Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.in seinem dorfähnlichen Ban, durchgrünt von Gärten, dnrchwel't von Zeichen reger Krcnzbotcn. in. 12
in seinem dorfähnlichen Ban, durchgrünt von Gärten, dnrchwel't von Zeichen reger Krcnzbotcn. in. 12
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0101" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94542"/> <p xml:id="ID_249" prev="#ID_248" next="#ID_250"> in seinem dorfähnlichen Ban, durchgrünt von Gärten, dnrchwel't von Zeichen reger<lb/> Betriebsamkeit, angefüllt in allen Gassen von bereits versammelten Gästen. Vor<lb/> dem stattlichen Gasthause zum Hecht ist das wogendste Gedräng. Wagen von<lb/> mannichfaltigsten Mode- und Alterssormen stehen schon in Massen aufgefahren und<lb/> den Aussteigenden'schallt von sanbergekleideten Kindern, wie von reichgeschmückten<lb/> Mädchen die Bitte um ,,LandSgemeindskram" mit gleicher Energie wie auf der<lb/> Landstraße entgegen. Was ist Landsgemcindskram? Grobes Zuckerwerk, kleine<lb/> Lebzelten, die zu unendlich billigen Preisen in Buden und von Hansircrn aus-<lb/> geboten werden. Sie scheinen gleichsam el» BeschwichtiguugSmittcl für die un¬<lb/> würdigen Kinder und Frauen, damit diese schweigen, während die Männer tagen.<lb/> Aber die Kosten dafür fallen ganz gerechter Weise den Fremden zu, denen die<lb/> ganze Landsgemeinde mehr ein Schauspiel der Neugierde, als ein Act von lokal-<lb/> politischer Wichtigkeit ist. Um den massenhaften Bitten um Geld dazu, ohne<lb/> allzugroße Kosten und noch dazu in überraschender Weise entsprechen zu können<lb/> hat sich denn auch der civilisirte Schweizer aus den niedrigeren Nachbarcantonen<lb/> mit den neuesten dort angelangten kupfernen Zweiceutimenstücken versehen; ihrer<lb/> ö0 kosten erst 28 Kreuzer. Verdnzt betrachtet die Jngend das ausgeworfene und<lb/> in nicht gerade olympischen Niugspielen eroberte Geld. Der kleine Bruder zeigt<lb/> es zweifelnd der erwachsenen Schwester, welche ihm jedoch eben so wenig Rath<lb/> weiß, weshalb es am besten sofort beim Landsgemeiudst'rämer gegen besser ver¬<lb/> ständliches Backwerk vertauscht wird. So ward am 23 April daS neue Schweizer¬<lb/> geld von der republikanischen Jngend Appenzell-Jnuerrhodens in Lebensverkehr<lb/> gebracht, dem es bis da noch ganz fremd geblieben war. Und seitdem werden<lb/> wohl selbst diese reinen Berghöhen auch von der grobem Mickelscheidcmünzc inficirt<lb/> worden sein, welche zum Entsetzen der ganzen Schweiz den vollkommen werthlosen<lb/> Uebergang von den Knpfercentimeu zu den zwar geschmacklosen, aber feüchaltigen<lb/> Silberfrcnckcn bildet. Beinahe wäre jedoch am 23. April -1832 von den stimm-<lb/> fähigen Republikanern anch die Revision der Jnnerrhodener Verfassung nach der<lb/> Bundesverfassung von 1848 beschlossen worden. Und wie dies nicht geschah, soll<lb/> weiterhin erzählt werden. Eine hohe pentarchische Diplomatie, welche ja diese<lb/> Bundesverfassung gern austilgen möchte, muß jedenfalls der kleinen Demvkraten-<lb/> republik ihren besondern Dank für die abermalige Vertagung der Entscheidung<lb/> bringen. Denn hätte jetzt Appenzell Junerrhoden sür Adcptirung der Cantönli-<lb/> constitntion an, die Bundesacte gestimmt, so wäre der klerikalen Antiagitation in<lb/> anderen vorwiegend katholischen Cantonen ein vielgiltiger Nachdruck genommen<lb/> und die Festwachsung der fatalen Bundesverfassung wieder an einem Flecken zum<lb/> tutt aekompU gewordcu, welcher sich bisher standhaft gegen jede einhcitskräftige<lb/> Gestaltung der Eidgenossenschaft gestemmt hat. Aber wo, wenn solche Verwach¬<lb/> sung einträte, wo bliebe die Zukuijft des herrlichen Kölner Planes, welcher Frank¬<lb/> reich mit etwas Westschweiz abfindet, Oestreich mit etwas mehr Ostschweiz bedenkt,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Krcnzbotcn. in. 12</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0101]
in seinem dorfähnlichen Ban, durchgrünt von Gärten, dnrchwel't von Zeichen reger
Betriebsamkeit, angefüllt in allen Gassen von bereits versammelten Gästen. Vor
dem stattlichen Gasthause zum Hecht ist das wogendste Gedräng. Wagen von
mannichfaltigsten Mode- und Alterssormen stehen schon in Massen aufgefahren und
den Aussteigenden'schallt von sanbergekleideten Kindern, wie von reichgeschmückten
Mädchen die Bitte um ,,LandSgemeindskram" mit gleicher Energie wie auf der
Landstraße entgegen. Was ist Landsgemcindskram? Grobes Zuckerwerk, kleine
Lebzelten, die zu unendlich billigen Preisen in Buden und von Hansircrn aus-
geboten werden. Sie scheinen gleichsam el» BeschwichtiguugSmittcl für die un¬
würdigen Kinder und Frauen, damit diese schweigen, während die Männer tagen.
Aber die Kosten dafür fallen ganz gerechter Weise den Fremden zu, denen die
ganze Landsgemeinde mehr ein Schauspiel der Neugierde, als ein Act von lokal-
politischer Wichtigkeit ist. Um den massenhaften Bitten um Geld dazu, ohne
allzugroße Kosten und noch dazu in überraschender Weise entsprechen zu können
hat sich denn auch der civilisirte Schweizer aus den niedrigeren Nachbarcantonen
mit den neuesten dort angelangten kupfernen Zweiceutimenstücken versehen; ihrer
ö0 kosten erst 28 Kreuzer. Verdnzt betrachtet die Jngend das ausgeworfene und
in nicht gerade olympischen Niugspielen eroberte Geld. Der kleine Bruder zeigt
es zweifelnd der erwachsenen Schwester, welche ihm jedoch eben so wenig Rath
weiß, weshalb es am besten sofort beim Landsgemeiudst'rämer gegen besser ver¬
ständliches Backwerk vertauscht wird. So ward am 23 April daS neue Schweizer¬
geld von der republikanischen Jngend Appenzell-Jnuerrhodens in Lebensverkehr
gebracht, dem es bis da noch ganz fremd geblieben war. Und seitdem werden
wohl selbst diese reinen Berghöhen auch von der grobem Mickelscheidcmünzc inficirt
worden sein, welche zum Entsetzen der ganzen Schweiz den vollkommen werthlosen
Uebergang von den Knpfercentimeu zu den zwar geschmacklosen, aber feüchaltigen
Silberfrcnckcn bildet. Beinahe wäre jedoch am 23. April -1832 von den stimm-
fähigen Republikanern anch die Revision der Jnnerrhodener Verfassung nach der
Bundesverfassung von 1848 beschlossen worden. Und wie dies nicht geschah, soll
weiterhin erzählt werden. Eine hohe pentarchische Diplomatie, welche ja diese
Bundesverfassung gern austilgen möchte, muß jedenfalls der kleinen Demvkraten-
republik ihren besondern Dank für die abermalige Vertagung der Entscheidung
bringen. Denn hätte jetzt Appenzell Junerrhoden sür Adcptirung der Cantönli-
constitntion an, die Bundesacte gestimmt, so wäre der klerikalen Antiagitation in
anderen vorwiegend katholischen Cantonen ein vielgiltiger Nachdruck genommen
und die Festwachsung der fatalen Bundesverfassung wieder an einem Flecken zum
tutt aekompU gewordcu, welcher sich bisher standhaft gegen jede einhcitskräftige
Gestaltung der Eidgenossenschaft gestemmt hat. Aber wo, wenn solche Verwach¬
sung einträte, wo bliebe die Zukuijft des herrlichen Kölner Planes, welcher Frank¬
reich mit etwas Westschweiz abfindet, Oestreich mit etwas mehr Ostschweiz bedenkt,
Krcnzbotcn. in. 12
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |