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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Rottmann gebührt das Verdienst, der Vater der historischen Landschaft im modernen
Sinne des Wortes zu sein. Man pflegte seit Tizian's Zeiten Alles eine histori¬
sche Landschaft zu nennen, worin sich irgend eine historische Gestalt, ein Johannes
M der Wüste oder ein Tobias ans der Wanderung inmitten einer Naturscene
befand. Wie ganz anders hat Rottmann seine historischen Landschaften aufgefaßt!
Diese 28 italienischen Landschaften wurden von Rottmann in den schönen Arkaden
des Hofgartens zu München in dem Format von K Fuß Breite und ö Fuß Hohe
Ä irssco ausgeführt. Die Fülle südlicher Formen, in die glänzendsten Tinten
getaucht, die reizende Klarheit eines ewig heitern Himmels, der durch sein zartes
transparentes schimmern dem nordländischen Maler eine eigenthümliche Aufgabe
bietet, die Größe des Meeres, der seine Linienlauf der Appenninen, die endlosen
fruchtbeladenen Ebenen, worin die Trümmer altrömischer Herrschaft zerstreut liegen:
dies Alles wußte Rvttmann mit einer außerordentlichen plastischen Kraft zu repro-
duciren. Wenn er das einzige Bild: "die Ruinen von Rom" gemalt hätte,
wüßte sein Name unsterblich sein.

In den Jahre" -1834 und 183ö verweilte Rottmann in Griechenland, und
nichte nach sorgfältig getroffener Wahl die fleißigsten Studien nach der Natur,
die er, reich beladen zurückgekehrt, in München für die neue Pinakothek in einer
besondern Makart, welche zwischen Enkaustik und Oelmalerei mitten inne liegt,
ausführte. Die Schwierigkeit dieser neuen Technik überwand Nottmaun mit
spielender Leichtigkeit, so daß ihn seine Kunstgenossen nicht genug dabei bewundern
konnten. Die berühmteste dieser historischen Landschaften ist "das Schlachtfeld
von Marathon". Er wollte eben an das vierundzwanzigste dieser griechischen
Bilder die letzte Hand anlegen, als ihn der Tod am 6. Juli -I8S1, also noch
vor dem Eintritt in das Greisenalter, ereilte. In tiefster Trauer folgte die
Künstlerschaft Münchens dem Sarge des Verblichenen.

Während die älteren Maler jeden Landstrich der Ebene, jede Scenerie der
Gebirgs- und Waldeswelt mit demselben Ange anblickten, wodurch sich in ihre
Productionen mehr oder weniger eine gewisse Monotonie einfchlich, brachte dagegen
Rottmann zu jedem neuen Bilde gleichsam ein neues Ange mit. Bezeichnend sind
seine eigenen Worte: "Und hätte König Ludwig mich an das Eismeer geschickt,
ich würde auch dort der Natur Etwas abgewonnen haben!" Wenn schon an und
für sich bei jeder Darstellung des schönen der Styl eine Hauptbedingung ist,
so muß er sich in der Landschaftsmalerei mehr als im historischen Fache bemerkbar
machen, was sich von selbst aus dem Verhältniß der eugbcgrenzten Leinwand zu
der Größe, der gewählten Naturscene ergiebt. Rottmann war sich darüber ganz
klar, welche Mittel er anwenden müsse, um die Macht der Idee im Kunstwerke
nicht durch überflüssige Technik zu beeinträchtigen. Die etwas zu oberflächliche
Behandlung der Vordergründe in einigen Bildern aus seiner ersten Künstlerpcrivde
ueß er sich später nicht mehr zu Schulden kommen. Mit welcher Umsicht, mit


Rottmann gebührt das Verdienst, der Vater der historischen Landschaft im modernen
Sinne des Wortes zu sein. Man pflegte seit Tizian's Zeiten Alles eine histori¬
sche Landschaft zu nennen, worin sich irgend eine historische Gestalt, ein Johannes
M der Wüste oder ein Tobias ans der Wanderung inmitten einer Naturscene
befand. Wie ganz anders hat Rottmann seine historischen Landschaften aufgefaßt!
Diese 28 italienischen Landschaften wurden von Rottmann in den schönen Arkaden
des Hofgartens zu München in dem Format von K Fuß Breite und ö Fuß Hohe
Ä irssco ausgeführt. Die Fülle südlicher Formen, in die glänzendsten Tinten
getaucht, die reizende Klarheit eines ewig heitern Himmels, der durch sein zartes
transparentes schimmern dem nordländischen Maler eine eigenthümliche Aufgabe
bietet, die Größe des Meeres, der seine Linienlauf der Appenninen, die endlosen
fruchtbeladenen Ebenen, worin die Trümmer altrömischer Herrschaft zerstreut liegen:
dies Alles wußte Rvttmann mit einer außerordentlichen plastischen Kraft zu repro-
duciren. Wenn er das einzige Bild: „die Ruinen von Rom" gemalt hätte,
wüßte sein Name unsterblich sein.

In den Jahre» -1834 und 183ö verweilte Rottmann in Griechenland, und
nichte nach sorgfältig getroffener Wahl die fleißigsten Studien nach der Natur,
die er, reich beladen zurückgekehrt, in München für die neue Pinakothek in einer
besondern Makart, welche zwischen Enkaustik und Oelmalerei mitten inne liegt,
ausführte. Die Schwierigkeit dieser neuen Technik überwand Nottmaun mit
spielender Leichtigkeit, so daß ihn seine Kunstgenossen nicht genug dabei bewundern
konnten. Die berühmteste dieser historischen Landschaften ist „das Schlachtfeld
von Marathon". Er wollte eben an das vierundzwanzigste dieser griechischen
Bilder die letzte Hand anlegen, als ihn der Tod am 6. Juli -I8S1, also noch
vor dem Eintritt in das Greisenalter, ereilte. In tiefster Trauer folgte die
Künstlerschaft Münchens dem Sarge des Verblichenen.

Während die älteren Maler jeden Landstrich der Ebene, jede Scenerie der
Gebirgs- und Waldeswelt mit demselben Ange anblickten, wodurch sich in ihre
Productionen mehr oder weniger eine gewisse Monotonie einfchlich, brachte dagegen
Rottmann zu jedem neuen Bilde gleichsam ein neues Ange mit. Bezeichnend sind
seine eigenen Worte: „Und hätte König Ludwig mich an das Eismeer geschickt,
ich würde auch dort der Natur Etwas abgewonnen haben!" Wenn schon an und
für sich bei jeder Darstellung des schönen der Styl eine Hauptbedingung ist,
so muß er sich in der Landschaftsmalerei mehr als im historischen Fache bemerkbar
machen, was sich von selbst aus dem Verhältniß der eugbcgrenzten Leinwand zu
der Größe, der gewählten Naturscene ergiebt. Rottmann war sich darüber ganz
klar, welche Mittel er anwenden müsse, um die Macht der Idee im Kunstwerke
nicht durch überflüssige Technik zu beeinträchtigen. Die etwas zu oberflächliche
Behandlung der Vordergründe in einigen Bildern aus seiner ersten Künstlerpcrivde
ueß er sich später nicht mehr zu Schulden kommen. Mit welcher Umsicht, mit


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[0481] Rottmann gebührt das Verdienst, der Vater der historischen Landschaft im modernen Sinne des Wortes zu sein. Man pflegte seit Tizian's Zeiten Alles eine histori¬ sche Landschaft zu nennen, worin sich irgend eine historische Gestalt, ein Johannes M der Wüste oder ein Tobias ans der Wanderung inmitten einer Naturscene befand. Wie ganz anders hat Rottmann seine historischen Landschaften aufgefaßt! Diese 28 italienischen Landschaften wurden von Rottmann in den schönen Arkaden des Hofgartens zu München in dem Format von K Fuß Breite und ö Fuß Hohe Ä irssco ausgeführt. Die Fülle südlicher Formen, in die glänzendsten Tinten getaucht, die reizende Klarheit eines ewig heitern Himmels, der durch sein zartes transparentes schimmern dem nordländischen Maler eine eigenthümliche Aufgabe bietet, die Größe des Meeres, der seine Linienlauf der Appenninen, die endlosen fruchtbeladenen Ebenen, worin die Trümmer altrömischer Herrschaft zerstreut liegen: dies Alles wußte Rvttmann mit einer außerordentlichen plastischen Kraft zu repro- duciren. Wenn er das einzige Bild: „die Ruinen von Rom" gemalt hätte, wüßte sein Name unsterblich sein. In den Jahre» -1834 und 183ö verweilte Rottmann in Griechenland, und nichte nach sorgfältig getroffener Wahl die fleißigsten Studien nach der Natur, die er, reich beladen zurückgekehrt, in München für die neue Pinakothek in einer besondern Makart, welche zwischen Enkaustik und Oelmalerei mitten inne liegt, ausführte. Die Schwierigkeit dieser neuen Technik überwand Nottmaun mit spielender Leichtigkeit, so daß ihn seine Kunstgenossen nicht genug dabei bewundern konnten. Die berühmteste dieser historischen Landschaften ist „das Schlachtfeld von Marathon". Er wollte eben an das vierundzwanzigste dieser griechischen Bilder die letzte Hand anlegen, als ihn der Tod am 6. Juli -I8S1, also noch vor dem Eintritt in das Greisenalter, ereilte. In tiefster Trauer folgte die Künstlerschaft Münchens dem Sarge des Verblichenen. Während die älteren Maler jeden Landstrich der Ebene, jede Scenerie der Gebirgs- und Waldeswelt mit demselben Ange anblickten, wodurch sich in ihre Productionen mehr oder weniger eine gewisse Monotonie einfchlich, brachte dagegen Rottmann zu jedem neuen Bilde gleichsam ein neues Ange mit. Bezeichnend sind seine eigenen Worte: „Und hätte König Ludwig mich an das Eismeer geschickt, ich würde auch dort der Natur Etwas abgewonnen haben!" Wenn schon an und für sich bei jeder Darstellung des schönen der Styl eine Hauptbedingung ist, so muß er sich in der Landschaftsmalerei mehr als im historischen Fache bemerkbar machen, was sich von selbst aus dem Verhältniß der eugbcgrenzten Leinwand zu der Größe, der gewählten Naturscene ergiebt. Rottmann war sich darüber ganz klar, welche Mittel er anwenden müsse, um die Macht der Idee im Kunstwerke nicht durch überflüssige Technik zu beeinträchtigen. Die etwas zu oberflächliche Behandlung der Vordergründe in einigen Bildern aus seiner ersten Künstlerpcrivde ueß er sich später nicht mehr zu Schulden kommen. Mit welcher Umsicht, mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/481>, abgerufen am 22.12.2024.