir uns selber suchen. Dieses Sprunghafte in
der Entwickelung, dan sich bei Verbrechern nicht vermeiden läßt, gebt dann mich auf
die Zeichnung der anderen Charaktere über. So bildet hier den Faden der Handlung
eine Demoiselle Adelheid Alltag, die uns als ein Ideal von klarem Gefühl, richtigem
Verstand und starkem Willen geschildert werden soll; da sie aber immer aus einer un¬
sinnigen Situation in die andere gestoßen wird, und uns immer mir brnchstückartig er¬
scheint, so können wir uns von ihr kein wirkliches Bild entwerfen, sie ist uns unverständ¬
lich und daher auch interesselos. Es kommt noch die bei den Jungdeutschen überhaupt
herrschende Neigung hinzu, den Leser zu überraschen. Vor unsren Augen entsteht ein
dem Anschein nach ganz warmes und normales Liebesverhältniß zwischen zwei Personen,
und Plötzlich sehen wir die eine davon einer dritten in den Armen liegen. Das kommt
wol im Leben vor, aber in der Poesie muß unser Gefühl doch etwas stärker bearbeitet
werden, um die Zweckmäßigkeit und Naturnotwendigkeit eines solchen Wechsels zu em¬
pfinden; bloße Andeutungen genügen keineswegs. -- Der Schluß des Romans ist völlig
unbefriedigend. Das Schicksal haut mit blinder Wuth rechts und links hinein, und
wir verlieren die Personen, für die wir uns bisher interessiren sollten, ohne irgend eine
abschließende Katastrophe einfach aus den Augen. Das ist ein Hautgout der Romantik,
an dem wir keinen Geschmack finden.


Wissenschaftliche Literatur.

-- Wir beginnen mit einem lehrreichen und
wichtigen Werk, dem wir eine große Verbreitung wünschen: Jahrbuch für Volks-


Culturwelt mit ihren Keulen niederschlugen, waren nicht etwa hohe Engel aus dem
Paradiese, auch unter ihnen grassirtcn Laster, Bluthunde und Greuel aller Art, aber sie
waren der frische Abdruck des gigantischen Menschengeschlechts .... Wir stimmen
darin, wenn Sie in der Verbrecherwelt nur einen andern Abklatsch der höheren Stände
erblicken, so zergliedere, arrangire sie mir, ich finde Erklärung für Vieles, was
oben im Lichte geschieht, in meinem Schattenreich .... Die Zerlassenheit, das laxe
Wesen, die Maximen, Principien dringen von oben nach unten durch wie eine ätzende
Säure ze." — Manches in diesen Bemerkungen ist wol ganz treffend, aber in der Haupt¬
sache ist doch ein Irrthum. Abgesehen von den gewöhnlichen Criminalfällen, Diebstahl,
Todtschlag aus Leidenschaft oder aus Habsucht, wie sie im Kreise der niederen Stände
vorkommen, und die doch im Ganzen wenig Interesse darbieten, ist das Verbrechen
keineswegs ein Ausdruck der Naturkraft, nicht einmal ein Ausdruck von den Schwächen
der wirklichen Gesellschaft. Das Verbrechen ist immer eine Anomalie. Nicht die Ge¬
waltsamkeit, oder die Bosheit macht seine Natur aus; sondern ganz einfach der bewußte
Conflict mit der Criminaljustiz. Wo so etwas in den höheren Ständen vorkommt, bei
denen das Zuchthaus, der Pranger, der Galgen doch auch einen ästhetischen Eindruck
hervorbringen, da liegt eine so große Anomalie in der Seele (wir meinen damit keines¬
wegs eine crimi na listisch rechtfertigende Krankheit), daß sie eigentlich nicht in den Kreis
der Dichtung gehört. Die criminalistische Poesie der neuesten Zeit ist eine Verirrung
des Geschmacks. Der Dichter soll uns in seinen Individuen Typen von allgemein
menschlicher Gültigkeit geben. Verbrechen, in welchen die Mittel im Verhältniß zum
Zweck stehen, wie die eines Macbeth und Richard III., können die Seele bewegen und
erschüttern, aber wenn die Geheimeräthin Ursinus den Kindern ihres Bruders, ja
selbst ihrem Bedienten, Rattenpulver eingiebt, theils weil sie sie nicht leiden kann, theils
aber auch blos ans einem verrückten Gelüst, so ist das eine bloße abscheuliche Kuriosität,
die in unsren Gefühlen auf keine verwandte Seite trifft. W. Alexis hat mit dem
größten Scharfsinn, einer wahrhaft bewunderungswürdigen Feinheit die Seele dieses miß-
geschaffencn Scheusals zu analysiren gesucht. Wir lassen ihm die vollste Anerkennung
zu Theil werden, aber wir werden doch durch die übel verschwendete Müde verstimmt.
Viel schwächer ist der zweite Giftmischer, eine hochromantische mystische Figur im Hoff-
mann'schen Geschmack. Hier sehen wir mir die seltsamsten Sprünge des Gedankens und
der Empfindung, den Leitfaden mögen wir uns selber suchen. Dieses Sprunghafte in
der Entwickelung, dan sich bei Verbrechern nicht vermeiden läßt, gebt dann mich auf
die Zeichnung der anderen Charaktere über. So bildet hier den Faden der Handlung
eine Demoiselle Adelheid Alltag, die uns als ein Ideal von klarem Gefühl, richtigem
Verstand und starkem Willen geschildert werden soll; da sie aber immer aus einer un¬
sinnigen Situation in die andere gestoßen wird, und uns immer mir brnchstückartig er¬
scheint, so können wir uns von ihr kein wirkliches Bild entwerfen, sie ist uns unverständ¬
lich und daher auch interesselos. Es kommt noch die bei den Jungdeutschen überhaupt
herrschende Neigung hinzu, den Leser zu überraschen. Vor unsren Augen entsteht ein
dem Anschein nach ganz warmes und normales Liebesverhältniß zwischen zwei Personen,
und Plötzlich sehen wir die eine davon einer dritten in den Armen liegen. Das kommt
wol im Leben vor, aber in der Poesie muß unser Gefühl doch etwas stärker bearbeitet
werden, um die Zweckmäßigkeit und Naturnotwendigkeit eines solchen Wechsels zu em¬
pfinden; bloße Andeutungen genügen keineswegs. — Der Schluß des Romans ist völlig
unbefriedigend. Das Schicksal haut mit blinder Wuth rechts und links hinein, und
wir verlieren die Personen, für die wir uns bisher interessiren sollten, ohne irgend eine
abschließende Katastrophe einfach aus den Augen. Das ist ein Hautgout der Romantik,
an dem wir keinen Geschmack finden.


Wissenschaftliche Literatur.

— Wir beginnen mit einem lehrreichen und
wichtigen Werk, dem wir eine große Verbreitung wünschen: Jahrbuch für Volks-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0488" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94929"/>
            <p xml:id="ID_1441" prev="#ID_1440"> Culturwelt mit ihren Keulen niederschlugen, waren nicht etwa hohe Engel aus dem<lb/>
Paradiese, auch unter ihnen grassirtcn Laster, Bluthunde und Greuel aller Art, aber sie<lb/>
waren der frische Abdruck des gigantischen Menschengeschlechts .... Wir stimmen<lb/>
darin, wenn Sie in der Verbrecherwelt nur einen andern Abklatsch der höheren Stände<lb/>
erblicken, so zergliedere, arrangire sie mir, ich finde Erklärung für Vieles, was<lb/>
oben im Lichte geschieht, in meinem Schattenreich .... Die Zerlassenheit, das laxe<lb/>
Wesen, die Maximen, Principien dringen von oben nach unten durch wie eine ätzende<lb/>
Säure ze." &#x2014; Manches in diesen Bemerkungen ist wol ganz treffend, aber in der Haupt¬<lb/>
sache ist doch ein Irrthum. Abgesehen von den gewöhnlichen Criminalfällen, Diebstahl,<lb/>
Todtschlag aus Leidenschaft oder aus Habsucht, wie sie im Kreise der niederen Stände<lb/>
vorkommen, und die doch im Ganzen wenig Interesse darbieten, ist das Verbrechen<lb/>
keineswegs ein Ausdruck der Naturkraft, nicht einmal ein Ausdruck von den Schwächen<lb/>
der wirklichen Gesellschaft. Das Verbrechen ist immer eine Anomalie. Nicht die Ge¬<lb/>
waltsamkeit, oder die Bosheit macht seine Natur aus; sondern ganz einfach der bewußte<lb/>
Conflict mit der Criminaljustiz. Wo so etwas in den höheren Ständen vorkommt, bei<lb/>
denen das Zuchthaus, der Pranger, der Galgen doch auch einen ästhetischen Eindruck<lb/>
hervorbringen, da liegt eine so große Anomalie in der Seele (wir meinen damit keines¬<lb/>
wegs eine crimi na listisch rechtfertigende Krankheit), daß sie eigentlich nicht in den Kreis<lb/>
der Dichtung gehört. Die criminalistische Poesie der neuesten Zeit ist eine Verirrung<lb/>
des Geschmacks. Der Dichter soll uns in seinen Individuen Typen von allgemein<lb/>
menschlicher Gültigkeit geben. Verbrechen, in welchen die Mittel im Verhältniß zum<lb/>
Zweck stehen, wie die eines Macbeth und Richard III., können die Seele bewegen und<lb/>
erschüttern, aber wenn die Geheimeräthin Ursinus den Kindern ihres Bruders, ja<lb/>
selbst ihrem Bedienten, Rattenpulver eingiebt, theils weil sie sie nicht leiden kann, theils<lb/>
aber auch blos ans einem verrückten Gelüst, so ist das eine bloße abscheuliche Kuriosität,<lb/>
die in unsren Gefühlen auf keine verwandte Seite trifft. W. Alexis hat mit dem<lb/>
größten Scharfsinn, einer wahrhaft bewunderungswürdigen Feinheit die Seele dieses miß-<lb/>
geschaffencn Scheusals zu analysiren gesucht. Wir lassen ihm die vollste Anerkennung<lb/>
zu Theil werden, aber wir werden doch durch die übel verschwendete Müde verstimmt.<lb/>
Viel schwächer ist der zweite Giftmischer, eine hochromantische mystische Figur im Hoff-<lb/>
mann'schen Geschmack. Hier sehen wir mir die seltsamsten Sprünge des Gedankens und<lb/>
der Empfindung, den Leitfaden mögen wir uns selber suchen. Dieses Sprunghafte in<lb/>
der Entwickelung, dan sich bei Verbrechern nicht vermeiden läßt, gebt dann mich auf<lb/>
die Zeichnung der anderen Charaktere über. So bildet hier den Faden der Handlung<lb/>
eine Demoiselle Adelheid Alltag, die uns als ein Ideal von klarem Gefühl, richtigem<lb/>
Verstand und starkem Willen geschildert werden soll; da sie aber immer aus einer un¬<lb/>
sinnigen Situation in die andere gestoßen wird, und uns immer mir brnchstückartig er¬<lb/>
scheint, so können wir uns von ihr kein wirkliches Bild entwerfen, sie ist uns unverständ¬<lb/>
lich und daher auch interesselos. Es kommt noch die bei den Jungdeutschen überhaupt<lb/>
herrschende Neigung hinzu, den Leser zu überraschen. Vor unsren Augen entsteht ein<lb/>
dem Anschein nach ganz warmes und normales Liebesverhältniß zwischen zwei Personen,<lb/>
und Plötzlich sehen wir die eine davon einer dritten in den Armen liegen. Das kommt<lb/>
wol im Leben vor, aber in der Poesie muß unser Gefühl doch etwas stärker bearbeitet<lb/>
werden, um die Zweckmäßigkeit und Naturnotwendigkeit eines solchen Wechsels zu em¬<lb/>
pfinden; bloße Andeutungen genügen keineswegs. &#x2014; Der Schluß des Romans ist völlig<lb/>
unbefriedigend. Das Schicksal haut mit blinder Wuth rechts und links hinein, und<lb/>
wir verlieren die Personen, für die wir uns bisher interessiren sollten, ohne irgend eine<lb/>
abschließende Katastrophe einfach aus den Augen. Das ist ein Hautgout der Romantik,<lb/>
an dem wir keinen Geschmack finden.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Wissenschaftliche Literatur. </head>
            <p xml:id="ID_1442" next="#ID_1443"> &#x2014; Wir beginnen mit einem lehrreichen und<lb/>
wichtigen Werk, dem wir eine große Verbreitung wünschen: Jahrbuch für Volks-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0488] Culturwelt mit ihren Keulen niederschlugen, waren nicht etwa hohe Engel aus dem Paradiese, auch unter ihnen grassirtcn Laster, Bluthunde und Greuel aller Art, aber sie waren der frische Abdruck des gigantischen Menschengeschlechts .... Wir stimmen darin, wenn Sie in der Verbrecherwelt nur einen andern Abklatsch der höheren Stände erblicken, so zergliedere, arrangire sie mir, ich finde Erklärung für Vieles, was oben im Lichte geschieht, in meinem Schattenreich .... Die Zerlassenheit, das laxe Wesen, die Maximen, Principien dringen von oben nach unten durch wie eine ätzende Säure ze." — Manches in diesen Bemerkungen ist wol ganz treffend, aber in der Haupt¬ sache ist doch ein Irrthum. Abgesehen von den gewöhnlichen Criminalfällen, Diebstahl, Todtschlag aus Leidenschaft oder aus Habsucht, wie sie im Kreise der niederen Stände vorkommen, und die doch im Ganzen wenig Interesse darbieten, ist das Verbrechen keineswegs ein Ausdruck der Naturkraft, nicht einmal ein Ausdruck von den Schwächen der wirklichen Gesellschaft. Das Verbrechen ist immer eine Anomalie. Nicht die Ge¬ waltsamkeit, oder die Bosheit macht seine Natur aus; sondern ganz einfach der bewußte Conflict mit der Criminaljustiz. Wo so etwas in den höheren Ständen vorkommt, bei denen das Zuchthaus, der Pranger, der Galgen doch auch einen ästhetischen Eindruck hervorbringen, da liegt eine so große Anomalie in der Seele (wir meinen damit keines¬ wegs eine crimi na listisch rechtfertigende Krankheit), daß sie eigentlich nicht in den Kreis der Dichtung gehört. Die criminalistische Poesie der neuesten Zeit ist eine Verirrung des Geschmacks. Der Dichter soll uns in seinen Individuen Typen von allgemein menschlicher Gültigkeit geben. Verbrechen, in welchen die Mittel im Verhältniß zum Zweck stehen, wie die eines Macbeth und Richard III., können die Seele bewegen und erschüttern, aber wenn die Geheimeräthin Ursinus den Kindern ihres Bruders, ja selbst ihrem Bedienten, Rattenpulver eingiebt, theils weil sie sie nicht leiden kann, theils aber auch blos ans einem verrückten Gelüst, so ist das eine bloße abscheuliche Kuriosität, die in unsren Gefühlen auf keine verwandte Seite trifft. W. Alexis hat mit dem größten Scharfsinn, einer wahrhaft bewunderungswürdigen Feinheit die Seele dieses miß- geschaffencn Scheusals zu analysiren gesucht. Wir lassen ihm die vollste Anerkennung zu Theil werden, aber wir werden doch durch die übel verschwendete Müde verstimmt. Viel schwächer ist der zweite Giftmischer, eine hochromantische mystische Figur im Hoff- mann'schen Geschmack. Hier sehen wir mir die seltsamsten Sprünge des Gedankens und der Empfindung, den Leitfaden mögen wir uns selber suchen. Dieses Sprunghafte in der Entwickelung, dan sich bei Verbrechern nicht vermeiden läßt, gebt dann mich auf die Zeichnung der anderen Charaktere über. So bildet hier den Faden der Handlung eine Demoiselle Adelheid Alltag, die uns als ein Ideal von klarem Gefühl, richtigem Verstand und starkem Willen geschildert werden soll; da sie aber immer aus einer un¬ sinnigen Situation in die andere gestoßen wird, und uns immer mir brnchstückartig er¬ scheint, so können wir uns von ihr kein wirkliches Bild entwerfen, sie ist uns unverständ¬ lich und daher auch interesselos. Es kommt noch die bei den Jungdeutschen überhaupt herrschende Neigung hinzu, den Leser zu überraschen. Vor unsren Augen entsteht ein dem Anschein nach ganz warmes und normales Liebesverhältniß zwischen zwei Personen, und Plötzlich sehen wir die eine davon einer dritten in den Armen liegen. Das kommt wol im Leben vor, aber in der Poesie muß unser Gefühl doch etwas stärker bearbeitet werden, um die Zweckmäßigkeit und Naturnotwendigkeit eines solchen Wechsels zu em¬ pfinden; bloße Andeutungen genügen keineswegs. — Der Schluß des Romans ist völlig unbefriedigend. Das Schicksal haut mit blinder Wuth rechts und links hinein, und wir verlieren die Personen, für die wir uns bisher interessiren sollten, ohne irgend eine abschließende Katastrophe einfach aus den Augen. Das ist ein Hautgout der Romantik, an dem wir keinen Geschmack finden. Wissenschaftliche Literatur. — Wir beginnen mit einem lehrreichen und wichtigen Werk, dem wir eine große Verbreitung wünschen: Jahrbuch für Volks-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/488
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/488>, abgerufen am 22.12.2024.